Mutter verziehet noch ein wenig, gab ihr ein Glaß voll Wein zu trincken: nachdem sie Be- scheid gethan hatte, fragte sie Eckarth wie sie hin- ter solche Wissenschafft kommen wäre? Das Weib antwortete: sie wäre sonsten vom Dorffe gebürthig, ihr Vater der hätte ein Buch gehabt, welches sie geerbet hätte, seiner Zeit aber hätte sie ihr seeliger Vater bey Vorstellung unter- schiedener Personen, wie auch derjenigen die sich Raths bey ihm erholten, bey Zeigung der Ge- sichts-und Hand-Liniamenten an selbigen, und nachdem aus dem Buche der vorgewiesenen gleich-bezeichneten Liniamenten, unterrichtet, hernach sie denen Leuthen in Praesens des Vaters ihr Schicksal sagen müssen, da er denn ihre Feh- ler ihr vorgewiesen, und sodann nach und nach verbessert, biß sie endlich vollkommener worden. Eckarth fragte sie: Ob sie das Buch in ihren Quartier hätte? Nein! replicirte sie: Weil ich es nicht mehr bedarff so bleibt es im Dorffe in mei- nem Hause liegen; wisset ihr denn nicht wie der heist der es gemacht hat? fragte Eckarth weiter, das Weib antwortete: darumb habe ich mich nicht bekümmert. Sie liessen darauff die Pla- neten-Leserin gehen. Wie sie weg war, sprach Eckarth, ich muß gestehen, daß alle meine vorhergegangene Fata und Geschicks. sie mir auf ein Haar her erzehlet hat, und gleiches ge-
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Mutter verziehet noch ein wenig, gab ihr ein Glaß voll Wein zu trincken: nachdem ſie Be- ſcheid gethan hatte, fragte ſie Eckarth wie ſie hin- ter ſolche Wiſſenſchafft kommen waͤre? Das Weib antwortete: ſie waͤre ſonſten vom Dorffe gebuͤrthig, ihr Vater der haͤtte ein Buch gehabt, welches ſie geerbet haͤtte, ſeiner Zeit aber haͤtte ſie ihr ſeeliger Vater bey Vorſtellung unter- ſchiedener Perſonen, wie auch derjenigen die ſich Raths bey ihm erholten, bey Zeigung der Ge- ſichts-und Hand-Liniamenten an ſelbigen, und nachdem aus dem Buche der vorgewieſenen gleich-bezeichneten Liniamenten, unterrichtet, hernach ſie denẽ Leuthen in Præſens des Vaters ihr Schickſal ſagen muͤſſen, da er denn ihre Feh- ler ihr vorgewieſen, und ſodann nach und nach verbeſſert, biß ſie endlich vollkommener worden. Eckarth fragte ſie: Ob ſie das Buch in ihren Quartier haͤtte? Nein! replicirte ſie: Weil ich es nicht mehr bedarff ſo bleibt es im Dorffe in mei- nem Hauſe liegen; wiſſet ihr denn nicht wie der heiſt der es gemacht hat? fragte Eckarth weiter, das Weib antwortete: darumb habe ich mich nicht bekuͤmmert. Sie lieſſen darauff die Pla- neten-Leſerin gehen. Wie ſie weg war, ſprach Eckarth, ich muß geſtehen, daß alle meine vorhergegangene Fata und Geſchickſ. ſie mir auf ein Haar her erzehlet hat, und gleiches ge-
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Mutter verziehet noch ein wenig, gab ihr ein
Glaß voll Wein zu trincken: nachdem ſie Be-
ſcheid gethan hatte, fragte ſie Eckarth wie ſie hin-
ter ſolche Wiſſenſchafft kommen waͤre? Das
Weib antwortete: ſie waͤre ſonſten vom Dorffe
gebuͤrthig, ihr Vater der haͤtte ein Buch gehabt,
welches ſie geerbet haͤtte, ſeiner Zeit aber haͤtte
ſie ihr ſeeliger Vater bey Vorſtellung unter-
ſchiedener Perſonen, wie auch derjenigen die ſich
Raths bey ihm erholten, bey Zeigung der Ge-
ſichts-und Hand-Liniamenten an ſelbigen, und
nachdem aus dem Buche der vorgewieſenen
gleich-bezeichneten Liniamenten, unterrichtet,
hernach ſie denẽ Leuthen in Præſens des Vaters
ihr Schickſal ſagen muͤſſen, da er denn ihre Feh-
ler ihr vorgewieſen, und ſodann nach und nach
verbeſſert, biß ſie endlich vollkommener worden.
Eckarth fragte ſie: Ob ſie das Buch in ihren
Quartier haͤtte? Nein! replicirte ſie: Weil ich es
nicht mehr bedarff ſo bleibt es im Dorffe in mei-
nem Hauſe liegen; wiſſet ihr denn nicht wie der
heiſt der es gemacht hat? fragte Eckarth weiter,
das Weib antwortete: darumb habe ich mich
nicht bekuͤmmert. Sie lieſſen darauff die Pla-
neten-Leſerin gehen. Wie ſie weg war, ſprach
Eckarth, ich muß geſtehen, daß alle meine
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Das frühste nachzuweisende Werk: "Des getreuen Ec… [mehr]
Das frühste nachzuweisende Werk: "Des getreuen Eckharts Medicinischen Maul-Affens" von Johann Christoph Ettner von Eiteritz wurde 1694 veröffentlicht. Die verwendete Ausgabe von 1719 stellt eine überarbeitete Ausgabe der ersten Ausgabe dar. Da die Ausgabe von 1694 im Projektzeitraum nicht zur Verfügung stand, musste die Ausgabe von 1719 verwendet werden.
Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719, S. 771. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/787>, abgerufen am 22.11.2024.
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