wüthend mit dem Ellbogen aus dem Aermel und be¬ hauptete, das Loch sei erst von jetzt, alle keiften auf Lothario los, während ihnen Fabitz unvermerkt ihr Bier austrank. Lothario aber hatte unterdeß vom Reisewagen schnell eine Trommel geholt, setzte sich da¬ mit auf den Tisch, und begann lustig zu wirbeln, bald piano bald crescendo, nach der jedesmaligen Stim¬ mung des Redenden. Kein Mensch konnte sein eigenes Wort verstehen, die Zänker schrien sich ganz heiser, und verloren die Geduld, einige lachten, Lothario trommelte immerfort, bis alle nach und nach den Platz geräumt, und der Letzte zornig die Hausthür hinter sich zugeschmissen hatte. Nur Kordelchen war zurück¬ geblieben. Sie setzte sich trotzig neben Lothario auf den Tisch. Und ich bleibe grade noch draußen, sagte sie, mir gefällt die Nacht. Ueberhaupt, fuhr sie fort, ich habe dir's schon oft gesagt, dieses stolze, herrische, hochfahrende Wesen sollst du mir endlich einmal ganz lassen! -- Ich bitte dich, erwiederte Lothario die Trommel weglegend, du bist sonst gescheut, und ich kann dich wohl leiden, aber mit dem Lassen und An¬ derswerden, Kind, da ist gar nicht die Rede davon bei mir! -- Kordelchen sah ihn eine Weile an, dann brach sie plötzlich in lautes Lachen aus. Das wollt' ich nur, sagte sie, es steht dir gar zu schön, wenn du zornig bist. Gute Nacht! hiermit gab sie ihm einen Kuß, und war schnell im Hause verschwunden.
wuͤthend mit dem Ellbogen aus dem Aermel und be¬ hauptete, das Loch ſei erſt von jetzt, alle keiften auf Lothario los, waͤhrend ihnen Fabitz unvermerkt ihr Bier austrank. Lothario aber hatte unterdeß vom Reiſewagen ſchnell eine Trommel geholt, ſetzte ſich da¬ mit auf den Tiſch, und begann luſtig zu wirbeln, bald piano bald creſcendo, nach der jedesmaligen Stim¬ mung des Redenden. Kein Menſch konnte ſein eigenes Wort verſtehen, die Zaͤnker ſchrien ſich ganz heiſer, und verloren die Geduld, einige lachten, Lothario trommelte immerfort, bis alle nach und nach den Platz geraͤumt, und der Letzte zornig die Hausthuͤr hinter ſich zugeſchmiſſen hatte. Nur Kordelchen war zuruͤck¬ geblieben. Sie ſetzte ſich trotzig neben Lothario auf den Tiſch. Und ich bleibe grade noch draußen, ſagte ſie, mir gefaͤllt die Nacht. Ueberhaupt, fuhr ſie fort, ich habe dir's ſchon oft geſagt, dieſes ſtolze, herriſche, hochfahrende Weſen ſollſt du mir endlich einmal ganz laſſen! — Ich bitte dich, erwiederte Lothario die Trommel weglegend, du biſt ſonſt geſcheut, und ich kann dich wohl leiden, aber mit dem Laſſen und An¬ derswerden, Kind, da iſt gar nicht die Rede davon bei mir! — Kordelchen ſah ihn eine Weile an, dann brach ſie ploͤtzlich in lautes Lachen aus. Das wollt' ich nur, ſagte ſie, es ſteht dir gar zu ſchoͤn, wenn du zornig biſt. Gute Nacht! hiermit gab ſie ihm einen Kuß, und war ſchnell im Hauſe verſchwunden.
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wuͤthend mit dem Ellbogen aus dem Aermel und be¬
hauptete, das Loch ſei erſt von jetzt, alle keiften auf
Lothario los, waͤhrend ihnen Fabitz unvermerkt ihr
Bier austrank. Lothario aber hatte unterdeß vom
Reiſewagen ſchnell eine Trommel geholt, ſetzte ſich da¬
mit auf den Tiſch, und begann luſtig zu wirbeln,
bald piano bald creſcendo, nach der jedesmaligen Stim¬
mung des Redenden. Kein Menſch konnte ſein eigenes
Wort verſtehen, die Zaͤnker ſchrien ſich ganz heiſer,
und verloren die Geduld, einige lachten, Lothario
trommelte immerfort, bis alle nach und nach den Platz
geraͤumt, und der Letzte zornig die Hausthuͤr hinter
ſich zugeſchmiſſen hatte. Nur Kordelchen war zuruͤck¬
geblieben. Sie ſetzte ſich trotzig neben Lothario auf
den Tiſch. Und ich bleibe grade noch draußen, ſagte
ſie, mir gefaͤllt die Nacht. Ueberhaupt, fuhr ſie fort,
ich habe dir's ſchon oft geſagt, dieſes ſtolze, herriſche,
hochfahrende Weſen ſollſt du mir endlich einmal ganz
laſſen! — Ich bitte dich, erwiederte Lothario die
Trommel weglegend, du biſt ſonſt geſcheut, und ich
kann dich wohl leiden, aber mit dem Laſſen und An¬
derswerden, Kind, da iſt gar nicht die Rede davon
bei mir! — Kordelchen ſah ihn eine Weile an, dann
brach ſie ploͤtzlich in lautes Lachen aus. Das wollt'
ich nur, ſagte ſie, es ſteht dir gar zu ſchoͤn, wenn
du zornig biſt. Gute Nacht! hiermit gab ſie ihm
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/80>, abgerufen am 22.11.2024.
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