Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719.

Bild:
<< vorherige Seite

Den andern Tag kamen unsere Reisende
nach Nilza, und kehrten daselbst zum gol-
denen Ancker ein, der Wirth des hauses war
ein Raths-Herr des Orths, von guten Quali-
tät
en, über der Tafel gedachte Eckarth derer
Strassen-Räuber, welche von Sachsendorff
abgeholet worden. Ja sagte der Wirth Nah-
mens Ignatius Vierling, wir erwarten sie noch
heute, umb so dann sie Morgen mit denen be-
reits Sitzenden zu examiniren. Eckarth
sprach, mein Herr Ignatius, wann derselbe mir
einen unbeglückten gelehrten Menschen zu ge-
fallen, die grosse Gunst erzeigen, und im Exa-
mine
zugleich Groß-günstig anthen wolle, wie
daß selbigen vor 14. Tagen diese Strassen-Räu-
ber auf der Strasse beraubet, ihm die Schuhe
ausgezogen, dieselbe zerschnitten, und 100. Du-
cat
en in Golde daraus genommen hätten, wür-
de derselbe mich ungemein verpflichtet machen.
Welches er gantz willig zu thun Eckarthen ver-
sprach. Nachdem sie nun allerhand Discour-
se geführet hatten, fragte Eckarth: Mein Herr
Ignatius, wo ist denn die Frau Liebste? Ach ant-
wortete er. Meine Liebste, die mir mit ihrer
Kranckheit, von welcher sie Niemand noch zur
Zeit befreyen können, das Hertze im Leibe ab-
naget, ist nach gehabten 6. Wochen in einen so
elenden Zustand verfallen, daß es ein Stein in

der

Den andern Tag kamen unſere Reiſende
nach Nilza, und kehrten daſelbſt zum gol-
denen Ancker ein, der Wirth des hauſes war
ein Raths-Herr des Orths, von guten Quali-
tät
en, uͤber der Tafel gedachte Eckarth derer
Straſſen-Raͤuber, welche von Sachſendorff
abgeholet worden. Ja ſagte der Wirth Nah-
mens Ignatius Vierling, wir erwarten ſie noch
heute, umb ſo dann ſie Morgen mit denen be-
reits Sitzenden zu examiniren. Eckarth
ſprach, mein Herr Ignatius, wann derſelbe mir
einen unbegluͤckten gelehrten Menſchen zu ge-
fallen, die groſſe Gunſt erzeigen, und im Exa-
mine
zugleich Groß-guͤnſtig anthen wolle, wie
daß ſelbigen vor 14. Tagen dieſe Straſſen-Raͤu-
ber auf der Straſſe beraubet, ihm die Schuhe
ausgezogen, dieſelbe zerſchnitten, und 100. Du-
cat
en in Golde daraus genommen haͤtten, wuͤr-
de derſelbe mich ungemein verpflichtet machen.
Welches er gantz willig zu thun Eckarthen ver-
ſprach. Nachdem ſie nun allerhand Diſcour-
ſe gefuͤhret hatten, fragte Eckarth: Mein Herr
Ignatius, wo iſt denn die Frau Liebſte? Ach ant-
wortete er. Meine Liebſte, die mir mit ihrer
Kranckheit, von welcher ſie Niemand noch zur
Zeit befreyen koͤnnen, das Hertze im Leibe ab-
naget, iſt nach gehabten 6. Wochen in einen ſo
elenden Zuſtand verfallen, daß es ein Stein in

