Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719.

Bild:
<< vorherige Seite



musten uns zum Betteln beqvemen; zu Dien-
ste wolte uns niemand haben, aus Beysorge,
der Apffel fiele nicht weit vom Stamme, end-
lich erbarmte sich die Frau Superintendentin
über eine Schwester, und nahm sie zu ihr, wie
auch die Frau Stadt-Schreiberin gab der an-
deren Dienste, mich aber liessen alle gehen, wie
sehr ich mich auch anerboth Gutes zu thun/
vornehmlich, weil ich erst zehn Jahr alt war,
und keine grosse Arbeit verrichten kunte. End-
lich war ein alter verdorbener Goldmacher der
denen Doctoribus allerhand Spiritus und Es-
sen
tzen elaborirte, der erboth sich wann ich
wolte treu seyn und gehorchen, wolte er mich
mit Kleidern und Nahrung versehen. Jch
nach meinen Vermögen, versprach mein eu-
serstes zu thun. Nun hatte er ein alt ver-
nüffeltes Weib, ob es seine Haußhälterin
oder angetraute war, weiß ich nicht, diese,
wann es um 12. oder 1. Uhr zu Mittage kam,
rieff sie: Fritze, komm und iß! wann ich nun
nach meiner sauren Mühe, denn ich immer
Kohlen, Wasser, Holtz etc. zutragen muste,
ohn einiges Früh-Stücke halb verhungert an-
kam, und vermeynte meinen Magen in etwas
zu laben, so lag da ein klein schnittlein schwar-
tzes Brod und harter Käse, war denn eine un-
gemachte Wasser-Suppe dabey, so war es

viel,



muſten uns zum Betteln beqvemen; zu Dien-
ſte wolte uns niemand haben, aus Beyſorge,
der Apffel fiele nicht weit vom Stamme, end-
lich erbarmte ſich die Frau Superintendentin
uͤber eine Schweſter, und nahm ſie zu ihr, wie
auch die Frau Stadt-Schreiberin gab der an-
deren Dienſte, mich aber lieſſen alle gehen, wie
ſehr ich mich auch anerboth Gutes zu thun/
vornehmlich, weil ich erſt zehn Jahr alt war,
und keine groſſe Arbeit verrichten kunte. End-
lich war ein alter verdorbener Goldmacher der
denen Doctoribus allerhand Spiritus und Eſ-
ſen
tzen elaborirte, der erboth ſich wann ich
wolte treu ſeyn und gehorchen, wolte er mich
mit Kleidern und Nahrung verſehen. Jch
nach meinen Vermoͤgen, verſprach mein eu-
ſerſtes zu thun. Nun hatte er ein alt ver-
nuͤffeltes Weib, ob es ſeine Haußhaͤlterin
oder angetraute war, weiß ich nicht, dieſe,
wann es um 12. oder 1. Uhr zu Mittage kam,
rieff ſie: Fritze, komm und iß! wann ich nun
nach meiner ſauren Muͤhe, denn ich immer
Kohlen, Waſſer, Holtz ꝛc. zutragen muſte,
ohn einiges Fruͤh-Stuͤcke halb verhungert an-
kam, und vermeynte meinen Magen in etwas
zu laben, ſo lag da ein klein ſchnittlein ſchwar-
tzes Brod und harter Kaͤſe, war denn eine un-
gemachte Waſſer-Suppe dabey, ſo war es

