Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Wie's da unten nebelhaft sich durcheinanderschlingt --
sagte er, in die Thäler schauend -- man hört schon
Stimmen da und dort verworren aus dem Grund,
Kommandoruf und Trompetenklänge durch die stille
Luft und Morgenglocken dazwischen und den Gesang
verirrter Wanderer. Und wo die Nebel auf einen
Augenblick sich theilen, sieht man Engel ernst mit blan¬
ken Schwertern auf den Bergen stehen, und unten
weite Geschwader still kampfbereit aufblitzend, und der
Teufel in funkelndem Ritterschmuck reitet die Reihen
entlang und zeigt den Völkern durch den Wolkenriß
die Herrlichkeit der Länder und ruft ihnen zu: seyd
frei, und alles ist euer! -- O Freunde, das ist eine
Zeit! glückselig wer drin geboren ward, sie auszufech¬
ten! -- Hier reichte er ihnen noch einmal die Hand
und wandte sich schnell zum Walde.

Ade, du geistliches Soldatenherz! rief Fortunat
erschüttert aus. Sie sahen ihm alle noch lange schwei¬
gend nach, dann schieden auch sie von einander. Man¬
fred wollte dem Ruf zu einem bedeutenden Staats¬
dienste folgen, da hoffte er, wenn auch auf anderer
Bahn, auf den frischen Gipfeln des Lebens mit Vic¬
tor'n wieder zusammenzutreffen. Walter aber begleitete
das junge Ehepaar zunächst noch nach Hohenstein;
ihm war's, als sey seit seiner Jugendzeit die Welt zu
groß und weit geworden für ihn, er sehnte sich recht
aus Herzensgrunde nach seinem stillen, schattigen, Gärt¬

Wie's da unten nebelhaft ſich durcheinanderſchlingt —
ſagte er, in die Thaͤler ſchauend — man hoͤrt ſchon
Stimmen da und dort verworren aus dem Grund,
Kommandoruf und Trompetenklaͤnge durch die ſtille
Luft und Morgenglocken dazwiſchen und den Geſang
verirrter Wanderer. Und wo die Nebel auf einen
Augenblick ſich theilen, ſieht man Engel ernſt mit blan¬
ken Schwertern auf den Bergen ſtehen, und unten
weite Geſchwader ſtill kampfbereit aufblitzend, und der
Teufel in funkelndem Ritterſchmuck reitet die Reihen
entlang und zeigt den Voͤlkern durch den Wolkenriß
die Herrlichkeit der Laͤnder und ruft ihnen zu: ſeyd
frei, und alles iſt euer! — O Freunde, das iſt eine
Zeit! gluͤckſelig wer drin geboren ward, ſie auszufech¬
ten! — Hier reichte er ihnen noch einmal die Hand
und wandte ſich ſchnell zum Walde.

