Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719.

Bild:
<< vorherige Seite

hinab/ besahe den Menschen dessen Haupt gantz
eingequetscht war und hatte grosses Mitleiden;
Eckarth fragte/ was ist dieser Mensch seiner
Provession nach gewesen/ und wie muß er zu den
Unglück kommen seyn? Ein Burger sprach:
Gnädiger Herr! Dieser Mensch ist ein Kunst-
pfeiffer-Gesell/ er hat wollen Dolen ausneh-
men/ setzet eine Leiter auff das am Thurn her-
umb gemachte Geländer/ steiget darauff zu den
Neste/ die Leiter gleitet ab/ und er stürtzet von o-
ben auf den Felsen herab. Es stund unter an-
dern Zuschauern ein Chiromantist, der besahe
ihn beyde Hände inwendig/ sagende: Dieser
Mensch ist zu einem solchen Tod versehen gewe-
sen/ einige lachten/ und sprachen/ hätte er das
Vogel-räumen unterwegen gelassen/ so wäre er
nicht zu den Unfall kommen. Die Frau Stadt-
Schreibern erzehlte/ daß ihre rothe Kuh vorge-
stern diesen Menschen als er ihrem Hause vor-
bey gehen wollen, in Ausgehen auff ihn zuge-
lauffen und gestossen, daß er gefallen. Gestern
wäre sie ihm von weiten nachgelauffen, daß er
sich hätte retiriren müssen. Eckarth versetzte,
das ist ein wunderlich Fatum, daß die Kuh auf
den Menschen allein gegangen, und andere ge-
hen lassen. Die Stadt-Schreiberin sprach,
sie thut sonsten Niemanden einig Leid. Unse-
re Compagnie sagte: GOTT habe ihn seelig/

und

hinab/ beſahe den Menſchen deſſen Haupt gantz
eingequetſcht war und hatte groſſes Mitleiden;
Eckarth fragte/ was iſt dieſer Menſch ſeiner
Provesſion nach geweſen/ und wie muß er zu den
Ungluͤck kommen ſeyn? Ein Burger ſprach:
Gnaͤdiger Herr! Dieſer Menſch iſt ein Kunſt-
pfeiffer-Geſell/ er hat wollen Dolen ausneh-
men/ ſetzet eine Leiter auff das am Thurn her-
umb gemachte Gelaͤnder/ ſteiget darauff zu den
Neſte/ die Leiter gleitet ab/ und er ſtuͤrtzet von o-
ben auf den Felſen herab. Es ſtund unter an-
dern Zuſchauern ein Chiromantiſt, der beſahe
ihn beyde Haͤnde inwendig/ ſagende: Dieſer
Menſch iſt zu einem ſolchen Tod verſehen gewe-
ſen/ einige lachten/ und ſprachen/ haͤtte er das
Vogel-raͤumen unterwegen gelaſſen/ ſo waͤre er
nicht zu den Unfall kommen. Die Frau Stadt-
Schreibern erzehlte/ daß ihre rothe Kuh vorge-
ſtern dieſen Menſchen als er ihrem Hauſe vor-
bey gehen wollen, in Ausgehen auff ihn zuge-
lauffen und geſtoſſen, daß er gefallen. Geſtern
waͤre ſie ihm von weiten nachgelauffen, daß er
ſich haͤtte retiriren muͤſſen. Eckarth verſetzte,
das iſt ein wunderlich Fatum, daß die Kuh auf
den Menſchen allein gegangen, und andere ge-
hen laſſen. Die Stadt-Schreiberin ſprach,
ſie thut ſonſten Niemanden einig Leid. Unſe-
re Compagnie ſagte: GOTT habe ihn ſeelig/

