derte er durch die Gassen. Da sah alles so rein und festlich aus, schöngeputzte Herren und Damen zogen fröhlich und schimmernd nach den Kirchen. Aber, ach! die Schönste war nicht unter ihnen! -- Ihm fiel da¬ bei sein Abenteuer beim gestrigen Heimzuge ein. Er suchte die Gasse auf und fand bald das große schöne Haus wieder, aber sonderbar! die Thüre war geschlossen, alle Fenster fest zu, es schien Niemand darin zu wohnen.
Vergeblich schweifte er den ganzen folgenden Tag in der Gegend umher, um nähere Auskunft über seine unbekannte Geliebte zu erhalten, oder sie, wo möglich, gar wieder zu sehen. Ihr Palast, so wie der Garten, den er in jener Mittagsstunde zufällig gefunden, war wie versunken, auch Donati ließ sich nicht erblicken. Ungeduldig schlug daher sein Herz vor Freude und Erwar¬ tung, als er endlich am Abend, der Einladung zufolge, mit Fortunato, der fortwährend den Geheimnißvollen spielte, zum Thore hinaus dem Landhause zuritt.
Es war schon völlig dunkel, als sie draußen an¬ kamen. Mitten in einem Garten, wie es schien, lag eine zierliche Villa mit schlanken Säulen, über denen sich von der Zinne ein zweiter Garten von Orangen und vielerlei Blumen duftig erhob. Große Kastanien¬ bäume standen umher und streckten kühn und seltsam beleuchtet ihre Riesenarme zwischen den aus den Fen¬ stern dringenden Scheinen in die Nacht hinaus. Der Herr vom Hause, ein feiner fröhlicher Mann von mitt¬ leren Jahren, den aber Florio früher jemals gesehn zu haben sich nicht erinnerte, empfing den Sänger und
derte er durch die Gaſſen. Da ſah alles ſo rein und feſtlich aus, ſchoͤngeputzte Herren und Damen zogen froͤhlich und ſchimmernd nach den Kirchen. Aber, ach! die Schoͤnſte war nicht unter ihnen! — Ihm fiel da¬ bei ſein Abenteuer beim geſtrigen Heimzuge ein. Er ſuchte die Gaſſe auf und fand bald das große ſchoͤne Haus wieder, aber ſonderbar! die Thuͤre war geſchloſſen, alle Fenſter feſt zu, es ſchien Niemand darin zu wohnen.
Vergeblich ſchweifte er den ganzen folgenden Tag in der Gegend umher, um naͤhere Auskunft uͤber ſeine unbekannte Geliebte zu erhalten, oder ſie, wo moͤglich, gar wieder zu ſehen. Ihr Palaſt, ſo wie der Garten, den er in jener Mittagsſtunde zufaͤllig gefunden, war wie verſunken, auch Donati ließ ſich nicht erblicken. Ungeduldig ſchlug daher ſein Herz vor Freude und Erwar¬ tung, als er endlich am Abend, der Einladung zufolge, mit Fortunato, der fortwaͤhrend den Geheimnißvollen ſpielte, zum Thore hinaus dem Landhauſe zuritt.
