Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.Da klinget sein Athem wie kosend Gesaus.
Er schüttelt die Locken, da stäubt es wie Duft, Wie Regengeglitzer, feuchtwarm durch die Luft; Durch Felder und Wälder hineilet sein Fuß, Da krachen die Zweige, da donnert der Fluß, Da berstet sein Panzer von weißem Kristall, Da gurgelt und woget der tosende Schwall; Von Dächern und Zinnen abtropfet der Schnee, Wie lächelnde Thränen, wie schwindendes Weh; Grasspitzen, Schneeglöcklein im lieblichen Flor, Sie schauen wie grüßende Hoffnung hervor, Und lachende Sonne am Himmelszelt Strahlt golden hernieder zur wonnigen Welt. Im Hofe der Deurenburg eilt Groß und Klein Und dränget und schiebt sich und lugt nach dem Rhein. Ihr schmucken Liebdirnlein -- kommt, eilet vom Schloß, Viel sehnige Arme regieren das Floß! Zum Mummenschanz! heia! zur Ringeltanzweis! Erschreckt Euch im Wasser ein treibend Stück Eis? Da jauchzt es und lachet und stürmet zum Thor: "Jau narro! jau narro!" und fort eilt's im Chor. Derweil sich dies Alles im Schloßhof begab, Verweilt in der Halle ein reisiger Knab', Jung Walter, und vor ihm, so bleich wie der Tod, Schön Nella, die er zur Zwiesprach' entbot. Es flammet und zucket des Knappen Gesicht, Schwer wird's ihm zu reden, doch heischt es die Pflicht, Und also hebt endlich die Rede er an: "Jungfräulein, ich stieg hier zur Veste hinan, Weil trauriger Auftrag mir's also befahl, Ich bringe Euch Kunde vom Werrathal!" Da klinget ſein Athem wie koſend Geſaus.
Er ſchüttelt die Locken, da ſtäubt es wie Duft, Wie Regengeglitzer, feuchtwarm durch die Luft; Durch Felder und Wälder hineilet ſein Fuß, Da krachen die Zweige, da donnert der Fluß, Da berſtet ſein Panzer von weißem Kriſtall, Da gurgelt und woget der toſende Schwall; Von Dächern und Zinnen abtropfet der Schnee, Wie lächelnde Thränen, wie ſchwindendes Weh; Grasſpitzen, Schneeglöcklein im lieblichen Flor, Sie ſchauen wie grüßende Hoffnung hervor, Und lachende Sonne am Himmelszelt Strahlt golden hernieder zur wonnigen Welt. Im Hofe der Deurenburg eilt Groß und Klein Und dränget und ſchiebt ſich und lugt nach dem Rhein. Ihr ſchmucken Liebdirnlein — kommt, eilet vom Schloß, Viel ſehnige Arme regieren das Floß! Zum Mummenſchanz! heia! zur Ringeltanzweis! Erſchreckt Euch im Waſſer ein treibend Stück Eis? Da jauchzt es und lachet und ſtürmet zum Thor: „Jû nârro! jû nârro!“ und fort eilt's im Chor. Derweil ſich dies Alles im Schloßhof begab, Verweilt in der Halle ein reiſiger Knab', Jung Walter, und vor ihm, ſo bleich wie der Tod, Schön Nella, die er zur Zwieſprach' entbot. Es flammet und zucket des Knappen Geſicht, Schwer wird's ihm zu reden, doch heiſcht es die Pflicht, Und alſo hebt endlich die Rede er an: „Jungfräulein, ich ſtieg hier zur Veſte hinan, Weil trauriger Auftrag mir's alſo befahl, Ich bringe Euch Kunde vom Werrathal!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0205" n="191"/> <lg n="2"> <l>Da klinget ſein Athem wie koſend Geſaus.