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Ernst, Ferdinand: Bemerkungen auf einer Reise durch das Innere der vereinigten Staaten von Nord-Amerika im Jahre 1819. Hildesheim, 1820.

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Der Amerikaner grüßt nie mit Abnehmung des
Huthes, sondern durch einen traulichen Hände-
druck. Man tritt zu den vornehmsten Personen
mit bedecktem Haupte. Zum Essen und Trinken
wird wenig oder gar nicht genöthigt; Jeder be-
dient sich der vorhandenen Speisen und Getränke
nach Maaßgabe seines Appetits. Dennoch herrscht
in allen Gesellschaften die größte Ordnung und
Wohlanständigkeit, wobei den gegenwärtigen Da-
men eine hohe Achtung und Aufmerksamkeit be-
wiesen wird.

So wie in einem freien Staate der Unter-
schied der Stände nicht in Betracht kommt, so
war dieß auch hier der Fall zwischen dem Gou-
verneur und seinen Gästen.

Ich machte von hier einen Spaziergang zu
dem 11/2 Englische Meilen entfernten Mississippi.
Dieser gewaltige Strom, der alle Gewässer des
großen Innern von Nordamerika in seinem unge-
heuern Bette sammelt, war gegenwärtig sehr nie-
drig; dennoch flößten mir seine schnell dahin flie-
ßenden Wassermassen Erstaunen ein. Sein Was-
ser ist trübe, und die Schönheit des Stroms
wird durch die vielen in seinem Bette hie und
da hervorragenden Baumstämme sehr vermindert.

Der Amerikaner gruͤßt nie mit Abnehmung des
Huthes, ſondern durch einen traulichen Haͤnde-
druck. Man tritt zu den vornehmſten Perſonen
mit bedecktem Haupte. Zum Eſſen und Trinken
wird wenig oder gar nicht genoͤthigt; Jeder be-
dient ſich der vorhandenen Speiſen und Getraͤnke
nach Maaßgabe ſeines Appetits. Dennoch herrſcht
in allen Geſellſchaften die groͤßte Ordnung und
Wohlanſtaͤndigkeit, wobei den gegenwaͤrtigen Da-
men eine hohe Achtung und Aufmerkſamkeit be-
wieſen wird.

So wie in einem freien Staate der Unter-
ſchied der Staͤnde nicht in Betracht kommt, ſo
war dieß auch hier der Fall zwiſchen dem Gou-
verneur und ſeinen Gaͤſten.

Ich machte von hier einen Spaziergang zu
dem 1½ Engliſche Meilen entfernten Miſſiſſippi.
Dieſer gewaltige Strom, der alle Gewaͤſſer des
großen Innern von Nordamerika in ſeinem unge-
heuern Bette ſammelt, war gegenwaͤrtig ſehr nie-
drig; dennoch floͤßten mir ſeine ſchnell dahin flie-
ßenden Waſſermaſſen Erſtaunen ein. Sein Waſ-
ſer iſt truͤbe, und die Schoͤnheit des Stroms
wird durch die vielen in ſeinem Bette hie und
da hervorragenden Baumſtaͤmme ſehr vermindert.

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[61/0075] Der Amerikaner gruͤßt nie mit Abnehmung des Huthes, ſondern durch einen traulichen Haͤnde- druck. Man tritt zu den vornehmſten Perſonen mit bedecktem Haupte. Zum Eſſen und Trinken wird wenig oder gar nicht genoͤthigt; Jeder be- dient ſich der vorhandenen Speiſen und Getraͤnke nach Maaßgabe ſeines Appetits. Dennoch herrſcht in allen Geſellſchaften die groͤßte Ordnung und Wohlanſtaͤndigkeit, wobei den gegenwaͤrtigen Da- men eine hohe Achtung und Aufmerkſamkeit be- wieſen wird. So wie in einem freien Staate der Unter- ſchied der Staͤnde nicht in Betracht kommt, ſo war dieß auch hier der Fall zwiſchen dem Gou- verneur und ſeinen Gaͤſten. Ich machte von hier einen Spaziergang zu dem 1½ Engliſche Meilen entfernten Miſſiſſippi. Dieſer gewaltige Strom, der alle Gewaͤſſer des großen Innern von Nordamerika in ſeinem unge- heuern Bette ſammelt, war gegenwaͤrtig ſehr nie- drig; dennoch floͤßten mir ſeine ſchnell dahin flie- ßenden Waſſermaſſen Erſtaunen ein. Sein Waſ- ſer iſt truͤbe, und die Schoͤnheit des Stroms wird durch die vielen in ſeinem Bette hie und da hervorragenden Baumſtaͤmme ſehr vermindert.

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Zitationshilfe: Ernst, Ferdinand: Bemerkungen auf einer Reise durch das Innere der vereinigten Staaten von Nord-Amerika im Jahre 1819. Hildesheim, 1820, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ernst_nordamerika_1820/75>, abgerufen am 21.05.2024.