Einer den Andern bedenklich an, der Waldhornist ließ dann zuerst seine Bausbacken wieder einfallen und setzte sein Waldhorn ab, bis am Ende Alle stille wurden, und mich anschauten. Ich hielt verwundert ein, und sah sie auch an. -- "Wir meinten," sagte endlich der Waldhornist, "weil der Herr so einen langen Frack hat, der Herr wäre ein reisender Engländer, der hier zu Fuß die schöne Natur bewundert; da wollten wir uns ein Viatikum verdienen. Aber, mir scheint, der Herr ist selber ein Musikant." -- "Eigentlich ein Einneh¬ mer," versetzte ich, "und komme direkt von Rom her, da ich aber seit geraumer Zeit nichts mehr eingenom¬ men, so habe ich mich unterweges mit der Violine durchgeschlagen[.]" -- "Bringt nicht viel heut zu Tage!" sagte der Waldhornist, der unterdeß wieder an den Wald zurückgetreten war, und mit seinem Dreistutzer ein kleines Feuer anfachte, das sie dort angezündet hat¬ ten. "Da gehn die blasenden Instrumente schon bes¬ ser," fuhr er fort; "wenn so eine Herrschaft ganz ruhig zu Mittag speißt, und wir treten unverhofft in das ge¬ wölbte Vorhaus und fangen alle drei aus Leibeskräften zu blasen an -- gleich kommt ein Bedienter herausge¬ sprungen mit Geld oder Essen, damit sie nur den Lärm wieder los werden. Aber will der Herr nicht eine Collation mit uns einnehmen?"
Das Feuer loderte nun recht lustig im Walde, der Morgen war frisch, wie setzten uns alle rings umher auf den Rasen, und zwei von den Musikanten nahmen ein Töpfchen, worin Kaffee und auch schon Milch war,
Einer den Andern bedenklich an, der Waldhorniſt ließ dann zuerſt ſeine Bausbacken wieder einfallen und ſetzte ſein Waldhorn ab, bis am Ende Alle ſtille wurden, und mich anſchauten. Ich hielt verwundert ein, und ſah ſie auch an. — „Wir meinten,“ ſagte endlich der Waldhorniſt, „weil der Herr ſo einen langen Frack hat, der Herr waͤre ein reiſender Englaͤnder, der hier zu Fuß die ſchoͤne Natur bewundert; da wollten wir uns ein Viatikum verdienen. Aber, mir ſcheint, der Herr iſt ſelber ein Muſikant.“ — „Eigentlich ein Einneh¬ mer,“ verſetzte ich, „und komme direkt von Rom her, da ich aber ſeit geraumer Zeit nichts mehr eingenom¬ men, ſo habe ich mich unterweges mit der Violine durchgeſchlagen[.]“ — „Bringt nicht viel heut zu Tage!“ ſagte der Waldhorniſt, der unterdeß wieder an den Wald zuruͤckgetreten war, und mit ſeinem Dreiſtutzer ein kleines Feuer anfachte, das ſie dort angezuͤndet hat¬ ten. „Da gehn die blaſenden Inſtrumente ſchon beſ¬ ſer,“ fuhr er fort; „wenn ſo eine Herrſchaft ganz ruhig zu Mittag ſpeißt, und wir treten unverhofft in das ge¬ woͤlbte Vorhaus und fangen alle drei aus Leibeskraͤften zu blaſen an — gleich kommt ein Bedienter herausge¬ ſprungen mit Geld oder Eſſen, damit ſie nur den Laͤrm wieder los werden. Aber will der Herr nicht eine Collation mit uns einnehmen?“
Das Feuer loderte nun recht luſtig im Walde, der Morgen war friſch, wie ſetzten uns alle rings umher auf den Raſen, und zwei von den Muſikanten nahmen ein Toͤpfchen, worin Kaffee und auch ſchon Milch war,
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Einer den Andern bedenklich an, der Waldhorniſt ließ
dann zuerſt ſeine Bausbacken wieder einfallen und ſetzte
ſein Waldhorn ab, bis am Ende Alle ſtille wurden, und
mich anſchauten. Ich hielt verwundert ein, und ſah
ſie auch an. — „Wir meinten,“ ſagte endlich der
Waldhorniſt, „weil der Herr ſo einen langen Frack hat,
der Herr waͤre ein reiſender Englaͤnder, der hier zu
Fuß die ſchoͤne Natur bewundert; da wollten wir uns
ein Viatikum verdienen. Aber, mir ſcheint, der Herr
iſt ſelber ein Muſikant.“ — „Eigentlich ein Einneh¬
mer,“ verſetzte ich, „und komme direkt von Rom her,
da ich aber ſeit geraumer Zeit nichts mehr eingenom¬
men, ſo habe ich mich unterweges mit der Violine
durchgeſchlagen.“ — „Bringt nicht viel heut zu Tage!“
ſagte der Waldhorniſt, der unterdeß wieder an den
Wald zuruͤckgetreten war, und mit ſeinem Dreiſtutzer
ein kleines Feuer anfachte, das ſie dort angezuͤndet hat¬
ten. „Da gehn die blaſenden Inſtrumente ſchon beſ¬
ſer,“ fuhr er fort; „wenn ſo eine Herrſchaft ganz ruhig
zu Mittag ſpeißt, und wir treten unverhofft in das ge¬
woͤlbte Vorhaus und fangen alle drei aus Leibeskraͤften
zu blaſen an — gleich kommt ein Bedienter herausge¬
ſprungen mit Geld oder Eſſen, damit ſie nur den
Laͤrm wieder los werden. Aber will der Herr nicht
eine Collation mit uns einnehmen?“
Das Feuer loderte nun recht luſtig im Walde, der
Morgen war friſch, wie ſetzten uns alle rings umher
auf den Raſen, und zwei von den Muſikanten nahmen
ein Toͤpfchen, worin Kaffee und auch ſchon Milch war,
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Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/120>, abgerufen am 13.08.2024.
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