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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

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chen darauf klimpern. Sie fand sich auch bald mit
den kleinen Händchen zurecht, und sie sangen dann
zusammen ein italienisches Lied, einmal er, dann wieder
das Mädchen eine Strophe, was sich in dem schönen
stillen Abend prächtig ausnahm. -- Als das Mädchen
dann weggerufen wurde, lehnte sich Herr Eckbrecht mit
der Guitarre auf der Bank zurück, legte seine Füße
auf einen Stuhl, der vor ihm stand, und sang nun für
sich allein viele herrliche deutsche und italienische Lieder,
ohne sich weiter um uns zu bekümmern. Dabei schie¬
nen die Sterne prächtig am klaren Firmament, die
ganze Gegend war wie versilbert vom Mondschein, ich
dachte an die schöne Fraue, an die ferne Heimath, und
vergaß darüber ganz meinen Maler neben mir. Zu¬
weilen mußte Herr Eckbrecht stimmen, darüber wurde
er immer ganz zornig. Er drehte und riß zuletzt an
dem Instrument, daß plötzlich eine Saite sprang. Da
warf er die Guitarre hin und sprang auf. Nun wurde
er erst gewahr, daß mein Maler sich unterdeß über
seinen Arm auf den Tisch gelegt hatte und fest einge¬
schlafen war. Er warf schnell einen weißen Mantel
um, der auf einem Aste neben dem Tische hing, besann
sich aber plötzlich, sah erst meinen Maler, dann mich
ein paarmal scharf an, setzte sich darauf, ohne sich lange
zu bedenken, grade vor mich auf den Tisch hin, räus¬
perte sich, rückte an seiner Halsbinde, und fing dann
auf einmal an, eine Rede an mich zu halten. "Ge¬
liebter Zuhörer und Landsmann!" sagte er, "da die
Flaschen beinah leer sind, und da die Moral unstreitig

chen darauf klimpern. Sie fand ſich auch bald mit
den kleinen Haͤndchen zurecht, und ſie ſangen dann
zuſammen ein italieniſches Lied, einmal er, dann wieder
das Maͤdchen eine Strophe, was ſich in dem ſchoͤnen
ſtillen Abend praͤchtig ausnahm. — Als das Maͤdchen
dann weggerufen wurde, lehnte ſich Herr Eckbrecht mit
der Guitarre auf der Bank zuruͤck, legte ſeine Fuͤße
auf einen Stuhl, der vor ihm ſtand, und ſang nun fuͤr
ſich allein viele herrliche deutſche und italieniſche Lieder,
ohne ſich weiter um uns zu bekuͤmmern. Dabei ſchie¬
nen die Sterne praͤchtig am klaren Firmament, die
ganze Gegend war wie verſilbert vom Mondſchein, ich
dachte an die ſchoͤne Fraue, an die ferne Heimath, und
vergaß daruͤber ganz meinen Maler neben mir. Zu¬
weilen mußte Herr Eckbrecht ſtimmen, daruͤber wurde
er immer ganz zornig. Er drehte und riß zuletzt an
dem Inſtrument, daß ploͤtzlich eine Saite ſprang. Da
warf er die Guitarre hin und ſprang auf. Nun wurde
er erſt gewahr, daß mein Maler ſich unterdeß uͤber
ſeinen Arm auf den Tiſch gelegt hatte und feſt einge¬
ſchlafen war. Er warf ſchnell einen weißen Mantel
um, der auf einem Aſte neben dem Tiſche hing, beſann
ſich aber ploͤtzlich, ſah erſt meinen Maler, dann mich
ein paarmal ſcharf an, ſetzte ſich darauf, ohne ſich lange
zu bedenken, grade vor mich auf den Tiſch hin, raͤus¬
perte ſich, ruͤckte an ſeiner Halsbinde, und fing dann
auf einmal an, eine Rede an mich zu halten. „Ge¬
liebter Zuhoͤrer und Landsmann!“ ſagte er, „da die
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[101/0111] chen darauf klimpern. Sie fand ſich auch bald mit den kleinen Haͤndchen zurecht, und ſie ſangen dann zuſammen ein italieniſches Lied, einmal er, dann wieder das Maͤdchen eine Strophe, was ſich in dem ſchoͤnen ſtillen Abend praͤchtig ausnahm. — Als das Maͤdchen dann weggerufen wurde, lehnte ſich Herr Eckbrecht mit der Guitarre auf der Bank zuruͤck, legte ſeine Fuͤße auf einen Stuhl, der vor ihm ſtand, und ſang nun fuͤr ſich allein viele herrliche deutſche und italieniſche Lieder, ohne ſich weiter um uns zu bekuͤmmern. Dabei ſchie¬ nen die Sterne praͤchtig am klaren Firmament, die ganze Gegend war wie verſilbert vom Mondſchein, ich dachte an die ſchoͤne Fraue, an die ferne Heimath, und vergaß daruͤber ganz meinen Maler neben mir. Zu¬ weilen mußte Herr Eckbrecht ſtimmen, daruͤber wurde er immer ganz zornig. Er drehte und riß zuletzt an dem Inſtrument, daß ploͤtzlich eine Saite ſprang. Da warf er die Guitarre hin und ſprang auf. Nun wurde er erſt gewahr, daß mein Maler ſich unterdeß uͤber ſeinen Arm auf den Tiſch gelegt hatte und feſt einge¬ ſchlafen war. Er warf ſchnell einen weißen Mantel um, der auf einem Aſte neben dem Tiſche hing, beſann ſich aber ploͤtzlich, ſah erſt meinen Maler, dann mich ein paarmal ſcharf an, ſetzte ſich darauf, ohne ſich lange zu bedenken, grade vor mich auf den Tiſch hin, raͤus¬ perte ſich, ruͤckte an ſeiner Halsbinde, und fing dann auf einmal an, eine Rede an mich zu halten. „Ge¬ liebter Zuhoͤrer und Landsmann!“ ſagte er, „da die Flaſchen beinah leer ſind, und da die Moral unſtreitig

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/111>, abgerufen am 23.11.2024.