Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Die Glücksritter. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 87–159. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

jauchzend über den Weg: kiwitt, kiwitt, was hat dein Rock für einen schönen Schnitt!

So ging's wie im Fluge fort, es wurde allmählich dunkel, jetzt klangen schon deutlich die Abendglocken über den Wald herüber. Sind wir bald dort? fragte eine wunderliebliche Stimme aus dem Wagen. -- Gleich, gleich, antwortete rasch der Bursch, der sich in der Freude vergessen; da bemerkten sie ihn erst alle. Wart, ich will dir herunterhelfen, rief der Postillon und hieb mit der Peitsche zurück nach ihm; eine Hand haspelte eifrig von innen am Wagenfenster. Indem aber fuhren sie eben an einer Gartenmauer hin, über die der Ast eines Apfelbaumes weit herauslangte, der Bursch hatte ihn schon gefaßt und schwang sich behend auf die Mauer und von der Mauer auf den Baum. Darüber öffnete sich das Glasfenster der Kutsche, ein junges Mädchengesichtchen guckte neugierig hervor. Gott, wie ist die schön! rief der Bursch und schüttelte aus Leibeskräften den Baum vor Lust, daß der Wagen im Vorbeifliegen ganz von Blüthen verschneit war. Ueber dem Schütteln aber flog ihm droben der Hut vom Kopf, er wollte ihn haschen, darüber verlor er sein Bündel, und eh' er sich's versah, fuhren Hut und Bündel und Bursch prasselnd zwischen den Zweigen in den fremden Garten hinab.

Jetzt that's plötzlich unten einen lauten Schrei, er aber erschrak am allermeisten, denn als er aufblickte, bemerkte er in der Dunkelheit eine Dame und einen

jauchzend über den Weg: kiwitt, kiwitt, was hat dein Rock für einen schönen Schnitt!

So ging's wie im Fluge fort, es wurde allmählich dunkel, jetzt klangen schon deutlich die Abendglocken über den Wald herüber. Sind wir bald dort? fragte eine wunderliebliche Stimme aus dem Wagen. — Gleich, gleich, antwortete rasch der Bursch, der sich in der Freude vergessen; da bemerkten sie ihn erst alle. Wart, ich will dir herunterhelfen, rief der Postillon und hieb mit der Peitsche zurück nach ihm; eine Hand haspelte eifrig von innen am Wagenfenster. Indem aber fuhren sie eben an einer Gartenmauer hin, über die der Ast eines Apfelbaumes weit herauslangte, der Bursch hatte ihn schon gefaßt und schwang sich behend auf die Mauer und von der Mauer auf den Baum. Darüber öffnete sich das Glasfenster der Kutsche, ein junges Mädchengesichtchen guckte neugierig hervor. Gott, wie ist die schön! rief der Bursch und schüttelte aus Leibeskräften den Baum vor Lust, daß der Wagen im Vorbeifliegen ganz von Blüthen verschneit war. Ueber dem Schütteln aber flog ihm droben der Hut vom Kopf, er wollte ihn haschen, darüber verlor er sein Bündel, und eh' er sich's versah, fuhren Hut und Bündel und Bursch prasselnd zwischen den Zweigen in den fremden Garten hinab.

Jetzt that's plötzlich unten einen lauten Schrei, er aber erschrak am allermeisten, denn als er aufblickte, bemerkte er in der Dunkelheit eine Dame und einen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="1">
        <p><pb facs="#f0010"/>
jauchzend über den Weg: kiwitt, kiwitt, was hat dein Rock für einen schönen Schnitt!</p><lb/>
        <p>So ging's wie im Fluge fort, es wurde allmählich dunkel, jetzt klangen schon deutlich die      Abendglocken über den Wald herüber. Sind wir bald dort? fragte eine wunderliebliche Stimme aus      dem Wagen. &#x2014; Gleich, gleich, antwortete rasch der Bursch, der sich in der Freude vergessen; da      bemerkten sie ihn erst alle. Wart, ich will dir herunterhelfen, rief der Postillon und hieb mit      der Peitsche zurück nach ihm; eine Hand haspelte eifrig von innen am Wagenfenster. Indem aber      fuhren sie eben an einer Gartenmauer hin, über die der Ast eines Apfelbaumes weit herauslangte,      der Bursch hatte ihn schon gefaßt und schwang sich behend auf die Mauer und von der Mauer auf      den Baum. Darüber öffnete sich das Glasfenster der Kutsche, ein junges Mädchengesichtchen      guckte neugierig hervor. Gott, wie ist die schön! rief der Bursch und schüttelte aus      Leibeskräften den Baum vor Lust, daß der Wagen im Vorbeifliegen ganz von Blüthen verschneit      war. Ueber dem Schütteln aber flog ihm droben der Hut vom Kopf, er wollte ihn haschen, darüber      verlor er sein Bündel, und eh' er sich's versah, fuhren Hut und Bündel und Bursch prasselnd      zwischen den Zweigen in den fremden Garten hinab.</p><lb/>
        <p>Jetzt that's plötzlich unten einen lauten Schrei, er aber erschrak am allermeisten, denn als      er aufblickte, bemerkte er in der Dunkelheit eine Dame und einen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0010] jauchzend über den Weg: kiwitt, kiwitt, was hat dein Rock für einen schönen Schnitt! So ging's wie im Fluge fort, es wurde allmählich dunkel, jetzt klangen schon deutlich die Abendglocken über den Wald herüber. Sind wir bald dort? fragte eine wunderliebliche Stimme aus dem Wagen. — Gleich, gleich, antwortete rasch der Bursch, der sich in der Freude vergessen; da bemerkten sie ihn erst alle. Wart, ich will dir herunterhelfen, rief der Postillon und hieb mit der Peitsche zurück nach ihm; eine Hand haspelte eifrig von innen am Wagenfenster. Indem aber fuhren sie eben an einer Gartenmauer hin, über die der Ast eines Apfelbaumes weit herauslangte, der Bursch hatte ihn schon gefaßt und schwang sich behend auf die Mauer und von der Mauer auf den Baum. Darüber öffnete sich das Glasfenster der Kutsche, ein junges Mädchengesichtchen guckte neugierig hervor. Gott, wie ist die schön! rief der Bursch und schüttelte aus Leibeskräften den Baum vor Lust, daß der Wagen im Vorbeifliegen ganz von Blüthen verschneit war. Ueber dem Schütteln aber flog ihm droben der Hut vom Kopf, er wollte ihn haschen, darüber verlor er sein Bündel, und eh' er sich's versah, fuhren Hut und Bündel und Bursch prasselnd zwischen den Zweigen in den fremden Garten hinab. Jetzt that's plötzlich unten einen lauten Schrei, er aber erschrak am allermeisten, denn als er aufblickte, bemerkte er in der Dunkelheit eine Dame und einen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T14:27:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T14:27:42Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gluecksritter_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gluecksritter_1910/10
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Die Glücksritter. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 87–159. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gluecksritter_1910/10>, abgerufen am 24.11.2024.