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Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719.

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telns schäme, so habe ich diese Nahrung, ob
wohln mit meiner selbst eigenen Verdrießlig-
keit, ergreiffen müssen. Wisset demnach
gestrenge und hoch-geehrte Herren, der Orth
meiner Geburth-Stadt heist Alloest, mein
Vater bediente bey der Geistligkeit die Char-
ge
einen Nachtreter oder Küster abzugeben.
Es geschach aber daß meine Mutter mir zeit-
lich absturbe, und weiln nach deren Tode nie-
mand war, der meinen Vater von seinen lü-
derlichen Leben abhielt, so gerieth er in eine sol-
che Verschwendung, daß, nachdem ihn die
Herren Geistlichen offtermahln vermahnet,
er solte sich seines Amptes so treulich als zu-
vor annehmen, sonsten wo er also fortfahren
würde, müsten sie auf eine sorgfältigere Per-
son bedacht seyn; welches auch, weil bey mei-
nen Vater kein Ermahnen verfangen wolte,
bald darauf geschahe, und er seines Dienstes
entsetzt wurde; Nachdem nun die Mittel,
zumahln er alles was das Hauß vermochte
verkaufft und durch die Gurgel gejaget hatte,
abgenommen, und die Sonne eher in die
Kammer schiene, als ein Pfenning zu Brodte im
Hause war, ließ er mich mit noch zwey Schwe-
stern sitzen, und verlohr sich von uns, daß nie-
mand wuste, wo er hin gestoben oder geflogen
war. Wir umb nicht Hungers zu sterben,

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telns ſchaͤme, ſo habe ich dieſe Nahrung, ob
wohln mit meiner ſelbſt eigenen Verdrießlig-
keit, ergreiffen muͤſſen. Wiſſet demnach
geſtrenge und hoch-geehrte Herren, der Orth
meiner Geburth-Stadt heiſt Alloeſt, mein
Vater bediente bey der Geiſtligkeit die Char-
ge
einen Nachtreter oder Kuͤſter abzugeben.
Es geſchach aber daß meine Mutter mir zeit-
lich abſturbe, und weiln nach deren Tode nie-
mand war, der meinen Vater von ſeinen luͤ-
derlichen Leben abhielt, ſo gerieth er in eine ſol-
che Verſchwendung, daß, nachdem ihn die
Herren Geiſtlichen offtermahln vermahnet,
er ſolte ſich ſeines Amptes ſo treulich als zu-
vor annehmen, ſonſten wo er alſo fortfahren
wuͤrde, muͤſten ſie auf eine ſorgfaͤltigere Per-
ſon bedacht ſeyn; welches auch, weil bey mei-
nen Vater kein Ermahnen verfangen wolte,
bald darauf geſchahe, und er ſeines Dienſtes
entſetzt wurde; Nachdem nun die Mittel,
zumahln er alles was das Hauß vermochte
verkaufft und durch die Gurgel gejaget hatte,
abgenommen, und die Sonne eher in die
Kam̃er ſchiene, als ein Pfenning zu Brodte im
Hauſe war, ließ er mich mit noch zwey Schwe-
ſtern ſitzen, und verlohr ſich von uns, daß nie-
mand wuſte, wo er hin geſtoben oder geflogen
war. Wir umb nicht Hungers zu ſterben,

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[119/0135] telns ſchaͤme, ſo habe ich dieſe Nahrung, ob wohln mit meiner ſelbſt eigenen Verdrießlig- keit, ergreiffen muͤſſen. Wiſſet demnach geſtrenge und hoch-geehrte Herren, der Orth meiner Geburth-Stadt heiſt Alloeſt, mein Vater bediente bey der Geiſtligkeit die Char- ge einen Nachtreter oder Kuͤſter abzugeben. Es geſchach aber daß meine Mutter mir zeit- lich abſturbe, und weiln nach deren Tode nie- mand war, der meinen Vater von ſeinen luͤ- derlichen Leben abhielt, ſo gerieth er in eine ſol- che Verſchwendung, daß, nachdem ihn die Herren Geiſtlichen offtermahln vermahnet, er ſolte ſich ſeines Amptes ſo treulich als zu- vor annehmen, ſonſten wo er alſo fortfahren wuͤrde, muͤſten ſie auf eine ſorgfaͤltigere Per- ſon bedacht ſeyn; welches auch, weil bey mei- nen Vater kein Ermahnen verfangen wolte, bald darauf geſchahe, und er ſeines Dienſtes entſetzt wurde; Nachdem nun die Mittel, zumahln er alles was das Hauß vermochte verkaufft und durch die Gurgel gejaget hatte, abgenommen, und die Sonne eher in die Kam̃er ſchiene, als ein Pfenning zu Brodte im Hauſe war, ließ er mich mit noch zwey Schwe- ſtern ſitzen, und verlohr ſich von uns, daß nie- mand wuſte, wo er hin geſtoben oder geflogen war. Wir umb nicht Hungers zu ſterben, mu- H 4

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Zitationshilfe: Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/135>, abgerufen am 05.05.2024.