der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0758" n="742"/>
        <p>Den andern Tag kamen un&#x017F;ere Rei&#x017F;ende<lb/>
nach <hi rendition="#aq">Nilza,</hi> und kehrten da&#x017F;elb&#x017F;t zum gol-<lb/>
denen Ancker ein, der Wirth des hau&#x017F;es war<lb/>
ein Raths-Herr des Orths, von guten <hi rendition="#aq">Quali-<lb/>
tät</hi>en, u&#x0364;ber der Tafel gedachte Eckarth derer<lb/>
Stra&#x017F;&#x017F;en-Ra&#x0364;uber, welche von Sach&#x017F;endorff<lb/>
abgeholet worden. Ja &#x017F;agte der Wirth Nah-<lb/>
mens <hi rendition="#aq">Ignatius</hi> Vierling, wir erwarten &#x017F;ie noch<lb/>
heute, umb &#x017F;o dann &#x017F;ie Morgen mit denen be-<lb/>
reits Sitzenden zu <hi rendition="#aq">examinir</hi>en. Eckarth<lb/>
&#x017F;prach, mein Herr <hi rendition="#aq">Ignatius,</hi> wann der&#x017F;elbe mir<lb/>
einen unbeglu&#x0364;ckten gelehrten Men&#x017F;chen zu ge-<lb/>
fallen, die gro&#x017F;&#x017F;e Gun&#x017F;t erzeigen, und im <hi rendition="#aq">Exa-<lb/>
mine</hi> zugleich Groß-gu&#x0364;n&#x017F;tig anthen wolle, wie<lb/>
daß &#x017F;elbigen vor 14. Tagen die&#x017F;e Stra&#x017F;&#x017F;en-Ra&#x0364;u-<lb/>
ber auf der Stra&#x017F;&#x017F;e beraubet, ihm die Schuhe<lb/>
ausgezogen, die&#x017F;elbe zer&#x017F;chnitten, und 100. <hi rendition="#aq">Du-<lb/>
cat</hi>en in Golde daraus genommen ha&#x0364;tten, wu&#x0364;r-<lb/>
de der&#x017F;elbe mich ungemein verpflichtet machen.<lb/>
Welches er gantz willig zu thun Eckarthen ver-<lb/>
&#x017F;prach. Nachdem &#x017F;ie nun allerhand <hi rendition="#aq">Di&#x017F;cour-</hi><lb/>
&#x017F;e gefu&#x0364;hret hatten, fragte Eckarth: Mein Herr<lb/><hi rendition="#aq">Ignatius,</hi> wo i&#x017F;t denn die Frau Lieb&#x017F;te? Ach ant-<lb/>
wortete er. Meine Lieb&#x017F;te, die mir mit ihrer<lb/>
Kranckheit, von welcher &#x017F;ie Niemand noch zur<lb/>
Zeit befreyen ko&#x0364;nnen, das Hertze im Leibe ab-<lb/>
naget, i&#x017F;t nach gehabten 6. Wochen in einen &#x017F;o<lb/>
elenden Zu&#x017F;tand verfallen, daß es ein Stein in<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[742/0758] Den andern Tag kamen unſere Reiſende nach Nilza, und kehrten daſelbſt zum gol- denen Ancker ein, der Wirth des hauſes war ein Raths-Herr des Orths, von guten Quali- täten, uͤber der Tafel gedachte Eckarth derer Straſſen-Raͤuber, welche von Sachſendorff abgeholet worden. Ja ſagte der Wirth Nah- mens Ignatius Vierling, wir erwarten ſie noch heute, umb ſo dann ſie Morgen mit denen be- reits Sitzenden zu examiniren. Eckarth ſprach, mein Herr Ignatius, wann derſelbe mir einen unbegluͤckten gelehrten Menſchen zu ge- fallen, die groſſe Gunſt erzeigen, und im Exa- mine zugleich Groß-guͤnſtig anthen wolle, wie daß ſelbigen vor 14. Tagen dieſe Straſſen-Raͤu- ber auf der Straſſe beraubet, ihm die Schuhe ausgezogen, dieſelbe zerſchnitten, und 100. Du- caten in Golde daraus genommen haͤtten, wuͤr- de derſelbe mich ungemein verpflichtet machen. Welches er gantz willig zu thun Eckarthen ver- ſprach. Nachdem ſie nun allerhand Diſcour- ſe gefuͤhret hatten, fragte Eckarth: Mein Herr Ignatius, wo iſt denn die Frau Liebſte? Ach ant- wortete er. Meine Liebſte, die mir mit ihrer Kranckheit, von welcher ſie Niemand noch zur Zeit befreyen koͤnnen, das Hertze im Leibe ab- naget, iſt nach gehabten 6. Wochen in einen ſo elenden Zuſtand verfallen, daß es ein Stein in der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Das frühste nachzuweisende Werk: "Des getreuen Ec… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/758
Zitationshilfe: Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719, S. 742. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/758>, abgerufen am 22.11.2024.