Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.Neuntes Kapitel. Die treuen Berg' steh'n auf der Wacht: "Wer streicht bei stiller Morgenzeit Da aus der Fremde durch die Haid'?" -- Ich aber mir die Berg' betracht' Und lach' in mich vor großer Lust, Und rufe recht aus frischer Brust Parol und Feldgeschrei sogleich: Vivat Oestreich! Da kennt mich erst die ganze Rund, Nun grüßen Bach und Vöglein zart Und Wälder rings nach Landesart, Die Donau blitzt aus tiefem Grund, Der Stephansthurm auch ganz von fern Guckt übern Berg und säh' mich gern, Und ist er's nicht, so kommt er doch gleich, Vivat Oestreich! Ich stand auf einem hohen Berge, wo man zum Neuntes Kapitel. Die treuen Berg' ſteh'n auf der Wacht: „Wer ſtreicht bei ſtiller Morgenzeit Da aus der Fremde durch die Haid'?“ — Ich aber mir die Berg' betracht' Und lach' in mich vor großer Luſt, Und rufe recht aus friſcher Bruſt Parol und Feldgeſchrei ſogleich: Vivat Oeſtreich! Da kennt mich erſt die ganze Rund, Nun gruͤßen Bach und Voͤglein zart Und Waͤlder rings nach Landesart, Die Donau blitzt aus tiefem Grund, Der Stephansthurm auch ganz von fern Guckt uͤbern Berg und ſaͤh' mich gern, Und iſt er's nicht, ſo kommt er doch gleich, Vivat Oeſtreich! Ich ſtand auf einem hohen Berge, wo man zum <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0119" n="109"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b #g">Neuntes Kapitel.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Die treuen Berg' ſteh'n auf der Wacht:</l><lb/> <l>„Wer ſtreicht bei ſtiller Morgenzeit</l><lb/> <l>Da aus der Fremde durch die Haid'?“ —</l><lb/> <l>Ich aber mir die Berg' betracht'</l><lb/> <l>Und lach' in mich vor großer Luſt,</l><lb/> <l>Und rufe recht aus friſcher Bruſt</l><lb/> <l>Parol und Feldgeſchrei ſogleich:</l><lb/> <l>Vivat Oeſtreich!</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Da kennt mich erſt die ganze Rund,</l><lb/> <l>Nun gruͤßen Bach und Voͤglein zart</l><lb/> <l>Und Waͤlder rings nach Landesart,</l><lb/> <l>Die Donau blitzt aus tiefem Grund,</l><lb/> <l>Der Stephansthurm auch ganz von fern</l><lb/> <l>Guckt uͤbern Berg und ſaͤh' mich gern,</l><lb/> <l>Und iſt er's nicht, ſo kommt er doch gleich,</l><lb/> <l>Vivat Oeſtreich!</l><lb/> </lg> </lg> <p>Ich ſtand auf einem hohen Berge, wo man zum<lb/> erſtenmal nach Oeſtreich hineinſehen kann, und ſchwenkte<lb/> voller Freude noch mit dem Hute und ſang die letzte<lb/> Strophe, da fiel auf einmal hinter mir im Walde eine<lb/> praͤchtige Muſik von Blasinſtrumenten mit ein. Ich<lb/> dreh' mich ſchnell um und erblicke drei junge Geſellen<lb/> in langen blauen Maͤnteln, davon blaͤſt der Eine Oboe,<lb/> der Andere die Klarinett, und der Dritte, der einen al¬<lb/> ten Dreiſtutzer auf dem Kopfe hatte, das Waldhorn —<lb/> die akkompagnirten mich ploͤtzlich, daß der ganze Wald<lb/> erſchallte. Ich, nicht zu faul, ziehe meine Geige her¬<lb/> vor, und ſpiele und ſinge ſogleich friſch mit. Da ſah<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [109/0119]
Neuntes Kapitel.
Die treuen Berg' ſteh'n auf der Wacht:
„Wer ſtreicht bei ſtiller Morgenzeit
Da aus der Fremde durch die Haid'?“ —
Ich aber mir die Berg' betracht'
Und lach' in mich vor großer Luſt,
Und rufe recht aus friſcher Bruſt
Parol und Feldgeſchrei ſogleich:
Vivat Oeſtreich!
Da kennt mich erſt die ganze Rund,
Nun gruͤßen Bach und Voͤglein zart
Und Waͤlder rings nach Landesart,
Die Donau blitzt aus tiefem Grund,
Der Stephansthurm auch ganz von fern
Guckt uͤbern Berg und ſaͤh' mich gern,
Und iſt er's nicht, ſo kommt er doch gleich,
Vivat Oeſtreich!
Ich ſtand auf einem hohen Berge, wo man zum
erſtenmal nach Oeſtreich hineinſehen kann, und ſchwenkte
voller Freude noch mit dem Hute und ſang die letzte
Strophe, da fiel auf einmal hinter mir im Walde eine
praͤchtige Muſik von Blasinſtrumenten mit ein. Ich
dreh' mich ſchnell um und erblicke drei junge Geſellen
in langen blauen Maͤnteln, davon blaͤſt der Eine Oboe,
der Andere die Klarinett, und der Dritte, der einen al¬
ten Dreiſtutzer auf dem Kopfe hatte, das Waldhorn —
die akkompagnirten mich ploͤtzlich, daß der ganze Wald
erſchallte. Ich, nicht zu faul, ziehe meine Geige her¬
vor, und ſpiele und ſinge ſogleich friſch mit. Da ſah
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