Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite
O, mein Gott, welch' tiefer Jammer
Faßt mich bei dem Worte Scheiden!"
"Ach, so bleibet! -- sprecht, was treibt Euch?"
Flüstert Gudula mit Thränen,
Und sie drückt der Edeldame
Weiße Hand schnell an die Lippen,
"Brecht nicht mit solch' trüber Botschaft
Mir das Herz! Denn Euch verlieren,
Heißt mir bittern Schmerz bereiten,
Heißt mich einsamer denn je sein!
Hat Sophia nicht, die Fürstin,
Euch gebeten, als Hoffräulein
Immerdar bei ihr zu bleiben?
War't es jüngst auch ganz zufrieden,
Und nun plötzlich diese Wandlung?"
Finster blickte Nella: "Weißt Du
Nicht, wie wenig Stunden oftmals
Eine sonnenlichte Erde,
Eine Welt voll hoffend Blühen
In die tiefste Nacht versenken?
Eine Wolke deckt den Himmel,
Und die gold'ne, stolze Sonne
Sinkt hinab in freudlos Düster,
Aller Lust zum frühen Ende.
Also ist auch meine Sonne
Und mein Glück mir jäh versunken,
Nichts mir lassend, als die dunkle
Sehnsucht, balde ihm zu folgen,
Zu vergessen, -- zu versinken,
Ohne je zurück zu kehren!"
"Nach dem Rheine zieht Ihr, Fräulein?"
O, mein Gott, welch' tiefer Jammer
Faßt mich bei dem Worte Scheiden!“
„Ach, ſo bleibet! — ſprecht, was treibt Euch?“
Flüſtert Gudula mit Thränen,
Und ſie drückt der Edeldame
Weiße Hand ſchnell an die Lippen,
„Brecht nicht mit ſolch' trüber Botſchaft
Mir das Herz! Denn Euch verlieren,
Heißt mir bittern Schmerz bereiten,
Heißt mich einſamer denn je ſein!
Hat Sophia nicht, die Fürſtin,
Euch gebeten, als Hoffräulein
Immerdar bei ihr zu bleiben?
War't es jüngſt auch ganz zufrieden,
Und nun plötzlich dieſe Wandlung?“
Finſter blickte Nella: „Weißt Du
Nicht, wie wenig Stunden oftmals
Eine ſonnenlichte Erde,
Eine Welt voll hoffend Blühen
In die tiefſte Nacht verſenken?
Eine Wolke deckt den Himmel,
Und die gold'ne, ſtolze Sonne
Sinkt hinab in freudlos Düſter,
Aller Luſt zum frühen Ende.
Alſo iſt auch meine Sonne
Und mein Glück mir jäh verſunken,
Nichts mir laſſend, als die dunkle
Sehnſucht, balde ihm zu folgen,
Zu vergeſſen, — zu verſinken,
Ohne je zurück zu kehren!“
„Nach dem Rheine zieht Ihr, Fräulein?“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0155" n="141"/>
          <lg n="4">
            <l>O, mein Gott, welch' tiefer Jammer</l><lb/>
            <l>Faßt mich bei dem Worte Scheiden!&#x201C;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Ach, &#x017F;o bleibet! &#x2014; &#x017F;precht, was treibt Euch?&#x201C;</l><lb/>
            <l>Flü&#x017F;tert Gudula mit Thränen,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;ie drückt der Edeldame</l><lb/>
            <l>Weiße Hand &#x017F;chnell an die Lippen,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Brecht nicht mit &#x017F;olch' trüber Bot&#x017F;chaft</l><lb/>
            <l>Mir das Herz! Denn Euch verlieren,</l><lb/>
            <l>Heißt mir bittern Schmerz bereiten,</l><lb/>
            <l>Heißt mich ein&#x017F;amer denn je &#x017F;ein!</l><lb/>
            <l>Hat Sophia nicht, die Für&#x017F;tin,</l><lb/>
            <l>Euch gebeten, als Hoffräulein</l><lb/>
            <l>Immerdar bei ihr zu bleiben?</l><lb/>
            <l>War't es jüng&#x017F;t auch ganz zufrieden,</l><lb/>
            <l>Und nun plötzlich die&#x017F;e Wandlung?&#x201C;</l><lb/>
            <l>Fin&#x017F;ter blickte Nella: &#x201E;Weißt Du</l><lb/>
            <l>Nicht, wie wenig Stunden oftmals</l><lb/>
            <l>Eine &#x017F;onnenlichte Erde,</l><lb/>
            <l>Eine Welt voll hoffend Blühen</l><lb/>
            <l>In die tief&#x017F;te Nacht ver&#x017F;enken?</l><lb/>
            <l>Eine Wolke deckt den Himmel,</l><lb/>
            <l>Und die gold'ne, &#x017F;tolze Sonne</l><lb/>
            <l>Sinkt hinab in freudlos Dü&#x017F;ter,</l><lb/>
            <l>Aller Lu&#x017F;t zum frühen Ende.</l><lb/>
            <l>Al&#x017F;o i&#x017F;t auch meine Sonne</l><lb/>
            <l>Und mein Glück mir jäh ver&#x017F;unken,</l><lb/>
            <l>Nichts mir la&#x017F;&#x017F;end, als die dunkle</l><lb/>
            <l>Sehn&#x017F;ucht, balde ihm zu folgen,</l><lb/>
            <l>Zu verge&#x017F;&#x017F;en, &#x2014; zu ver&#x017F;inken,</l><lb/>
            <l>Ohne je zurück zu kehren!&#x201C;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Nach dem Rheine zieht Ihr, Fräulein?&#x201C;</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0155] O, mein Gott, welch' tiefer Jammer Faßt mich bei dem Worte Scheiden!“ „Ach, ſo bleibet! — ſprecht, was treibt Euch?“ Flüſtert Gudula mit Thränen, Und ſie drückt der Edeldame Weiße Hand ſchnell an die Lippen, „Brecht nicht mit ſolch' trüber Botſchaft Mir das Herz! Denn Euch verlieren, Heißt mir bittern Schmerz bereiten, Heißt mich einſamer denn je ſein! Hat Sophia nicht, die Fürſtin, Euch gebeten, als Hoffräulein Immerdar bei ihr zu bleiben? War't es jüngſt auch ganz zufrieden, Und nun plötzlich dieſe Wandlung?“ Finſter blickte Nella: „Weißt Du Nicht, wie wenig Stunden oftmals Eine ſonnenlichte Erde, Eine Welt voll hoffend Blühen In die tiefſte Nacht verſenken? Eine Wolke deckt den Himmel, Und die gold'ne, ſtolze Sonne Sinkt hinab in freudlos Düſter, Aller Luſt zum frühen Ende. Alſo iſt auch meine Sonne Und mein Glück mir jäh verſunken, Nichts mir laſſend, als die dunkle Sehnſucht, balde ihm zu folgen, Zu vergeſſen, — zu verſinken, Ohne je zurück zu kehren!“ „Nach dem Rheine zieht Ihr, Fräulein?“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/155
Zitationshilfe: Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/155>, abgerufen am 22.11.2024.