bot mir freundlich einen guten Morgen, in den Dör¬ fern aber ringsumher krähten die Hähne so frisch über die leisewogenden Kornfelder herüber, und zwischen den Morgenstreifen hoch am Himmel schweiften schon ein¬ zelne zu früh erwachte Lerchen, und der Postillon nahm dann sein Posthorn und fuhr weiter und blies und blies -- da stand ich lange und sah dem Wagen nach, und es war mir nicht anders, als müßt' ich nur so¬ gleich mit fort, weit, weit in die Welt. --
Meine Blumensträuße legte ich indeß immer noch, sobald die Sonne unterging, auf den steinernen Tisch in der dunkeln Laube. Aber das war es eben: damit war es nun aus seit jenem Abend. -- Kein Mensch kümmerte sich darum: so oft ich des Morgens frühzei¬ tig nachsah, lagen die Blumen noch immer da wie ge¬ stern, und sahen mich mit ihren verwelkten niederhän¬ genden Köpfchen und darauf stehenden Thautropfen ordentlich betrübt an, als ob sie weinten. -- Das ver¬ droß mich sehr. Ich band gar keinen Strauß mehr. In meinem Garten mochte nun auch das Unkraut treiben wie es wollte, und die Blumen ließ ich ruhig stehn und wachsen bis der Wind die Blätter ver¬ wehte. War mir's doch eben so wild und bunt und verstört im Herzen.
In diesen kritischen Zeitläuften geschah es denn, daß einmal, als ich eben zu Hause im Fenster liege und verdrüßlich in die leere Luft hinaus sehe, die Kammerjungfer vom Schlosse über die Straße daher getrippelt kommt. Sie lenkte, da sie mich erblickte,
bot mir freundlich einen guten Morgen, in den Doͤr¬ fern aber ringsumher kraͤhten die Haͤhne ſo friſch uͤber die leiſewogenden Kornfelder heruͤber, und zwiſchen den Morgenſtreifen hoch am Himmel ſchweiften ſchon ein¬ zelne zu fruͤh erwachte Lerchen, und der Poſtillon nahm dann ſein Poſthorn und fuhr weiter und blies und blies — da ſtand ich lange und ſah dem Wagen nach, und es war mir nicht anders, als muͤßt' ich nur ſo¬ gleich mit fort, weit, weit in die Welt. —
Meine Blumenſtraͤuße legte ich indeß immer noch, ſobald die Sonne unterging, auf den ſteinernen Tiſch in der dunkeln Laube. Aber das war es eben: damit war es nun aus ſeit jenem Abend. — Kein Menſch kuͤmmerte ſich darum: ſo oft ich des Morgens fruͤhzei¬ tig nachſah, lagen die Blumen noch immer da wie ge¬ ſtern, und ſahen mich mit ihren verwelkten niederhaͤn¬ genden Koͤpfchen und darauf ſtehenden Thautropfen ordentlich betruͤbt an, als ob ſie weinten. — Das ver¬ droß mich ſehr. Ich band gar keinen Strauß mehr. In meinem Garten mochte nun auch das Unkraut treiben wie es wollte, und die Blumen ließ ich ruhig ſtehn und wachſen bis der Wind die Blaͤtter ver¬ wehte. War mir's doch eben ſo wild und bunt und verſtoͤrt im Herzen.
In dieſen kritiſchen Zeitlaͤuften geſchah es denn, daß einmal, als ich eben zu Hauſe im Fenſter liege und verdruͤßlich in die leere Luft hinaus ſehe, die Kammerjungfer vom Schloſſe uͤber die Straße daher getrippelt kommt. Sie lenkte, da ſie mich erblickte,
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bot mir freundlich einen guten Morgen, in den Doͤr¬
fern aber ringsumher kraͤhten die Haͤhne ſo friſch uͤber
die leiſewogenden Kornfelder heruͤber, und zwiſchen den
Morgenſtreifen hoch am Himmel ſchweiften ſchon ein¬
zelne zu fruͤh erwachte Lerchen, und der Poſtillon nahm
dann ſein Poſthorn und fuhr weiter und blies und
blies — da ſtand ich lange und ſah dem Wagen nach,
und es war mir nicht anders, als muͤßt' ich nur ſo¬
gleich mit fort, weit, weit in die Welt. —
Meine Blumenſtraͤuße legte ich indeß immer noch,
ſobald die Sonne unterging, auf den ſteinernen Tiſch
in der dunkeln Laube. Aber das war es eben: damit
war es nun aus ſeit jenem Abend. — Kein Menſch
kuͤmmerte ſich darum: ſo oft ich des Morgens fruͤhzei¬
tig nachſah, lagen die Blumen noch immer da wie ge¬
ſtern, und ſahen mich mit ihren verwelkten niederhaͤn¬
genden Koͤpfchen und darauf ſtehenden Thautropfen
ordentlich betruͤbt an, als ob ſie weinten. — Das ver¬
droß mich ſehr. Ich band gar keinen Strauß mehr.
In meinem Garten mochte nun auch das Unkraut
treiben wie es wollte, und die Blumen ließ ich ruhig
ſtehn und wachſen bis der Wind die Blaͤtter ver¬
wehte. War mir's doch eben ſo wild und bunt und
verſtoͤrt im Herzen.
In dieſen kritiſchen Zeitlaͤuften geſchah es denn,
daß einmal, als ich eben zu Hauſe im Fenſter liege
und verdruͤßlich in die leere Luft hinaus ſehe, die
Kammerjungfer vom Schloſſe uͤber die Straße daher
getrippelt kommt. Sie lenkte, da ſie mich erblickte,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/33>, abgerufen am 16.02.2025.
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