vom Feuer, holten Brod aus ihren Manteltaschen her¬ vor, und tunkten und tranken abwechselnd aus dem Topfe, und es schmeckte ihnen so gut, daß es ordent¬ lich eine Lust war anzusehen. -- Der Waldhornist aber sagte: "Ich kann das schwarze Gesöff nicht vertragen," und reichte mir dabei die eine Hälfte von einer großen übereinander gelegten Butterschnitte, dann brachte er eine Flasche Wein zum Vorschein. "Will der Herr nicht auch einen Schluck?" -- Ich that einen tüchtigen Zug, mußte aber schnell wieder absetzen und das ganze Gesicht verziehn, denn es schmeckte wie Drei-Männer- Wein. "Hiesiges Gewächs," sagte der Waldhornist, "aber der Herr hat sich in Italien den deutschen Ge¬ schmack verdorben."
Darauf kramte er eifrig in seinem Schubsack und zog endlich unter allerlei Plunder eine alte zerfetzte Landkarte hervor, worauf noch der Kaiser in vollem Ornate zu sehen war, den Zepter in der rechten, den Reichsapfel in der linken Hand. Er breitete sie auf dem Boden behutsam auseinander, die Andern rückten näher heran, und sie berathschlagten nun zusammen, was sie für eine Marschroute nehmen sollten.
"Die Vakanz geht bald zu Ende," sagte der Eine, "wir müssen uns gleich von Linz links abwenden, so kommen wir noch bei guter Zeit nach Prag." -- "Nun wahrhaftig!" rief der Waldhornist, "wem willst Du da was vorpfeifen? nichts als Wälder und Kohlenbau¬ ern, kein geläuterter Kunstgeschmack, keine vernünftige freie Station!" -- "O Narrenspossen!" erwiederte
vom Feuer, holten Brod aus ihren Manteltaſchen her¬ vor, und tunkten und tranken abwechſelnd aus dem Topfe, und es ſchmeckte ihnen ſo gut, daß es ordent¬ lich eine Luſt war anzuſehen. — Der Waldhorniſt aber ſagte: „Ich kann das ſchwarze Geſoͤff nicht vertragen,“ und reichte mir dabei die eine Haͤlfte von einer großen uͤbereinander gelegten Butterſchnitte, dann brachte er eine Flaſche Wein zum Vorſchein. „Will der Herr nicht auch einen Schluck?“ — Ich that einen tuͤchtigen Zug, mußte aber ſchnell wieder abſetzen und das ganze Geſicht verziehn, denn es ſchmeckte wie Drei-Maͤnner- Wein. „Hieſiges Gewaͤchs,“ ſagte der Waldhorniſt, „aber der Herr hat ſich in Italien den deutſchen Ge¬ ſchmack verdorben.“
Darauf kramte er eifrig in ſeinem Schubſack und zog endlich unter allerlei Plunder eine alte zerfetzte Landkarte hervor, worauf noch der Kaiſer in vollem Ornate zu ſehen war, den Zepter in der rechten, den Reichsapfel in der linken Hand. Er breitete ſie auf dem Boden behutſam auseinander, die Andern ruͤckten naͤher heran, und ſie berathſchlagten nun zuſammen, was ſie fuͤr eine Marſchroute nehmen ſollten.
„Die Vakanz geht bald zu Ende,“ ſagte der Eine, „wir muͤſſen uns gleich von Linz links abwenden, ſo kommen wir noch bei guter Zeit nach Prag.“ — „Nun wahrhaftig!“ rief der Waldhorniſt, „wem willſt Du da was vorpfeifen? nichts als Waͤlder und Kohlenbau¬ ern, kein gelaͤuterter Kunſtgeſchmack, keine vernuͤnftige freie Station!“ — „O Narrenspoſſen!“ erwiederte
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vom Feuer, holten Brod aus ihren Manteltaſchen her¬
vor, und tunkten und tranken abwechſelnd aus dem
Topfe, und es ſchmeckte ihnen ſo gut, daß es ordent¬
lich eine Luſt war anzuſehen. — Der Waldhorniſt aber
ſagte: „Ich kann das ſchwarze Geſoͤff nicht vertragen,“
und reichte mir dabei die eine Haͤlfte von einer großen
uͤbereinander gelegten Butterſchnitte, dann brachte er
eine Flaſche Wein zum Vorſchein. „Will der Herr nicht
auch einen Schluck?“ — Ich that einen tuͤchtigen
Zug, mußte aber ſchnell wieder abſetzen und das ganze
Geſicht verziehn, denn es ſchmeckte wie Drei-Maͤnner-
Wein. „Hieſiges Gewaͤchs,“ ſagte der Waldhorniſt,
„aber der Herr hat ſich in Italien den deutſchen Ge¬
ſchmack verdorben.“
Darauf kramte er eifrig in ſeinem Schubſack und
zog endlich unter allerlei Plunder eine alte zerfetzte
Landkarte hervor, worauf noch der Kaiſer in vollem
Ornate zu ſehen war, den Zepter in der rechten, den
Reichsapfel in der linken Hand. Er breitete ſie auf
dem Boden behutſam auseinander, die Andern ruͤckten
naͤher heran, und ſie berathſchlagten nun zuſammen,
was ſie fuͤr eine Marſchroute nehmen ſollten.
„Die Vakanz geht bald zu Ende,“ ſagte der Eine,
„wir muͤſſen uns gleich von Linz links abwenden, ſo
kommen wir noch bei guter Zeit nach Prag.“ — „Nun
wahrhaftig!“ rief der Waldhorniſt, „wem willſt Du
da was vorpfeifen? nichts als Waͤlder und Kohlenbau¬
ern, kein gelaͤuterter Kunſtgeſchmack, keine vernuͤnftige
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Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/121>, abgerufen am 14.08.2024.
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