Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Die Glücksritter. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 87–159. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Gedanken, da soll der Mensch sich auch bedenken. Alle weltliche Lust, Hoheit und Pracht, die Nacht hat Alles umgeworfen, die wunderbare Königin der Einsamkeit, denn ihr Reich ist nicht von dieser Welt. Sie steigt auf alle Berge und stellt sich auf die Zinnen der Schlösser und schlägt mahnend die Glocken an, aber es hört es Niemand als die armen Kranken, und Niemand hört die Gewichte der Thurmuhr schnurren und den Pendel der Zeit gehn in der stillen Stadt. Der Schlaf probirt heimlich den Tod, und der Traum die Ewigkeit. Da hab' ich immer meine schönsten --

Hier überwältigte ihn unversehens der Schlaf, er nickte ein paarmal mit seinem dreieckigen Tressenhut; dann plötzlich ein Weilchen wieder hinausstarrend, in abgebrochenen Sätzen wie eine abgelaufene Spieluhr: meine schönsten Gedanken, hub er noch einmal an -- in der Nacht, wo Laub und Fledermaus und Igel und Iltis verworren miteinander flüstern -- und der Mensch im Traume -- ihre Sprache versteht. --

Jetzt aber hatte die Nacht ihn selber umgeworfen. Klarinett horchte noch immer hin, denn es war ihm wirklich bei den Worten, als hört' er des Einsiedels Glöcklein fern überm Wald. Er zog, da Suppius nun fest schlief, das Wagenfenster vorsichtig wieder auf; dann lehnt' er in Gedanken die Stirn an die Scheibe, da hörte er vom Stall her wieder das einförmige Schnurzen der Pferde beim Futter, und über ihm rauschte der Baum und seitwärts die Saale hinter dem

Gedanken, da soll der Mensch sich auch bedenken. Alle weltliche Lust, Hoheit und Pracht, die Nacht hat Alles umgeworfen, die wunderbare Königin der Einsamkeit, denn ihr Reich ist nicht von dieser Welt. Sie steigt auf alle Berge und stellt sich auf die Zinnen der Schlösser und schlägt mahnend die Glocken an, aber es hört es Niemand als die armen Kranken, und Niemand hört die Gewichte der Thurmuhr schnurren und den Pendel der Zeit gehn in der stillen Stadt. Der Schlaf probirt heimlich den Tod, und der Traum die Ewigkeit. Da hab' ich immer meine schönsten —

Hier überwältigte ihn unversehens der Schlaf, er nickte ein paarmal mit seinem dreieckigen Tressenhut; dann plötzlich ein Weilchen wieder hinausstarrend, in abgebrochenen Sätzen wie eine abgelaufene Spieluhr: meine schönsten Gedanken, hub er noch einmal an — in der Nacht, wo Laub und Fledermaus und Igel und Iltis verworren miteinander flüstern — und der Mensch im Traume — ihre Sprache versteht. —

Jetzt aber hatte die Nacht ihn selber umgeworfen. Klarinett horchte noch immer hin, denn es war ihm wirklich bei den Worten, als hört' er des Einsiedels Glöcklein fern überm Wald. Er zog, da Suppius nun fest schlief, das Wagenfenster vorsichtig wieder auf; dann lehnt' er in Gedanken die Stirn an die Scheibe, da hörte er vom Stall her wieder das einförmige Schnurzen der Pferde beim Futter, und über ihm rauschte der Baum und seitwärts die Saale hinter dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <p><pb facs="#f0034"/>
Gedanken, da soll der Mensch sich auch      bedenken. Alle weltliche Lust, Hoheit und Pracht, die Nacht hat Alles umgeworfen, die      wunderbare Königin der Einsamkeit, denn ihr Reich ist nicht von dieser Welt. Sie steigt auf      alle Berge und stellt sich auf die Zinnen der Schlösser und schlägt mahnend die Glocken an,      aber es hört es Niemand als die armen Kranken, und Niemand hört die Gewichte der Thurmuhr      schnurren und den Pendel der Zeit gehn in der stillen Stadt. Der Schlaf probirt heimlich den      Tod, und der Traum die Ewigkeit. Da hab' ich immer meine schönsten &#x2014;</p><lb/>
        <p>Hier überwältigte ihn unversehens der Schlaf, er nickte ein paarmal mit seinem dreieckigen      Tressenhut; dann plötzlich ein Weilchen wieder hinausstarrend, in abgebrochenen Sätzen wie eine      abgelaufene Spieluhr: meine schönsten Gedanken, hub er noch einmal an &#x2014; in der Nacht, wo Laub      und Fledermaus und Igel und Iltis verworren miteinander flüstern &#x2014; und der Mensch im Traume &#x2014;      ihre Sprache versteht. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Jetzt aber hatte die Nacht ihn selber umgeworfen. Klarinett horchte noch immer hin, denn es      war ihm wirklich bei den Worten, als hört' er des Einsiedels Glöcklein fern überm Wald. Er zog,      da Suppius nun fest schlief, das Wagenfenster vorsichtig wieder auf; dann lehnt' er in Gedanken      die Stirn an die Scheibe, da hörte er vom Stall her wieder das einförmige Schnurzen der Pferde      beim Futter, und über ihm rauschte der Baum und seitwärts die Saale hinter dem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0034] Gedanken, da soll der Mensch sich auch bedenken. Alle weltliche Lust, Hoheit und Pracht, die Nacht hat Alles umgeworfen, die wunderbare Königin der Einsamkeit, denn ihr Reich ist nicht von dieser Welt. Sie steigt auf alle Berge und stellt sich auf die Zinnen der Schlösser und schlägt mahnend die Glocken an, aber es hört es Niemand als die armen Kranken, und Niemand hört die Gewichte der Thurmuhr schnurren und den Pendel der Zeit gehn in der stillen Stadt. Der Schlaf probirt heimlich den Tod, und der Traum die Ewigkeit. Da hab' ich immer meine schönsten — Hier überwältigte ihn unversehens der Schlaf, er nickte ein paarmal mit seinem dreieckigen Tressenhut; dann plötzlich ein Weilchen wieder hinausstarrend, in abgebrochenen Sätzen wie eine abgelaufene Spieluhr: meine schönsten Gedanken, hub er noch einmal an — in der Nacht, wo Laub und Fledermaus und Igel und Iltis verworren miteinander flüstern — und der Mensch im Traume — ihre Sprache versteht. — Jetzt aber hatte die Nacht ihn selber umgeworfen. Klarinett horchte noch immer hin, denn es war ihm wirklich bei den Worten, als hört' er des Einsiedels Glöcklein fern überm Wald. Er zog, da Suppius nun fest schlief, das Wagenfenster vorsichtig wieder auf; dann lehnt' er in Gedanken die Stirn an die Scheibe, da hörte er vom Stall her wieder das einförmige Schnurzen der Pferde beim Futter, und über ihm rauschte der Baum und seitwärts die Saale hinter dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T14:27:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T14:27:42Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gluecksritter_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gluecksritter_1910/34
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Die Glücksritter. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 87–159. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gluecksritter_1910/34>, abgerufen am 22.11.2024.