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Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719.

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Mutter verziehet noch ein wenig, gab ihr ein
Glaß voll Wein zu trincken: nachdem sie Be-
scheid gethan hatte, fragte sie Eckarth wie sie hin-
ter solche Wissenschafft kommen wäre? Das
Weib antwortete: sie wäre sonsten vom Dorffe
gebürthig, ihr Vater der hätte ein Buch gehabt,
welches sie geerbet hätte, seiner Zeit aber hätte
sie ihr seeliger Vater bey Vorstellung unter-
schiedener Personen, wie auch derjenigen die sich
Raths bey ihm erholten, bey Zeigung der Ge-
sichts-und Hand-Liniamenten an selbigen, und
nachdem aus dem Buche der vorgewiesenen
gleich-bezeichneten Liniamenten, unterrichtet,
hernach sie denen Leuthen in Praesens des Vaters
ihr Schicksal sagen müssen, da er denn ihre Feh-
ler ihr vorgewiesen, und sodann nach und nach
verbessert, biß sie endlich vollkommener worden.
Eckarth fragte sie: Ob sie das Buch in ihren
Quartier hätte? Nein! replicirte sie: Weil ich es
nicht mehr bedarff so bleibt es im Dorffe in mei-
nem Hause liegen; wisset ihr denn nicht wie der
heist der es gemacht hat? fragte Eckarth weiter,
das Weib antwortete: darumb habe ich mich
nicht bekümmert. Sie liessen darauff die Pla-
neten-Leserin gehen. Wie sie weg war, sprach
Eckarth, ich muß gestehen, daß alle meine
vorhergegangene Fata und Geschicks. sie mir
auf ein Haar her erzehlet hat, und gleiches ge-

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Mutter verziehet noch ein wenig, gab ihr ein
Glaß voll Wein zu trincken: nachdem ſie Be-
ſcheid gethan hatte, fragte ſie Eckarth wie ſie hin-
ter ſolche Wiſſenſchafft kommen waͤre? Das
Weib antwortete: ſie waͤre ſonſten vom Dorffe
gebuͤrthig, ihr Vater der haͤtte ein Buch gehabt,
welches ſie geerbet haͤtte, ſeiner Zeit aber haͤtte
ſie ihr ſeeliger Vater bey Vorſtellung unter-
ſchiedener Perſonen, wie auch derjenigen die ſich
Raths bey ihm erholten, bey Zeigung der Ge-
ſichts-und Hand-Liniamenten an ſelbigen, und
nachdem aus dem Buche der vorgewieſenen
gleich-bezeichneten Liniamenten, unterrichtet,
hernach ſie denẽ Leuthen in Præſens des Vaters
ihr Schickſal ſagen muͤſſen, da er denn ihre Feh-
ler ihr vorgewieſen, und ſodann nach und nach
verbeſſert, biß ſie endlich vollkommener worden.
Eckarth fragte ſie: Ob ſie das Buch in ihren
Quartier haͤtte? Nein! replicirte ſie: Weil ich es
nicht mehr bedarff ſo bleibt es im Dorffe in mei-
nem Hauſe liegen; wiſſet ihr denn nicht wie der
heiſt der es gemacht hat? fragte Eckarth weiter,
das Weib antwortete: darumb habe ich mich
nicht bekuͤmmert. Sie lieſſen darauff die Pla-
neten-Leſerin gehen. Wie ſie weg war, ſprach
Eckarth, ich muß geſtehen, daß alle meine
vorhergegangene Fata und Geſchickſ. ſie mir
auf ein Haar her erzehlet hat, und gleiches ge-

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[771/0787] Mutter verziehet noch ein wenig, gab ihr ein Glaß voll Wein zu trincken: nachdem ſie Be- ſcheid gethan hatte, fragte ſie Eckarth wie ſie hin- ter ſolche Wiſſenſchafft kommen waͤre? Das Weib antwortete: ſie waͤre ſonſten vom Dorffe gebuͤrthig, ihr Vater der haͤtte ein Buch gehabt, welches ſie geerbet haͤtte, ſeiner Zeit aber haͤtte ſie ihr ſeeliger Vater bey Vorſtellung unter- ſchiedener Perſonen, wie auch derjenigen die ſich Raths bey ihm erholten, bey Zeigung der Ge- ſichts-und Hand-Liniamenten an ſelbigen, und nachdem aus dem Buche der vorgewieſenen gleich-bezeichneten Liniamenten, unterrichtet, hernach ſie denẽ Leuthen in Præſens des Vaters ihr Schickſal ſagen muͤſſen, da er denn ihre Feh- ler ihr vorgewieſen, und ſodann nach und nach verbeſſert, biß ſie endlich vollkommener worden. Eckarth fragte ſie: Ob ſie das Buch in ihren Quartier haͤtte? Nein! replicirte ſie: Weil ich es nicht mehr bedarff ſo bleibt es im Dorffe in mei- nem Hauſe liegen; wiſſet ihr denn nicht wie der heiſt der es gemacht hat? fragte Eckarth weiter, das Weib antwortete: darumb habe ich mich nicht bekuͤmmert. Sie lieſſen darauff die Pla- neten-Leſerin gehen. Wie ſie weg war, ſprach Eckarth, ich muß geſtehen, daß alle meine vorhergegangene Fata und Geſchickſ. ſie mir auf ein Haar her erzehlet hat, und gleiches ge- ſtun- C c c 2

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Zitationshilfe: Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719, S. 771. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/787>, abgerufen am 15.06.2024.