Es war ſchon voͤllig dunkel, als ſie draußen an¬ kamen. Mitten in einem Garten, wie es ſchien, lag eine zierliche Villa mit ſchlanken Saͤulen, uͤber denen ſich von der Zinne ein zweiter Garten von Orangen und vielerlei Blumen duftig erhob. Große Kaſtanien¬ baͤume ſtanden umher und ſtreckten kuͤhn und ſeltſam beleuchtet ihre Rieſenarme zwiſchen den aus den Fen¬ ſtern dringenden Scheinen in die Nacht hinaus. Der Herr vom Hauſe, ein feiner froͤhlicher Mann von mitt¬ leren Jahren, den aber Florio fruͤher jemals geſehn zu haben ſich nicht erinnerte, empfing den Saͤnger und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0178"n="168"/>
derte er durch die Gaſſen. Da ſah alles ſo rein und<lb/>
feſtlich aus, ſchoͤngeputzte Herren und Damen zogen<lb/>
froͤhlich und ſchimmernd nach den Kirchen. Aber, ach!<lb/>
die Schoͤnſte war nicht unter ihnen! — Ihm fiel da¬<lb/>
bei ſein Abenteuer beim geſtrigen Heimzuge ein. Er<lb/>ſuchte die Gaſſe auf und fand bald das große ſchoͤne<lb/>
Haus wieder, aber ſonderbar! die Thuͤre war geſchloſſen,<lb/>
alle Fenſter feſt zu, es ſchien Niemand darin zu wohnen.</p><lb/><p>Vergeblich ſchweifte er den ganzen folgenden Tag<lb/>
in der Gegend umher, um naͤhere Auskunft uͤber ſeine<lb/>
unbekannte Geliebte zu erhalten, oder ſie, wo moͤglich,<lb/>
gar wieder zu ſehen. Ihr Palaſt, ſo wie der Garten,<lb/>
den er in jener Mittagsſtunde zufaͤllig gefunden, war<lb/>
wie verſunken, auch Donati ließ ſich nicht erblicken.<lb/>
Ungeduldig ſchlug daher ſein Herz vor Freude und Erwar¬<lb/>
tung, als er endlich am Abend, der Einladung zufolge,<lb/>
mit Fortunato, der fortwaͤhrend den Geheimnißvollen<lb/>ſpielte, zum Thore hinaus dem Landhauſe zuritt.</p><lb/><p>Es war ſchon voͤllig dunkel, als ſie draußen an¬<lb/>
kamen. Mitten in einem Garten, wie es ſchien, lag<lb/>
eine zierliche Villa mit ſchlanken Saͤulen, uͤber denen<lb/>ſich von der Zinne ein zweiter Garten von Orangen<lb/>
und vielerlei Blumen duftig erhob. Große Kaſtanien¬<lb/>
baͤume ſtanden umher und ſtreckten kuͤhn und ſeltſam<lb/>
beleuchtet ihre Rieſenarme zwiſchen den aus den Fen¬<lb/>ſtern dringenden Scheinen in die Nacht hinaus. Der<lb/>
Herr vom Hauſe, ein feiner froͤhlicher Mann von mitt¬<lb/>
leren Jahren, den aber Florio fruͤher jemals geſehn zu<lb/>
haben ſich nicht erinnerte, empfing den Saͤnger und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[168/0178]
derte er durch die Gaſſen. Da ſah alles ſo rein und
feſtlich aus, ſchoͤngeputzte Herren und Damen zogen
froͤhlich und ſchimmernd nach den Kirchen. Aber, ach!
die Schoͤnſte war nicht unter ihnen! — Ihm fiel da¬
bei ſein Abenteuer beim geſtrigen Heimzuge ein. Er
ſuchte die Gaſſe auf und fand bald das große ſchoͤne
Haus wieder, aber ſonderbar! die Thuͤre war geſchloſſen,
alle Fenſter feſt zu, es ſchien Niemand darin zu wohnen.
Vergeblich ſchweifte er den ganzen folgenden Tag
in der Gegend umher, um naͤhere Auskunft uͤber ſeine
unbekannte Geliebte zu erhalten, oder ſie, wo moͤglich,
gar wieder zu ſehen. Ihr Palaſt, ſo wie der Garten,
den er in jener Mittagsſtunde zufaͤllig gefunden, war
wie verſunken, auch Donati ließ ſich nicht erblicken.
Ungeduldig ſchlug daher ſein Herz vor Freude und Erwar¬
tung, als er endlich am Abend, der Einladung zufolge,
mit Fortunato, der fortwaͤhrend den Geheimnißvollen
ſpielte, zum Thore hinaus dem Landhauſe zuritt.
Es war ſchon voͤllig dunkel, als ſie draußen an¬
kamen. Mitten in einem Garten, wie es ſchien, lag
eine zierliche Villa mit ſchlanken Saͤulen, uͤber denen
ſich von der Zinne ein zweiter Garten von Orangen
und vielerlei Blumen duftig erhob. Große Kaſtanien¬
baͤume ſtanden umher und ſtreckten kuͤhn und ſeltſam
beleuchtet ihre Rieſenarme zwiſchen den aus den Fen¬
ſtern dringenden Scheinen in die Nacht hinaus. Der
Herr vom Hauſe, ein feiner froͤhlicher Mann von mitt¬
leren Jahren, den aber Florio fruͤher jemals geſehn zu
haben ſich nicht erinnerte, empfing den Saͤnger und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/178>, abgerufen am 28.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.