an einen Baum angebunden. Der Eine kommt aber rasch auf mich los, sieht mir ganz starr ins Gesicht, und fängt auf einmal ganz unmäßig an zu lachen. Ich muß gestehen, mich ärgerte das unvernünftige Ge¬ lächter. Er aber sagte: "Wahrhaftig, das ist der Gärt¬ ner, wollt' sagen: Einnehmer vom Schloß!"
Ich sah ihn groß an, wußt' mich aber seiner nicht zu erinnern, hätt' auch viel zu thun gehabt, wenn ich mir alle die jungen Herren hätte ansehen wollen, die auf dem Schloß ab und zu ritten. Er aber fuhr mit ewigem Gelächter fort: "Das ist prächtig! Du vacirst, wie ich sehe, wir brauchen eben einen Bedienten, bleib bei uns, da hast Du ewige Vakanz." -- Ich war ganz verblüfft und sagte endlich, daß ich so eben auf einer Reise nach Italien begriffen wäre. -- "Nach Ita¬ lien?!" entgegnete der Fremde, "eben dahin wollen auch wir!" -- "Nun, wenn das ist!" rief ich aus und zog voller Freude meine Geige aus der Tasche und strich, daß die Vögel im Walde aufwachten. Der Herr aber erwischte geschwind den andern Herrn und walzte mit ihm wie verrückt auf dem Rasen herum.
Dann standen sie plötzlich still. "Bei Gott," rief der Eine, "da seh' ich schon den Kirchthurm von B.! nun, da wollen wir bald unten seyn." Er zog seine Uhr heraus und ließ sie repetiren, schüttelte mit dem Kopfe, und ließ noch einmal schlagen. "Nein," sagte er, "das geht nicht, wir kommen so zu früh hin, das könnte schlimm werden!"
Darauf holten sie von ihren Pferden Kuchen, Bra¬
D
an einen Baum angebunden. Der Eine kommt aber raſch auf mich los, ſieht mir ganz ſtarr ins Geſicht, und faͤngt auf einmal ganz unmaͤßig an zu lachen. Ich muß geſtehen, mich aͤrgerte das unvernuͤnftige Ge¬ laͤchter. Er aber ſagte: „Wahrhaftig, das iſt der Gaͤrt¬ ner, wollt' ſagen: Einnehmer vom Schloß!“
Ich ſah ihn groß an, wußt' mich aber ſeiner nicht zu erinnern, haͤtt' auch viel zu thun gehabt, wenn ich mir alle die jungen Herren haͤtte anſehen wollen, die auf dem Schloß ab und zu ritten. Er aber fuhr mit ewigem Gelaͤchter fort: „Das iſt praͤchtig! Du vacirſt, wie ich ſehe, wir brauchen eben einen Bedienten, bleib bei uns, da haſt Du ewige Vakanz.“ — Ich war ganz verbluͤfft und ſagte endlich, daß ich ſo eben auf einer Reiſe nach Italien begriffen waͤre. — „Nach Ita¬ lien?!“ entgegnete der Fremde, „eben dahin wollen auch wir!“ — „Nun, wenn das iſt!“ rief ich aus und zog voller Freude meine Geige aus der Taſche und ſtrich, daß die Voͤgel im Walde aufwachten. Der Herr aber erwiſchte geſchwind den andern Herrn und walzte mit ihm wie verruͤckt auf dem Raſen herum.
