Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.nickten einander heimlich zu, als wenn sie in ihrem Ich muß sagen, das gefiel mir recht wohl. Ich Die alte Frau mahlte indeß in einem fort mit ih¬ E
nickten einander heimlich zu, als wenn ſie in ihrem Ich muß ſagen, das gefiel mir recht wohl. Ich Die alte Frau mahlte indeß in einem fort mit ih¬ E
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0075" n="65"/> nickten einander heimlich zu, als wenn ſie in ihrem<lb/> Leben noch kein Mannsbild geſehen haͤtten. Die Alte<lb/> machte endlich oben eine Thuͤre auf, da wurde ich an¬<lb/> fangs ordentlich ganz verbluͤfft. Denn es war ein gro¬<lb/> ßes ſchoͤnes herrſchaftliches Zimmer mit goldenen Ver¬<lb/> zierungen an der Decke, und an den Waͤnden hingen<lb/> praͤchtige Tapeten mit allerlei Figuren und großen<lb/> Blumen. In der Mitte ſtand ein gedeckter Tiſch mit<lb/> Braten, Kuchen, Sallat, Obſt, Wein und Confekt, daß<lb/> einem recht das Herz im Leibe lachte. Zwiſchen den<lb/> beiden Fenſtern hing ein ungeheurer Spiegel, der vom<lb/> Boden bis zur Decke reichte.</p><lb/> <p>Ich muß ſagen, das gefiel mir recht wohl. Ich<lb/> ſtreckte mich ein Paarmal und ging mit langen Schrit¬<lb/> ten vornehm im Zimmer auf und ab. Dann konnt'<lb/> ich aber doch nicht widerſtehen, mich einmal in einem<lb/> ſo großen Spiegel zu beſehen. Das iſt wahr, die neuen<lb/> Kleider vom Herrn Leonhard ſtanden mir recht ſchoͤn,<lb/> auch hatte ich in Italien ſo ein gewiſſes feuriges Auge<lb/> bekommen, ſonſt aber war ich grade noch ſo ein Milch¬<lb/> bart, wie ich zu Hauſe geweſen war, nur auf der Ober¬<lb/> lippe zeigten ſich erſt ein paar Flaumfedern.</p><lb/> <p>Die alte Frau mahlte indeß in einem fort mit ih¬<lb/> rem zahnloſen Munde, daß es nicht anders ausſah, als<lb/> wenn ſie an der langen herunterhaͤngenden Naſenſpitze<lb/> kaute. Dann noͤthigte ſie mich zum Sitzen, ſtreichelte<lb/> mir mit ihren duͤrren Fingern das Kinn, nannte mich<lb/><hi rendition="#aq">poverino</hi>! wobei ſie mich aus den rothen Augen ſo<lb/> ſchelmiſch anſah, daß ſich ihr der eine Mundwinkel bis<lb/> <fw place="bottom" type="sig">E<lb/></fw> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [65/0075]
nickten einander heimlich zu, als wenn ſie in ihrem
Leben noch kein Mannsbild geſehen haͤtten. Die Alte
machte endlich oben eine Thuͤre auf, da wurde ich an¬
fangs ordentlich ganz verbluͤfft. Denn es war ein gro¬
ßes ſchoͤnes herrſchaftliches Zimmer mit goldenen Ver¬
zierungen an der Decke, und an den Waͤnden hingen
praͤchtige Tapeten mit allerlei Figuren und großen
Blumen. In der Mitte ſtand ein gedeckter Tiſch mit
Braten, Kuchen, Sallat, Obſt, Wein und Confekt, daß
einem recht das Herz im Leibe lachte. Zwiſchen den
beiden Fenſtern hing ein ungeheurer Spiegel, der vom
Boden bis zur Decke reichte.
Ich muß ſagen, das gefiel mir recht wohl. Ich
ſtreckte mich ein Paarmal und ging mit langen Schrit¬
ten vornehm im Zimmer auf und ab. Dann konnt'
ich aber doch nicht widerſtehen, mich einmal in einem
ſo großen Spiegel zu beſehen. Das iſt wahr, die neuen
Kleider vom Herrn Leonhard ſtanden mir recht ſchoͤn,
auch hatte ich in Italien ſo ein gewiſſes feuriges Auge
bekommen, ſonſt aber war ich grade noch ſo ein Milch¬
bart, wie ich zu Hauſe geweſen war, nur auf der Ober¬
lippe zeigten ſich erſt ein paar Flaumfedern.
Die alte Frau mahlte indeß in einem fort mit ih¬
rem zahnloſen Munde, daß es nicht anders ausſah, als
wenn ſie an der langen herunterhaͤngenden Naſenſpitze
kaute. Dann noͤthigte ſie mich zum Sitzen, ſtreichelte
mir mit ihren duͤrren Fingern das Kinn, nannte mich
poverino! wobei ſie mich aus den rothen Augen ſo
ſchelmiſch anſah, daß ſich ihr der eine Mundwinkel bis
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