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Engel, Johann Jakob: Engel's Theorie der Dichtungsarten. In: J. J. Engels Schriften. Elfter Band: Poetik. Berlin, 1806.

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Da, wo der Mensch für sich allein erscheint, pen_368.002
kann er uns freilich, wie Crusoe, pen_368.003
bloß durch das Interesse der gemeinschaftlichen pen_368.004
Natur rühren: durch seine Noth, pen_368.005
seinen verlaßnen Zustand; wir dürsen keine pen_368.006
Vorzüge des Herzens an ihm erblicken, pen_368.007
um Theil an seinem Leiden zu nehmen, pen_368.008
und uns jeder sich darbietenden Erleichterung pen_368.009
desselben zu freuen. Aber, wo der pen_368.010
eine Mensch gegen den andern auftritt; pen_368.011
wo das Interesse der gemeinschaftlichen pen_368.012
Natur uns für Beide gleich, und also im pen_368.013
Grunde für Keinen erwärmen müßte: ist pen_368.014
es da gerade nür die größere Güte der pen_368.015
Sache, die größere moralische Vollkommenheit pen_368.016
der Charaktere, was uns mehr pen_368.017
auf diese als auf jene Partei zieht? - In pen_368.018
der Geschichte sind oft Gesinnungen und pen_368.019
Unternehmungen zweier Parteien gleich tadelnswürdig, pen_368.020
gleich ungerecht; und doch

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  Da, wo der Mensch für sich allein erscheint, pen_368.002
kann er uns freilich, wie Crusoe, pen_368.003
bloß durch das Interesse der gemeinschaftlichen pen_368.004
Natur rühren: durch seine Noth, pen_368.005
seinen verlaßnen Zustand; wir dürſen keine pen_368.006
Vorzüge des Herzens an ihm erblicken, pen_368.007
um Theil an seinem Leiden zu nehmen, pen_368.008
und uns jeder sich darbietenden Erleichterung pen_368.009
desselben zu freuen. Aber, wo der pen_368.010
eine Mensch gegen den andern auftritt; pen_368.011
wo das Interesse der gemeinschaftlichen pen_368.012
Natur uns für Beide gleich, und also im pen_368.013
Grunde für Keinen erwärmen müßte: ist pen_368.014
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der Charaktere, was uns mehr pen_368.017
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[368/0411] pen_368.001   Da, wo der Mensch für sich allein erscheint, pen_368.002 kann er uns freilich, wie Crusoe, pen_368.003 bloß durch das Interesse der gemeinschaftlichen pen_368.004 Natur rühren: durch seine Noth, pen_368.005 seinen verlaßnen Zustand; wir dürſen keine pen_368.006 Vorzüge des Herzens an ihm erblicken, pen_368.007 um Theil an seinem Leiden zu nehmen, pen_368.008 und uns jeder sich darbietenden Erleichterung pen_368.009 desselben zu freuen. Aber, wo der pen_368.010 eine Mensch gegen den andern auftritt; pen_368.011 wo das Interesse der gemeinschaftlichen pen_368.012 Natur uns für Beide gleich, und also im pen_368.013 Grunde für Keinen erwärmen müßte: ist pen_368.014 es da gerade nür die größere Güte der pen_368.015 Sache, die größere moralische Vollkommenheit pen_368.016 der Charaktere, was uns mehr pen_368.017 auf diese als auf jene Partei zieht? – In pen_368.018 der Geschichte sind oft Gesinnungen und pen_368.019 Unternehmungen zweier Parteien gleich tadelnswürdig, pen_368.020 gleich ungerecht; und doch

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Zitationshilfe: Engel, Johann Jakob: Engel's Theorie der Dichtungsarten. In: J. J. Engels Schriften. Elfter Band: Poetik. Berlin, 1806, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/engel_poetik_1806/411>, abgerufen am 17.05.2024.