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Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719.

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sich erkühnet denen Leuthen aus der Hand ihr
Wohl-oder Wehstand zu propheceyen daß ge-
stalten Sachen nach, dieses Studium vor eine
falsche eitele und Lügen-volle Wissenschafft ge-
halten wird: Siegfried sagte: Mein Profes-
sor
hielte davor, die Lineamenten in den Hän-
den würden in Mutterleibe von den Kindern
wann sie krumm und sitz ende, die mit denen Fin-
gern zugedruckte oder geballte Fäustlein in die
Augenwinckel legen, gleichsam als Falten in ei-
nen zusammen gelegten Tuche oder Pappier
formiret. Allein dieweil ich ohne vorgehabtes
Untersuchen Niemanden Beyfall gebe, so bin
ich diesen Vorgeben nicht beyfällig worden, zu-
mahln die Unterschiedenheit so wohl der zusam-
men gepreßten Züge, als andern Neben-Linia-
ment
en die aus gemeldeter Ursache der Com-
pression
nicht herkommen können; Daß aber
in ausgesetzter Vaticination eine Gewißheit er-
folgen solte, lasse ich mich nicht bereden; Einer
hat immer in seinen Lernen, dem Meister nach-
gefolget, und durch Zusatz der Sache einen
Schein gegeben, da denn der von ohngefehr ge-
schehener Effect des Vaticinii, der Kunst eine
Hochachtung gemacht. Eckarth sprach: Mein
Herr Sohn, man kan die Chiromantie so we-
nig als die Physiognomie und Nativität-Stel-
lung, gantz und gar verwerffen. M. Praetorius

in

ſich erkuͤhnet denen Leuthen aus der Hand ihr
Wohl-oder Wehſtand zu propheceyen daß ge-
ſtalten Sachen nach, dieſes Studium vor eine
falſche eitele und Luͤgen-volle Wiſſenſchafft ge-
halten wird: Siegfried ſagte: Mein Profeſ-
ſor
hielte davor, die Lineamenten in den Haͤn-
den wuͤrden in Mutterleibe von den Kindern
wann ſie krumm und ſitz ende, die mit denen Fin-
gern zugedruckte oder geballte Faͤuſtlein in die
Augenwinckel legen, gleichſam als Falten in ei-
nen zuſammen gelegten Tuche oder Pappier
formiret. Allein dieweil ich ohne vorgehabtes
Unterſuchen Niemanden Beyfall gebe, ſo bin
ich dieſen Vorgeben nicht beyfaͤllig worden, zu-
mahln die Unterſchiedenheit ſo wohl der zuſam-
men gepreßten Zuͤge, als andern Neben-Linia-
ment
en die aus gemeldeter Urſache der Com-
preſſion
nicht herkommen koͤnnen; Daß aber
in ausgeſetzter Vaticination eine Gewißheit er-
folgen ſolte, laſſe ich mich nicht bereden; Einer
hat immer in ſeinen Lernen, dem Meiſter nach-
gefolget, und durch Zuſatz der Sache einen
Schein gegeben, da denn der von ohngefehr ge-
ſchehener Effect des Vaticinii, der Kunſt eine
Hochachtung gemacht. Eckarth ſprach: Mein
Herr Sohn, man kan die Chiromantie ſo we-
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lung, gantz und gar verwerffen. M. Prætorius

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[768/0784] ſich erkuͤhnet denen Leuthen aus der Hand ihr Wohl-oder Wehſtand zu propheceyen daß ge- ſtalten Sachen nach, dieſes Studium vor eine falſche eitele und Luͤgen-volle Wiſſenſchafft ge- halten wird: Siegfried ſagte: Mein Profeſ- ſor hielte davor, die Lineamenten in den Haͤn- den wuͤrden in Mutterleibe von den Kindern wann ſie krumm und ſitz ende, die mit denen Fin- gern zugedruckte oder geballte Faͤuſtlein in die Augenwinckel legen, gleichſam als Falten in ei- nen zuſammen gelegten Tuche oder Pappier formiret. Allein dieweil ich ohne vorgehabtes Unterſuchen Niemanden Beyfall gebe, ſo bin ich dieſen Vorgeben nicht beyfaͤllig worden, zu- mahln die Unterſchiedenheit ſo wohl der zuſam- men gepreßten Zuͤge, als andern Neben-Linia- menten die aus gemeldeter Urſache der Com- preſſion nicht herkommen koͤnnen; Daß aber in ausgeſetzter Vaticination eine Gewißheit er- folgen ſolte, laſſe ich mich nicht bereden; Einer hat immer in ſeinen Lernen, dem Meiſter nach- gefolget, und durch Zuſatz der Sache einen Schein gegeben, da denn der von ohngefehr ge- ſchehener Effect des Vaticinii, der Kunſt eine Hochachtung gemacht. Eckarth ſprach: Mein Herr Sohn, man kan die Chiromantie ſo we- nig als die Phyſiognomie und Nativität-Stel- lung, gantz und gar verwerffen. M. Prætorius in

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Zitationshilfe: Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719, S. 768. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/784>, abgerufen am 01.06.2024.