nannt. -- Charakter: erster Tenor; besondere Kennzeichen: verdrehte Schleife am Halstuch, ungekämmtes Haar, spricht am vernünftigsten, wenn er betrunken ist, in Summa: großes Genie. -- Aber der Teufel mag aus der Beschreibung klug werden, ich verhafte in dem Klumpen da die ersten besten Beine. -- Greif' zu! -- Sein Gefährte packte nun ohne weiteres den Ruprecht an den Füßen, der in dem Gedränge vergeblich be¬ müht war, seine Stiefeln in den Händen des Häschers zu lassen und sich auf die Strümpfe zu machen. Un¬ terdeß hatten sich endlich auch die anderen eiligst vom Boden aufgerafft, der Director Sorti, schon halb entkleidet, flog in größter Bestürzung herzu, der Hof¬ hund dicht an seinen Waden hinter ihm drein, Kordel¬ chen lachte, der Wirth schimpfte, der Blasse deklamirte fortwährend von persönlicher Freiheit und unverletz¬ lichen Menschenrechten.
Seid ihr nicht rechte Narren! rief da auf einmal der Polizeidiener dazwischen, und warf Bart, Hut und Rock von sich -- es war der Litteratus Lo¬ thario. Sein Gefährte aber verwandelte sich eben so rasch in Herrn Fabitz, den Komikus der Bande.
Ich wußt' es lange -- sagte Ruprecht, der sich zuerst von dem Schreck erholt hatte -- indem er ruhig seine Pfeife ausklopfte. Die Uebrigen aber konnten den Scherz nicht so schnell verwinden, dem einen hat¬ ten sie auf das Hühnerauge getreten, ein anderer fuhr
nannt. — Charakter: erſter Tenor; beſondere Kennzeichen: verdrehte Schleife am Halstuch, ungekaͤmmtes Haar, ſpricht am vernuͤnftigſten, wenn er betrunken iſt, in Summa: großes Genie. — Aber der Teufel mag aus der Beſchreibung klug werden, ich verhafte in dem Klumpen da die erſten beſten Beine. — Greif' zu! — Sein Gefaͤhrte packte nun ohne weiteres den Ruprecht an den Fuͤßen, der in dem Gedraͤnge vergeblich be¬ muͤht war, ſeine Stiefeln in den Haͤnden des Haͤſchers zu laſſen und ſich auf die Struͤmpfe zu machen. Un¬ terdeß hatten ſich endlich auch die anderen eiligſt vom Boden aufgerafft, der Director Sorti, ſchon halb entkleidet, flog in groͤßter Beſtuͤrzung herzu, der Hof¬ hund dicht an ſeinen Waden hinter ihm drein, Kordel¬ chen lachte, der Wirth ſchimpfte, der Blaſſe deklamirte fortwaͤhrend von perſoͤnlicher Freiheit und unverletz¬ lichen Menſchenrechten.
Seid ihr nicht rechte Narren! rief da auf einmal der Polizeidiener dazwiſchen, und warf Bart, Hut und Rock von ſich — es war der Litteratus Lo¬ thario. Sein Gefaͤhrte aber verwandelte ſich eben ſo raſch in Herrn Fabitz, den Komikus der Bande.
Ich wußt' es lange — ſagte Ruprecht, der ſich zuerſt von dem Schreck erholt hatte — indem er ruhig ſeine Pfeife ausklopfte. Die Uebrigen aber konnten den Scherz nicht ſo ſchnell verwinden, dem einen hat¬ ten ſie auf das Huͤhnerauge getreten, ein anderer fuhr
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verdrehte Schleife am Halstuch, ungekaͤmmtes Haar,
ſpricht am vernuͤnftigſten, wenn er betrunken iſt, in
Summa: großes Genie. — Aber der Teufel mag aus
der Beſchreibung klug werden, ich verhafte in dem
Klumpen da die erſten beſten Beine. — Greif' zu! —
Sein Gefaͤhrte packte nun ohne weiteres den Ruprecht
an den Fuͤßen, der in dem Gedraͤnge vergeblich be¬
muͤht war, ſeine Stiefeln in den Haͤnden des Haͤſchers
zu laſſen und ſich auf die Struͤmpfe zu machen. Un¬
terdeß hatten ſich endlich auch die anderen eiligſt vom
Boden aufgerafft, der Director Sorti, ſchon halb
entkleidet, flog in groͤßter Beſtuͤrzung herzu, der Hof¬
hund dicht an ſeinen Waden hinter ihm drein, Kordel¬
chen lachte, der Wirth ſchimpfte, der Blaſſe deklamirte
fortwaͤhrend von perſoͤnlicher Freiheit und unverletz¬
lichen Menſchenrechten.
Seid ihr nicht rechte Narren! rief da auf einmal
der Polizeidiener dazwiſchen, und warf Bart, Hut
und Rock von ſich — es war der Litteratus Lo¬
thario. Sein Gefaͤhrte aber verwandelte ſich eben
ſo raſch in Herrn Fabitz, den Komikus der Bande.
Ich wußt' es lange — ſagte Ruprecht, der ſich
zuerſt von dem Schreck erholt hatte — indem er ruhig
ſeine Pfeife ausklopfte. Die Uebrigen aber konnten
den Scherz nicht ſo ſchnell verwinden, dem einen hat¬
ten ſie auf das Huͤhnerauge getreten, ein anderer fuhr
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/79>, abgerufen am 22.11.2024.
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