Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.Wo blieb er denn während der Tafel?
Die Flöten locken zum herrlichen Tanz, Da schreitet empor er die Stiegen, Noch liegt auf dem Helm ihm der rosige Kranz, Ganz wie er vom Rosse gestiegen, "In voller Rüstung tritt er herein, Mit geschloss'nem Visier will er führen den Reih'n?" So murmelt es schnell durch die Halle. Er aber geht stolz und stracks durch den Saal, Vor Sophia sich sittig zu neigen: "Vergönnet, o Fürstin, ein einziges Mal Zu führen gewappnet den Reigen. Ihr wißt ja, es führt allezeit an der Tatz' Die wehrhaften Krallen wohl jegliche Katz', Selbst wenn sie ihr Kätzelein streichelt!" Hei, schwirrten die Klänge! An seiner Hand Wie träumend ist Nella gegangen, Sein Auge hat still und unverwandt An ihrem Auge gehangen; Und als der Reigen beendet war, Da führt er sie weiter noch immerdar, Zum rebenumlaubten Altane. Wie ist's da so heimlich; das Blattgewind' weht Wie Schilfesgeflüster am Weiher, Am tiefblauen Himmel der Vollmond steht, Webt silberdurchleuchtete Schleier, Ein Nachtfalter flattert und wiegt sich und flieht, Es singet der Wind das urewige Lied Von fernem, von traumhaftem Glücke! Es bebet die Jungfrau. Noch hält ihre Hand Des Ritters Rechte gepresset, Wo blieb er denn während der Tafel?
Die Flöten locken zum herrlichen Tanz, Da ſchreitet empor er die Stiegen, Noch liegt auf dem Helm ihm der roſige Kranz, Ganz wie er vom Roſſe geſtiegen, „In voller Rüſtung tritt er herein, Mit geſchloſſ'nem Viſier will er führen den Reih'n?“ So murmelt es ſchnell durch die Halle. Er aber geht ſtolz und ſtracks durch den Saal, Vor Sophia ſich ſittig zu neigen: „Vergönnet, o Fürſtin, ein einziges Mal Zu führen gewappnet den Reigen. Ihr wißt ja, es führt allezeit an der Tatz' Die wehrhaften Krallen wohl jegliche Katz', Selbſt wenn ſie ihr Kätzelein ſtreichelt!“ Hei, ſchwirrten die Klänge! An ſeiner Hand Wie träumend iſt Nella gegangen, Sein Auge hat ſtill und unverwandt An ihrem Auge gehangen; Und als der Reigen beendet war, Da führt er ſie weiter noch immerdar, Zum rebenumlaubten Altane. Wie iſt's da ſo heimlich; das Blattgewind' weht Wie Schilfesgeflüſter am Weiher, Am tiefblauen Himmel der Vollmond ſteht, Webt ſilberdurchleuchtete Schleier, Ein Nachtfalter flattert und wiegt ſich und flieht, Es ſinget der Wind das urewige Lied Von fernem, von traumhaftem Glücke! Es bebet die Jungfrau. Noch hält ihre Hand Des Ritters Rechte gepreſſet, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0148" n="134"/> <lg n="7"> <l>Wo blieb er denn während der Tafel?</l><lb/> <l>Die Flöten locken zum herrlichen Tanz,</l><lb/> <l>Da ſchreitet empor er die Stiegen,</l><lb/> <l>Noch liegt auf dem Helm ihm der roſige Kranz,</l><lb/> <l>Ganz wie er vom Roſſe geſtiegen,</l><lb/> <l>„In voller Rüſtung tritt er herein,</l><lb/> <l>Mit geſchloſſ'nem Viſier will er führen den Reih'n?“</l><lb/> <l>So murmelt es ſchnell durch die Halle.</l><lb/> <l>Er aber geht ſtolz und ſtracks durch den Saal,</l><lb/> <l>Vor Sophia ſich ſittig zu neigen:</l><lb/> <l>„Vergönnet, o Fürſtin, ein einziges Mal</l><lb/> <l>Zu führen gewappnet den Reigen.</l><lb/> <l>Ihr wißt ja, es führt allezeit an der Tatz'</l><lb/> <l>Die wehrhaften Krallen wohl jegliche Katz',</l><lb/> <l>Selbſt wenn ſie ihr Kätzelein ſtreichelt!“</l><lb/> <l>Hei, ſchwirrten die Klänge! An ſeiner Hand</l><lb/> <l>Wie träumend iſt Nella gegangen,</l><lb/> <l>Sein Auge hat ſtill und unverwandt</l><lb/> <l>An ihrem Auge gehangen;</l><lb/> <l>Und als der Reigen beendet war,</l><lb/> <l>Da führt er ſie weiter noch immerdar,</l><lb/> <l>Zum rebenumlaubten Altane.</l><lb/> <l>Wie iſt's da ſo heimlich; das Blattgewind' weht</l><lb/> <l>Wie Schilfesgeflüſter am Weiher,</l><lb/> <l>Am tiefblauen Himmel der Vollmond ſteht,</l><lb/> <l>Webt ſilberdurchleuchtete Schleier,</l><lb/> <l>Ein Nachtfalter flattert und wiegt ſich und flieht,</l><lb/> <l>Es ſinget der Wind das urewige Lied</l><lb/> <l>Von fernem, von traumhaftem Glücke!</l><lb/> <l>Es bebet die Jungfrau. Noch hält ihre Hand</l><lb/> <l>Des Ritters Rechte gepreſſet,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [134/0148]
Wo blieb er denn während der Tafel?
Die Flöten locken zum herrlichen Tanz,
Da ſchreitet empor er die Stiegen,
Noch liegt auf dem Helm ihm der roſige Kranz,
Ganz wie er vom Roſſe geſtiegen,
„In voller Rüſtung tritt er herein,
Mit geſchloſſ'nem Viſier will er führen den Reih'n?“
So murmelt es ſchnell durch die Halle.
Er aber geht ſtolz und ſtracks durch den Saal,
Vor Sophia ſich ſittig zu neigen:
„Vergönnet, o Fürſtin, ein einziges Mal
Zu führen gewappnet den Reigen.
Ihr wißt ja, es führt allezeit an der Tatz'
Die wehrhaften Krallen wohl jegliche Katz',
Selbſt wenn ſie ihr Kätzelein ſtreichelt!“
Hei, ſchwirrten die Klänge! An ſeiner Hand
Wie träumend iſt Nella gegangen,
Sein Auge hat ſtill und unverwandt
An ihrem Auge gehangen;
Und als der Reigen beendet war,
Da führt er ſie weiter noch immerdar,
Zum rebenumlaubten Altane.
Wie iſt's da ſo heimlich; das Blattgewind' weht
Wie Schilfesgeflüſter am Weiher,
Am tiefblauen Himmel der Vollmond ſteht,
Webt ſilberdurchleuchtete Schleier,
Ein Nachtfalter flattert und wiegt ſich und flieht,
Es ſinget der Wind das urewige Lied
Von fernem, von traumhaftem Glücke!
Es bebet die Jungfrau. Noch hält ihre Hand
Des Ritters Rechte gepreſſet,
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Zitationshilfe: | Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/148>, abgerufen am 22.07.2024. |