</l><lb/> <l>Er ſchüttelt die Locken, da ſtäubt es wie Duft,</l><lb/> <l>Wie Regengeglitzer, feuchtwarm durch die Luft;</l><lb/> <l>Durch Felder und Wälder hineilet ſein Fuß,</l><lb/> <l>Da krachen die Zweige, da donnert der Fluß,</l><lb/> <l>Da berſtet ſein Panzer von weißem Kriſtall,</l><lb/> <l>Da gurgelt und woget der toſende Schwall;</l><lb/> <l>Von Dächern und Zinnen abtropfet der Schnee,</l><lb/> <l>Wie lächelnde Thränen, wie ſchwindendes Weh;</l><lb/> <l>Grasſpitzen, Schneeglöcklein im lieblichen Flor,</l><lb/> <l>Sie ſchauen wie grüßende Hoffnung hervor,</l><lb/> <l>Und lachende Sonne am Himmelszelt</l><lb/> <l>Strahlt golden hernieder zur wonnigen Welt.</l><lb/> <l>Im Hofe der Deurenburg eilt Groß und Klein</l><lb/> <l>Und dränget und ſchiebt ſich und lugt nach dem Rhein.</l><lb/> <l>Ihr ſchmucken Liebdirnlein — kommt, eilet vom Schloß,</l><lb/> <l>Viel ſehnige Arme regieren das Floß!</l><lb/> <l>Zum Mummenſchanz! heia! zur Ringeltanzweis!</l><lb/> <l>Erſchreckt Euch im Waſſer ein treibend Stück Eis?</l><lb/> <l>Da jauchzt es und lachet und ſtürmet zum Thor:</l><lb/> <l>„<hi rendition="#aq">Jû nârro! jû nârro!</hi>“ und fort eilt's im Chor.</l><lb/> <l>Derweil ſich dies Alles im Schloßhof begab,</l><lb/> <l>Verweilt in der Halle ein reiſiger Knab',</l><lb/> <l>Jung Walter, und vor ihm, ſo bleich wie der Tod,</l><lb/> <l>Schön Nella, die er zur Zwieſprach' entbot.</l><lb/> <l>Es flammet und zucket des Knappen Geſicht,</l><lb/> <l>Schwer wird's ihm zu reden, doch heiſcht es die Pflicht,</l><lb/> <l>Und alſo hebt endlich die Rede er an:</l><lb/> <l>„Jungfräulein, ich ſtieg hier zur Veſte hinan,</l><lb/> <l>Weil trauriger Auftrag mir's alſo befahl,</l><lb/> <l>Ich bringe Euch Kunde vom Werrathal!“</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [191/0205]
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Er ſchüttelt die Locken, da ſtäubt es wie Duft,
Wie Regengeglitzer, feuchtwarm durch die Luft;
Durch Felder und Wälder hineilet ſein Fuß,
Da krachen die Zweige, da donnert der Fluß,
Da berſtet ſein Panzer von weißem Kriſtall,
Da gurgelt und woget der toſende Schwall;
Von Dächern und Zinnen abtropfet der Schnee,
Wie lächelnde Thränen, wie ſchwindendes Weh;
Grasſpitzen, Schneeglöcklein im lieblichen Flor,
Sie ſchauen wie grüßende Hoffnung hervor,
Und lachende Sonne am Himmelszelt
Strahlt golden hernieder zur wonnigen Welt.
Im Hofe der Deurenburg eilt Groß und Klein
Und dränget und ſchiebt ſich und lugt nach dem Rhein.
Ihr ſchmucken Liebdirnlein — kommt, eilet vom Schloß,
Viel ſehnige Arme regieren das Floß!
Zum Mummenſchanz! heia! zur Ringeltanzweis!
Erſchreckt Euch im Waſſer ein treibend Stück Eis?
Da jauchzt es und lachet und ſtürmet zum Thor:
„Jû nârro! jû nârro!“ und fort eilt's im Chor.
Derweil ſich dies Alles im Schloßhof begab,
Verweilt in der Halle ein reiſiger Knab',
Jung Walter, und vor ihm, ſo bleich wie der Tod,
Schön Nella, die er zur Zwieſprach' entbot.
Es flammet und zucket des Knappen Geſicht,
Schwer wird's ihm zu reden, doch heiſcht es die Pflicht,
Und alſo hebt endlich die Rede er an:
„Jungfräulein, ich ſtieg hier zur Veſte hinan,
Weil trauriger Auftrag mir's alſo befahl,
Ich bringe Euch Kunde vom Werrathal!“
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Zitationshilfe: | Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/205>, abgerufen am 22.07.2024. |