Dann ſtanden ſie ploͤtzlich ſtill. „Bei Gott,“ rief der Eine, „da ſeh' ich ſchon den Kirchthurm von B.! nun, da wollen wir bald unten ſeyn.“ Er zog ſeine Uhr heraus und ließ ſie repetiren, ſchuͤttelte mit dem Kopfe, und ließ noch einmal ſchlagen. „Nein,“ ſagte er, „das geht nicht, wir kommen ſo zu fruͤh hin, das koͤnnte ſchlimm werden!“
Darauf holten ſie von ihren Pferden Kuchen, Bra¬
D
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0059"n="49"/>
an einen Baum angebunden. Der Eine kommt aber<lb/>
raſch auf mich los, ſieht mir ganz ſtarr ins Geſicht,<lb/>
und faͤngt auf einmal ganz unmaͤßig an zu lachen.<lb/>
Ich muß geſtehen, mich aͤrgerte das unvernuͤnftige Ge¬<lb/>
laͤchter. Er aber ſagte: „Wahrhaftig, das iſt der Gaͤrt¬<lb/>
ner, wollt' ſagen: Einnehmer vom Schloß!“</p><lb/><p>Ich ſah ihn groß an, wußt' mich aber ſeiner nicht<lb/>
zu erinnern, haͤtt' auch viel zu thun gehabt, wenn ich<lb/>
mir alle die jungen Herren haͤtte anſehen wollen, die<lb/>
auf dem Schloß ab und zu ritten. Er aber fuhr mit<lb/>
ewigem Gelaͤchter fort: „Das iſt praͤchtig! Du vacirſt,<lb/>
wie ich ſehe, wir brauchen eben einen Bedienten, bleib<lb/>
bei uns, da haſt Du ewige Vakanz.“— Ich war ganz<lb/>
verbluͤfft und ſagte endlich, daß ich ſo eben auf einer<lb/>
Reiſe nach Italien begriffen waͤre. —„Nach Ita¬<lb/>
lien?!“ entgegnete der Fremde, „eben dahin wollen<lb/>
auch wir!“—„Nun, wenn <hirendition="#g">das</hi> iſt!“ rief ich aus und<lb/>
zog voller Freude meine Geige aus der Taſche und<lb/>ſtrich, daß die Voͤgel im Walde aufwachten. Der Herr<lb/>
aber erwiſchte geſchwind den andern Herrn und walzte<lb/>
mit ihm wie verruͤckt auf dem Raſen herum.</p><lb/><p>Dann ſtanden ſie ploͤtzlich ſtill. „Bei Gott,“ rief<lb/>
der Eine, „da ſeh' ich ſchon den Kirchthurm von B.!<lb/>
nun, da wollen wir bald unten ſeyn.“ Er zog ſeine<lb/>
Uhr heraus und ließ ſie repetiren, ſchuͤttelte mit dem<lb/>
Kopfe, und ließ noch einmal ſchlagen. „Nein,“ſagte<lb/>
er, „das geht nicht, wir kommen ſo zu fruͤh hin, das<lb/>
koͤnnte ſchlimm werden!“</p><lb/><p>Darauf holten ſie von ihren Pferden Kuchen, Bra¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">D<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[49/0059]
an einen Baum angebunden. Der Eine kommt aber
raſch auf mich los, ſieht mir ganz ſtarr ins Geſicht,
und faͤngt auf einmal ganz unmaͤßig an zu lachen.
Ich muß geſtehen, mich aͤrgerte das unvernuͤnftige Ge¬
laͤchter. Er aber ſagte: „Wahrhaftig, das iſt der Gaͤrt¬
ner, wollt' ſagen: Einnehmer vom Schloß!“
Ich ſah ihn groß an, wußt' mich aber ſeiner nicht
zu erinnern, haͤtt' auch viel zu thun gehabt, wenn ich
mir alle die jungen Herren haͤtte anſehen wollen, die
auf dem Schloß ab und zu ritten. Er aber fuhr mit
ewigem Gelaͤchter fort: „Das iſt praͤchtig! Du vacirſt,
wie ich ſehe, wir brauchen eben einen Bedienten, bleib
bei uns, da haſt Du ewige Vakanz.“ — Ich war ganz
verbluͤfft und ſagte endlich, daß ich ſo eben auf einer
Reiſe nach Italien begriffen waͤre. — „Nach Ita¬
lien?!“ entgegnete der Fremde, „eben dahin wollen
auch wir!“ — „Nun, wenn das iſt!“ rief ich aus und
zog voller Freude meine Geige aus der Taſche und
ſtrich, daß die Voͤgel im Walde aufwachten. Der Herr
aber erwiſchte geſchwind den andern Herrn und walzte
mit ihm wie verruͤckt auf dem Raſen herum.
Dann ſtanden ſie ploͤtzlich ſtill. „Bei Gott,“ rief
der Eine, „da ſeh' ich ſchon den Kirchthurm von B.!
nun, da wollen wir bald unten ſeyn.“ Er zog ſeine
Uhr heraus und ließ ſie repetiren, ſchuͤttelte mit dem
Kopfe, und ließ noch einmal ſchlagen. „Nein,“ ſagte
er, „das geht nicht, wir kommen ſo zu fruͤh hin, das
koͤnnte ſchlimm werden!“
Darauf holten ſie von ihren Pferden Kuchen, Bra¬
D
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/59>, abgerufen am 17.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.