Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719.

Bild:
<< vorherige Seite

dancken, Ehrenfried, sollen wir das Liedlein
aufspielen? Adieu Melancholey mit deinen
Grillen, &c. Ehrenfried gleichsam erwachen-
de rieff: Jst das nicht deine Stimme Mü-
lard mein Hertzens-Freund? Alleine, ich be-
trüge mich vielleicht, daß ich gedencken sollte,
dich über 60. Meilen abwesenden, und bey so
später Nacht bey mir zu sehen. Ach! versetzte
Mülard vor Freuden: Ehrenfried kein Be-
trug, kein Geist, keine fliegende Stimme hier,
der, derjenige der dich als seine Seele liebet,
kommet noch einmahl als vielleicht ein nun-
mehro Sterbender, dir die letzte Ehre und
Pflicht, der ehemahls gepflogenen Freund-
schafft zu thun; Hiermit fiel er den jetzt auf-
stehenden Ehrenfried um den Halß, und zer-
brach durch die Freuden-Thränen, die gleich-
sam Stromweise sich aus seinen Augen ergos-
sen, die Worte; Ehrenfried hätte selbsten fast
in Thränen zerfliesen mögen, und ob er gleich
vielmahl reden wolte, ließen doch die wallenden
Hertzens-Freuden nicht zu, aus einen ver-
schlossenen Schrein einiges Wort auszustos-
sen; Stunden also diese verbundene Hertzen
so fest, und nach ihrer Umhalsung unbeweg-
lich: daß wofern nicht einer von denen Musi-
canten geruffen hätte; die wehrteste Gesell-

schafft
A 3

dancken, Ehrenfried, ſollen wir das Liedlein
aufſpielen? Adieu Melancholey mit deinen
Grillen, &c. Ehrenfried gleichſam erwachen-
de rieff: Jſt das nicht deine Stimme Muͤ-
lard mein Hertzens-Freund? Alleine, ich be-
truͤge mich vielleicht, daß ich gedencken ſollte,
dich uͤber 60. Meilen abweſenden, und bey ſo
ſpaͤter Nacht bey mir zu ſehen. Ach! verſetzte
Muͤlard vor Freuden: Ehrenfried kein Be-
trug, kein Geiſt, keine fliegende Stimme hier,
der, derjenige der dich als ſeine Seele liebet,
kommet noch einmahl als vielleicht ein nun-
mehro Sterbender, dir die letzte Ehre und
Pflicht, der ehemahls gepflogenen Freund-
ſchafft zu thun; Hiermit fiel er den jetzt auf-
ſtehenden Ehrenfried um den Halß, und zer-
brach durch die Freuden-Thraͤnen, die gleich-
ſam Stromweiſe ſich aus ſeinen Augen ergoſ-
ſen, die Worte; Ehrenfried haͤtte ſelbſten faſt
in Thraͤnen zerflieſen moͤgen, und ob er gleich
vielmahl reden wolte, ließen doch die wallenden
Hertzens-Freuden nicht zu, aus einen ver-
ſchloſſenen Schrein einiges Wort auszuſtoſ-
ſen; Stunden alſo dieſe verbundene Hertzen
ſo feſt, und nach ihrer Umhalſung unbeweg-
lich: daß wofern nicht einer von denen Muſi-
canten geruffen haͤtte; die wehrteſte Geſell-

