Flechsen am Halse ordentlich aufgeschwollen waren; sie sah ganz erboßt aus und ziegelroth im Gesichte. Die Kammerjungfer suchte unterdeß hinter allen Hecken herum, als hätte sie eine Stecknadel verloren. --
"Ich brauche so nothwendig noch frische Blumen zu meiner Maske," fuhr die Gärtnerin von neuem fort, "wo er auch stecken mag!" -- Die Kammerjungfer suchte und kicherte dabei immer fort heimlich in sich selbst hinein. -- "Sagtest Du was, Rosette?" fragte die Gärtnerin spitzig. -- "Ich sage was ich immer gesagt habe," erwiederte die Kammerjungfer und machte ein ganz ernsthaftes treuherziges Gesicht, "der ganze Einnehmer ist und bleibt ein Lümmel, er liegt gewiß irgendwo hinter einem Strauche und schläft."
Mir zuckte es in allen meinen Gliedern, herunter zu springen und meine Reputation zu retten -- da hörte man auf einmal ein großes Paucken und Musi¬ ziren und Lärmen vom Schlosse her.
Nun hielt sich die Gärtnerin nicht länger. "Da bringen die Menschen," fuhr sie verdrüßlich auf, "dem Herrn das Vivat. Komm, man wird uns vermissen!" -- Und hiermit steckte sie die Larve schnell vor und ging wüthend mit der Kammerjungfer nach dem Schlosse zu fort. Die Bäume und Sträucher wiesen kurios, wie mit langen Nasen und Fingern hinter ihr drein, der Mondschein tanzte noch fix, wie über eine Klavia¬ tur, über ihre breite Taille auf und nieder, und so nahm sie, so recht wie ich auf dem Theater manchmal
Flechſen am Halſe ordentlich aufgeſchwollen waren; ſie ſah ganz erboßt aus und ziegelroth im Geſichte. Die Kammerjungfer ſuchte unterdeß hinter allen Hecken herum, als haͤtte ſie eine Stecknadel verloren. —
„Ich brauche ſo nothwendig noch friſche Blumen zu meiner Maske,“ fuhr die Gaͤrtnerin von neuem fort, „wo er auch ſtecken mag!“ — Die Kammerjungfer ſuchte und kicherte dabei immer fort heimlich in ſich ſelbſt hinein. — „Sagteſt Du was, Roſette?“ fragte die Gaͤrtnerin ſpitzig. — „Ich ſage was ich immer geſagt habe,“ erwiederte die Kammerjungfer und machte ein ganz ernſthaftes treuherziges Geſicht, „der ganze Einnehmer iſt und bleibt ein Luͤmmel, er liegt gewiß irgendwo hinter einem Strauche und ſchlaͤft.“
Mir zuckte es in allen meinen Gliedern, herunter zu ſpringen und meine Reputation zu retten — da hoͤrte man auf einmal ein großes Paucken und Muſi¬ ziren und Laͤrmen vom Schloſſe her.
