Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
So wurden sie immer gescheuter
Und applizirten sich recht --
Das wurden ansehnliche Leute,
Befanden sich gar nicht schlecht.
Den andern war's, wenn die Aue
Noch dämmert' im Frühlingsschein,
Als zöge ein Engel durch's Blaue
Und rief' die Gesellen sein.
Die suchten den alten Hügel,
Der lag so hoch und weit --
Und dehnten sehnsüchtig die Flügel,
Mit jeder Frühlingszeit.
Die Flügeldecken zersprangen,
Weit, morgenschön strahlt' die Welt,
Und über's Grün sie sich schwangen
Bis an das Himmelszelt.
Das fanden sie droben verschlossen,
Versäumten unten die Zeit --
So irrten die kühnen Genossen
Verlassen in Lust und Leid.
Und als es nun kam zum Sterben,
Gott Vater zur Erden trat,
Seine Kinder wieder zu werben,
Die der Storch vertragen hat.
So wurden ſie immer geſcheuter
Und applizirten ſich recht —
Das wurden anſehnliche Leute,
Befanden ſich gar nicht ſchlecht.
Den andern war's, wenn die Aue
Noch daͤmmert' im Fruͤhlingsſchein,
Als zoͤge ein Engel durch's Blaue
Und rief' die Geſellen ſein.
Die ſuchten den alten Huͤgel,
Der lag ſo hoch und weit —
Und dehnten ſehnſuͤchtig die Fluͤgel,
Mit jeder Fruͤhlingszeit.
Die Fluͤgeldecken zerſprangen,
Weit, morgenſchoͤn ſtrahlt' die Welt,
Und uͤber's Gruͤn ſie ſich ſchwangen
Bis an das Himmelszelt.
Das fanden ſie droben verſchloſſen,
Verſaͤumten unten die Zeit —
So irrten die kuͤhnen Genoſſen
Verlaſſen in Luſt und Leid.
Und als es nun kam zum Sterben,
Gott Vater zur Erden trat,
Seine Kinder wieder zu werben,
Die der Storch vertragen hat.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0498" n="480"/>
          <lg type="poem">
            <l>So wurden &#x017F;ie immer ge&#x017F;cheuter</l><lb/>
            <l>Und applizirten &#x017F;ich recht &#x2014;</l><lb/>
            <l>Das wurden an&#x017F;ehnliche Leute,</l><lb/>
            <l>Befanden &#x017F;ich gar nicht &#x017F;chlecht.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Den andern war's, wenn die Aue</l><lb/>
            <l>Noch da&#x0364;mmert' im Fru&#x0364;hlings&#x017F;chein,</l><lb/>
            <l>Als zo&#x0364;ge ein Engel durch's Blaue</l><lb/>
            <l>Und rief' die Ge&#x017F;ellen &#x017F;ein.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Die &#x017F;uchten den alten Hu&#x0364;gel,</l><lb/>
            <l>Der lag &#x017F;o hoch und weit &#x2014;</l><lb/>
            <l>Und dehnten &#x017F;ehn&#x017F;u&#x0364;chtig die Flu&#x0364;gel,</l><lb/>
            <l>Mit jeder Fru&#x0364;hlingszeit.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Die Flu&#x0364;geldecken zer&#x017F;prangen,</l><lb/>
            <l>Weit, morgen&#x017F;cho&#x0364;n &#x017F;trahlt' die Welt,</l><lb/>
            <l>Und u&#x0364;ber's Gru&#x0364;n &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;chwangen</l><lb/>
            <l>Bis an das Himmelszelt.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Das fanden &#x017F;ie droben ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Ver&#x017F;a&#x0364;umten unten die Zeit &#x2014;</l><lb/>
            <l>So irrten die ku&#x0364;hnen Geno&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
            <l>Verla&#x017F;&#x017F;en in Lu&#x017F;t und Leid.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Und als es nun kam zum Sterben,</l><lb/>
            <l>Gott Vater zur Erden trat,</l><lb/>
            <l>Seine Kinder wieder zu werben,</l><lb/>
            <l>Die der Storch vertragen hat.</l><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[480/0498] So wurden ſie immer geſcheuter Und applizirten ſich recht — Das wurden anſehnliche Leute, Befanden ſich gar nicht ſchlecht. Den andern war's, wenn die Aue Noch daͤmmert' im Fruͤhlingsſchein, Als zoͤge ein Engel durch's Blaue Und rief' die Geſellen ſein. Die ſuchten den alten Huͤgel, Der lag ſo hoch und weit — Und dehnten ſehnſuͤchtig die Fluͤgel, Mit jeder Fruͤhlingszeit. Die Fluͤgeldecken zerſprangen, Weit, morgenſchoͤn ſtrahlt' die Welt, Und uͤber's Gruͤn ſie ſich ſchwangen Bis an das Himmelszelt. Das fanden ſie droben verſchloſſen, Verſaͤumten unten die Zeit — So irrten die kuͤhnen Genoſſen Verlaſſen in Luſt und Leid. Und als es nun kam zum Sterben, Gott Vater zur Erden trat, Seine Kinder wieder zu werben, Die der Storch vertragen hat.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/498
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/498>, abgerufen am 22.11.2024.