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0943" n="927"/>
hinab/ be&#x017F;ahe den Men&#x017F;chen de&#x017F;&#x017F;en Haupt gantz<lb/>
eingequet&#x017F;cht war und hatte gro&#x017F;&#x017F;es Mitleiden;<lb/>
Eckarth fragte/ was i&#x017F;t die&#x017F;er Men&#x017F;ch &#x017F;einer<lb/><hi rendition="#aq">Proves&#x017F;ion</hi> nach gewe&#x017F;en/ und wie muß er zu den<lb/>
Unglu&#x0364;ck kommen &#x017F;eyn? Ein Burger &#x017F;prach:<lb/>
Gna&#x0364;diger Herr! Die&#x017F;er Men&#x017F;ch i&#x017F;t ein Kun&#x017F;t-<lb/>
pfeiffer-Ge&#x017F;ell/ er hat wollen Dolen ausneh-<lb/>
men/ &#x017F;etzet eine Leiter auff das am Thurn her-<lb/>
umb gemachte Gela&#x0364;nder/ &#x017F;teiget darauff zu den<lb/>
Ne&#x017F;te/ die Leiter gleitet ab/ und er &#x017F;tu&#x0364;rtzet von o-<lb/>
ben auf den Fel&#x017F;en herab. Es &#x017F;tund unter an-<lb/>
dern Zu&#x017F;chauern ein <hi rendition="#aq">Chiromanti&#x017F;t,</hi> der be&#x017F;ahe<lb/>
ihn beyde Ha&#x0364;nde inwendig/ &#x017F;agende: Die&#x017F;er<lb/>
Men&#x017F;ch i&#x017F;t zu einem &#x017F;olchen Tod ver&#x017F;ehen gewe-<lb/>
&#x017F;en/ einige lachten/ und &#x017F;prachen/ ha&#x0364;tte er das<lb/>
Vogel-ra&#x0364;umen unterwegen gela&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;o wa&#x0364;re er<lb/>
nicht zu den Unfall kommen. Die Frau Stadt-<lb/>
Schreibern erzehlte/ daß ihre rothe Kuh vorge-<lb/>
&#x017F;tern die&#x017F;en Men&#x017F;chen als er ihrem Hau&#x017F;e vor-<lb/>
bey gehen wollen, in Ausgehen auff ihn zuge-<lb/>
lauffen und ge&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en, daß er gefallen. Ge&#x017F;tern<lb/>
wa&#x0364;re &#x017F;ie ihm von weiten nachgelauffen, daß er<lb/>
&#x017F;ich ha&#x0364;tte <hi rendition="#aq">retirir</hi>en mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Eckarth ver&#x017F;etzte,<lb/>
das i&#x017F;t ein wunderlich <hi rendition="#aq">Fatum,</hi> daß die Kuh auf<lb/>
den Men&#x017F;chen allein gegangen, und andere ge-<lb/>
hen la&#x017F;&#x017F;en. Die Stadt-Schreiberin &#x017F;prach,<lb/>
&#x017F;ie thut &#x017F;on&#x017F;ten Niemanden einig Leid. Un&#x017F;e-<lb/>
re <hi rendition="#aq">Compagni</hi>e &#x017F;agte: GOTT habe ihn &#x017F;eelig/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[927/0943] hinab/ beſahe den Menſchen deſſen Haupt gantz eingequetſcht war und hatte groſſes Mitleiden; Eckarth fragte/ was iſt dieſer Menſch ſeiner Provesſion nach geweſen/ und wie muß er zu den Ungluͤck kommen ſeyn? Ein Burger ſprach: Gnaͤdiger Herr! Dieſer Menſch iſt ein Kunſt- pfeiffer-Geſell/ er hat wollen Dolen ausneh- men/ ſetzet eine Leiter auff das am Thurn her- umb gemachte Gelaͤnder/ ſteiget darauff zu den Neſte/ die Leiter gleitet ab/ und er ſtuͤrtzet von o- ben auf den Felſen herab. Es ſtund unter an- dern Zuſchauern ein Chiromantiſt, der beſahe ihn beyde Haͤnde inwendig/ ſagende: Dieſer Menſch iſt zu einem ſolchen Tod verſehen gewe- ſen/ einige lachten/ und ſprachen/ haͤtte er das Vogel-raͤumen unterwegen gelaſſen/ ſo waͤre er nicht zu den Unfall kommen. Die Frau Stadt- Schreibern erzehlte/ daß ihre rothe Kuh vorge- ſtern dieſen Menſchen als er ihrem Hauſe vor- bey gehen wollen, in Ausgehen auff ihn zuge- lauffen und geſtoſſen, daß er gefallen. Geſtern waͤre ſie ihm von weiten nachgelauffen, daß er ſich haͤtte retiriren muͤſſen. Eckarth verſetzte, das iſt ein wunderlich Fatum, daß die Kuh auf den Menſchen allein gegangen, und andere ge- hen laſſen. Die Stadt-Schreiberin ſprach, ſie thut ſonſten Niemanden einig Leid. Unſe- re Compagnie ſagte: GOTT habe ihn ſeelig/ und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Das frühste nachzuweisende Werk: "Des getreuen Ec… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/943
Zitationshilfe: Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719, S. 927. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/943>, abgerufen am 22.11.2024.