Nun hielt ſich die Gaͤrtnerin nicht laͤnger. „Da bringen die Menſchen,“ fuhr ſie verdruͤßlich auf, „dem Herrn das Vivat. Komm, man wird uns vermiſſen!“ — Und hiermit ſteckte ſie die Larve ſchnell vor und ging wuͤthend mit der Kammerjungfer nach dem Schloſſe zu fort. Die Baͤume und Straͤucher wieſen kurios, wie mit langen Naſen und Fingern hinter ihr drein, der Mondſchein tanzte noch fix, wie uͤber eine Klavia¬ tur, uͤber ihre breite Taille auf und nieder, und ſo nahm ſie, ſo recht wie ich auf dem Theater manchmal
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0039"n="29"/>
Flechſen am Halſe ordentlich aufgeſchwollen waren; ſie<lb/>ſah ganz erboßt aus und ziegelroth im Geſichte. Die<lb/>
Kammerjungfer ſuchte unterdeß hinter allen Hecken<lb/>
herum, als haͤtte ſie eine Stecknadel verloren. —</p><lb/><p>„Ich brauche ſo nothwendig noch friſche Blumen<lb/>
zu meiner Maske,“ fuhr die Gaͤrtnerin von neuem fort,<lb/>„wo er auch ſtecken mag!“— Die Kammerjungfer<lb/>ſuchte und kicherte dabei immer fort heimlich in ſich<lb/>ſelbſt hinein. —„Sagteſt Du was, Roſette?“ fragte<lb/>
die Gaͤrtnerin ſpitzig. —„Ich ſage was ich immer<lb/>
geſagt habe,“ erwiederte die Kammerjungfer und machte<lb/>
ein ganz ernſthaftes treuherziges Geſicht, „der ganze<lb/>
Einnehmer iſt und bleibt ein Luͤmmel, er liegt gewiß<lb/>
irgendwo hinter einem Strauche und ſchlaͤft.“</p><lb/><p>Mir zuckte es in allen meinen Gliedern, herunter<lb/>
zu ſpringen und meine Reputation zu retten — da<lb/>
hoͤrte man auf einmal ein großes Paucken und Muſi¬<lb/>
ziren und Laͤrmen vom Schloſſe her.</p><lb/><p>Nun hielt ſich die Gaͤrtnerin nicht laͤnger. „Da<lb/>
bringen die Menſchen,“ fuhr ſie verdruͤßlich auf, „dem<lb/>
Herrn das Vivat. Komm, man wird uns vermiſſen!“—<lb/>
Und hiermit ſteckte ſie die Larve ſchnell vor und ging<lb/>
wuͤthend mit der Kammerjungfer nach dem Schloſſe<lb/>
zu fort. Die Baͤume und Straͤucher wieſen kurios,<lb/>
wie mit langen Naſen und Fingern hinter ihr drein,<lb/>
der Mondſchein tanzte noch fix, wie uͤber eine Klavia¬<lb/>
tur, uͤber ihre breite Taille auf und nieder, und ſo<lb/>
nahm ſie, ſo recht wie ich auf dem Theater manchmal<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[29/0039]
Flechſen am Halſe ordentlich aufgeſchwollen waren; ſie
ſah ganz erboßt aus und ziegelroth im Geſichte. Die
Kammerjungfer ſuchte unterdeß hinter allen Hecken
herum, als haͤtte ſie eine Stecknadel verloren. —
„Ich brauche ſo nothwendig noch friſche Blumen
zu meiner Maske,“ fuhr die Gaͤrtnerin von neuem fort,
„wo er auch ſtecken mag!“ — Die Kammerjungfer
ſuchte und kicherte dabei immer fort heimlich in ſich
ſelbſt hinein. — „Sagteſt Du was, Roſette?“ fragte
die Gaͤrtnerin ſpitzig. — „Ich ſage was ich immer
geſagt habe,“ erwiederte die Kammerjungfer und machte
ein ganz ernſthaftes treuherziges Geſicht, „der ganze
Einnehmer iſt und bleibt ein Luͤmmel, er liegt gewiß
irgendwo hinter einem Strauche und ſchlaͤft.“
Mir zuckte es in allen meinen Gliedern, herunter
zu ſpringen und meine Reputation zu retten — da
hoͤrte man auf einmal ein großes Paucken und Muſi¬
ziren und Laͤrmen vom Schloſſe her.
Nun hielt ſich die Gaͤrtnerin nicht laͤnger. „Da
bringen die Menſchen,“ fuhr ſie verdruͤßlich auf, „dem
Herrn das Vivat. Komm, man wird uns vermiſſen!“ —
Und hiermit ſteckte ſie die Larve ſchnell vor und ging
wuͤthend mit der Kammerjungfer nach dem Schloſſe
zu fort. Die Baͤume und Straͤucher wieſen kurios,
wie mit langen Naſen und Fingern hinter ihr drein,
der Mondſchein tanzte noch fix, wie uͤber eine Klavia¬
tur, uͤber ihre breite Taille auf und nieder, und ſo
nahm ſie, ſo recht wie ich auf dem Theater manchmal
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/39>, abgerufen am 24.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.