ſchafft
A 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0021" n="5"/>
dancken, Ehrenfried, &#x017F;ollen wir das Liedlein<lb/>
auf&#x017F;pielen? <hi rendition="#aq">Adieu</hi> Melancholey mit deinen<lb/>
Grillen, <hi rendition="#aq">&amp;c.</hi> Ehrenfried gleich&#x017F;am erwachen-<lb/>
de rieff: J&#x017F;t das nicht deine Stimme Mu&#x0364;-<lb/>
lard mein Hertzens-Freund? Alleine, ich be-<lb/>
tru&#x0364;ge mich vielleicht, daß ich gedencken &#x017F;ollte,<lb/>
dich u&#x0364;ber 60. Meilen abwe&#x017F;enden, und bey &#x017F;o<lb/>
&#x017F;pa&#x0364;ter Nacht bey mir zu &#x017F;ehen. Ach! ver&#x017F;etzte<lb/>
Mu&#x0364;lard vor Freuden: Ehrenfried kein Be-<lb/>
trug, kein Gei&#x017F;t, keine fliegende Stimme hier,<lb/>
der, derjenige der dich als &#x017F;eine Seele liebet,<lb/>
kommet noch einmahl als vielleicht ein nun-<lb/>
mehro Sterbender, dir die letzte Ehre und<lb/>
Pflicht, der ehemahls gepflogenen Freund-<lb/>
&#x017F;chafft zu thun; Hiermit fiel er den jetzt auf-<lb/>
&#x017F;tehenden Ehrenfried um den Halß, und zer-<lb/>
brach durch die Freuden-Thra&#x0364;nen, die gleich-<lb/>
&#x017F;am Stromwei&#x017F;e &#x017F;ich aus &#x017F;einen Augen ergo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, die Worte; Ehrenfried ha&#x0364;tte &#x017F;elb&#x017F;ten fa&#x017F;t<lb/>
in Thra&#x0364;nen zerflie&#x017F;en mo&#x0364;gen, und ob er gleich<lb/>
vielmahl reden wolte, ließen doch die wallenden<lb/>
Hertzens-Freuden nicht zu, aus einen ver-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Schrein einiges Wort auszu&#x017F;to&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en; Stunden al&#x017F;o die&#x017F;e verbundene Hertzen<lb/>
&#x017F;o fe&#x017F;t, und nach ihrer Umhal&#x017F;ung unbeweg-<lb/>
lich: daß wofern nicht einer von denen Mu&#x017F;i-<lb/>
canten geruffen ha&#x0364;tte; die wehrte&#x017F;te Ge&#x017F;ell-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 3</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chafft</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0021] dancken, Ehrenfried, ſollen wir das Liedlein aufſpielen? Adieu Melancholey mit deinen Grillen, &c. Ehrenfried gleichſam erwachen- de rieff: Jſt das nicht deine Stimme Muͤ- lard mein Hertzens-Freund? Alleine, ich be- truͤge mich vielleicht, daß ich gedencken ſollte, dich uͤber 60. Meilen abweſenden, und bey ſo ſpaͤter Nacht bey mir zu ſehen. Ach! verſetzte Muͤlard vor Freuden: Ehrenfried kein Be- trug, kein Geiſt, keine fliegende Stimme hier, der, derjenige der dich als ſeine Seele liebet, kommet noch einmahl als vielleicht ein nun- mehro Sterbender, dir die letzte Ehre und Pflicht, der ehemahls gepflogenen Freund- ſchafft zu thun; Hiermit fiel er den jetzt auf- ſtehenden Ehrenfried um den Halß, und zer- brach durch die Freuden-Thraͤnen, die gleich- ſam Stromweiſe ſich aus ſeinen Augen ergoſ- ſen, die Worte; Ehrenfried haͤtte ſelbſten faſt in Thraͤnen zerflieſen moͤgen, und ob er gleich vielmahl reden wolte, ließen doch die wallenden Hertzens-Freuden nicht zu, aus einen ver- ſchloſſenen Schrein einiges Wort auszuſtoſ- ſen; Stunden alſo dieſe verbundene Hertzen ſo feſt, und nach ihrer Umhalſung unbeweg- lich: daß wofern nicht einer von denen Muſi- canten geruffen haͤtte; die wehrteſte Geſell- ſchafft A 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Das frühste nachzuweisende Werk: "Des getreuen Ec… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/21
Zitationshilfe: Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/21>, abgerufen am 21.11.2024.