viel,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0136" n="120"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
mu&#x017F;ten uns zum Betteln beqvemen; zu Dien-<lb/>
&#x017F;te wolte uns niemand haben, aus Bey&#x017F;orge,<lb/>
der Apffel fiele nicht weit vom Stamme, end-<lb/>
lich erbarmte &#x017F;ich die Frau <hi rendition="#aq">Superintendent</hi>in<lb/>
u&#x0364;ber eine Schwe&#x017F;ter, und nahm &#x017F;ie zu ihr, wie<lb/>
auch die Frau Stadt-Schreiberin gab der an-<lb/>
deren Dien&#x017F;te, mich aber lie&#x017F;&#x017F;en alle gehen, wie<lb/>
&#x017F;ehr ich mich auch anerboth Gutes zu thun/<lb/>
vornehmlich, weil ich er&#x017F;t zehn Jahr alt war,<lb/>
und keine gro&#x017F;&#x017F;e Arbeit verrichten kunte. End-<lb/>
lich war ein alter verdorbener Goldmacher der<lb/>
denen <hi rendition="#aq">Doctoribus</hi> allerhand <hi rendition="#aq">Spiritus</hi> und <hi rendition="#aq">E&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en</hi>tzen <hi rendition="#aq">elabori</hi>rte, der erboth &#x017F;ich wann ich<lb/>
wolte treu &#x017F;eyn und gehorchen, wolte er mich<lb/>
mit Kleidern und Nahrung ver&#x017F;ehen. Jch<lb/>
nach meinen Vermo&#x0364;gen, ver&#x017F;prach mein eu-<lb/>
&#x017F;er&#x017F;tes zu thun. Nun hatte er ein alt ver-<lb/>
nu&#x0364;ffeltes Weib, ob es &#x017F;eine Haußha&#x0364;lterin<lb/>
oder angetraute war, weiß ich nicht, die&#x017F;e,<lb/>
wann es um 12. oder 1. Uhr zu Mittage kam,<lb/>
rieff &#x017F;ie: Fritze, komm und iß! wann ich nun<lb/>
nach meiner &#x017F;auren Mu&#x0364;he, denn ich immer<lb/>
Kohlen, Wa&#x017F;&#x017F;er, Holtz &#xA75B;c. zutragen mu&#x017F;te,<lb/>
ohn einiges Fru&#x0364;h-Stu&#x0364;cke halb verhungert an-<lb/>
kam, und vermeynte meinen Magen in etwas<lb/>
zu laben, &#x017F;o lag da ein klein &#x017F;chnittlein &#x017F;chwar-<lb/>
tzes Brod und harter Ka&#x0364;&#x017F;e, war denn eine un-<lb/>
gemachte Wa&#x017F;&#x017F;er-Suppe dabey, &#x017F;o war es<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">viel,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0136] muſten uns zum Betteln beqvemen; zu Dien- ſte wolte uns niemand haben, aus Beyſorge, der Apffel fiele nicht weit vom Stamme, end- lich erbarmte ſich die Frau Superintendentin uͤber eine Schweſter, und nahm ſie zu ihr, wie auch die Frau Stadt-Schreiberin gab der an- deren Dienſte, mich aber lieſſen alle gehen, wie ſehr ich mich auch anerboth Gutes zu thun/ vornehmlich, weil ich erſt zehn Jahr alt war, und keine groſſe Arbeit verrichten kunte. End- lich war ein alter verdorbener Goldmacher der denen Doctoribus allerhand Spiritus und Eſ- ſentzen elaborirte, der erboth ſich wann ich wolte treu ſeyn und gehorchen, wolte er mich mit Kleidern und Nahrung verſehen. Jch nach meinen Vermoͤgen, verſprach mein eu- ſerſtes zu thun. Nun hatte er ein alt ver- nuͤffeltes Weib, ob es ſeine Haußhaͤlterin oder angetraute war, weiß ich nicht, dieſe, wann es um 12. oder 1. Uhr zu Mittage kam, rieff ſie: Fritze, komm und iß! wann ich nun nach meiner ſauren Muͤhe, denn ich immer Kohlen, Waſſer, Holtz ꝛc. zutragen muſte, ohn einiges Fruͤh-Stuͤcke halb verhungert an- kam, und vermeynte meinen Magen in etwas zu laben, ſo lag da ein klein ſchnittlein ſchwar- tzes Brod und harter Kaͤſe, war denn eine un- gemachte Waſſer-Suppe dabey, ſo war es viel,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Das frühste nachzuweisende Werk: "Des getreuen Ec… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/136
Zitationshilfe: Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/136>, abgerufen am 05.05.2024.