Ade, du geiſtliches Soldatenherz! rief Fortunat
erſchuͤttert aus. Sie ſahen ihm alle noch lange ſchwei¬
gend nach, dann ſchieden auch ſie von einander. Man¬
fred wollte dem Ruf zu einem bedeutenden Staats¬
dienſte folgen, da hoffte er, wenn auch auf anderer
Bahn, auf den friſchen Gipfeln des Lebens mit Vic¬
tor'n wieder zuſammenzutreffen. Walter aber begleitete
das junge Ehepaar zunaͤchſt noch nach Hohenſtein;
ihm war's, als ſey ſeit ſeiner Jugendzeit die Welt zu
groß und weit geworden fuͤr ihn, er ſehnte ſich recht
aus Herzensgrunde nach ſeinem ſtillen, ſchattigen, Gaͤrt¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0385" n="378"/>
Wie's da unten nebelhaft &#x017F;ich durcheinander&#x017F;chlingt &#x2014;<lb/>
&#x017F;agte er, in die Tha&#x0364;ler &#x017F;chauend &#x2014; man ho&#x0364;rt &#x017F;chon<lb/>
Stimmen da und dort verworren aus dem Grund,<lb/>
Kommandoruf und Trompetenkla&#x0364;nge durch die &#x017F;tille<lb/>
Luft und Morgenglocken dazwi&#x017F;chen und den Ge&#x017F;ang<lb/>
verirrter Wanderer. Und wo die Nebel auf einen<lb/>
Augenblick &#x017F;ich theilen, &#x017F;ieht man Engel ern&#x017F;t mit blan¬<lb/>
ken Schwertern auf den Bergen &#x017F;tehen, und unten<lb/>
weite Ge&#x017F;chwader &#x017F;till kampfbereit aufblitzend, und der<lb/>
Teufel in funkelndem Ritter&#x017F;chmuck reitet die Reihen<lb/>
entlang und zeigt den Vo&#x0364;lkern durch den Wolkenriß<lb/>
die Herrlichkeit der La&#x0364;nder und ruft ihnen zu: &#x017F;eyd<lb/>
frei, und alles i&#x017F;t euer! &#x2014; O Freunde, das i&#x017F;t eine<lb/>
Zeit! glu&#x0364;ck&#x017F;elig wer drin geboren ward, &#x017F;ie auszufech¬<lb/>
ten! &#x2014; Hier reichte er ihnen noch einmal die Hand<lb/>
und wandte &#x017F;ich &#x017F;chnell zum Walde.</p><lb/>
          <p>Ade, du gei&#x017F;tliches Soldatenherz! rief Fortunat<lb/>
er&#x017F;chu&#x0364;ttert aus. Sie &#x017F;ahen ihm alle noch lange &#x017F;chwei¬<lb/>
gend nach, dann &#x017F;chieden auch &#x017F;ie von einander. Man¬<lb/>
fred wollte dem Ruf zu einem bedeutenden Staats¬<lb/>
dien&#x017F;te folgen, da hoffte er, wenn auch auf anderer<lb/>
Bahn, auf den fri&#x017F;chen Gipfeln des Lebens mit Vic¬<lb/>
tor'n wieder zu&#x017F;ammenzutreffen. Walter aber begleitete<lb/>
das junge Ehepaar zuna&#x0364;ch&#x017F;t noch nach Hohen&#x017F;tein;<lb/>
ihm war's, als &#x017F;ey &#x017F;eit &#x017F;einer Jugendzeit die Welt zu<lb/>
groß und weit geworden fu&#x0364;r ihn, er &#x017F;ehnte &#x017F;ich recht<lb/>
aus Herzensgrunde nach &#x017F;einem &#x017F;tillen, &#x017F;chattigen, Ga&#x0364;rt¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[378/0385] Wie's da unten nebelhaft ſich durcheinanderſchlingt — ſagte er, in die Thaͤler ſchauend — man hoͤrt ſchon Stimmen da und dort verworren aus dem Grund, Kommandoruf und Trompetenklaͤnge durch die ſtille Luft und Morgenglocken dazwiſchen und den Geſang verirrter Wanderer. Und wo die Nebel auf einen Augenblick ſich theilen, ſieht man Engel ernſt mit blan¬ ken Schwertern auf den Bergen ſtehen, und unten weite Geſchwader ſtill kampfbereit aufblitzend, und der Teufel in funkelndem Ritterſchmuck reitet die Reihen entlang und zeigt den Voͤlkern durch den Wolkenriß die Herrlichkeit der Laͤnder und ruft ihnen zu: ſeyd frei, und alles iſt euer! — O Freunde, das iſt eine Zeit! gluͤckſelig wer drin geboren ward, ſie auszufech¬ ten! — Hier reichte er ihnen noch einmal die Hand und wandte ſich ſchnell zum Walde. Ade, du geiſtliches Soldatenherz! rief Fortunat erſchuͤttert aus. Sie ſahen ihm alle noch lange ſchwei¬ gend nach, dann ſchieden auch ſie von einander. Man¬ fred wollte dem Ruf zu einem bedeutenden Staats¬ dienſte folgen, da hoffte er, wenn auch auf anderer Bahn, auf den friſchen Gipfeln des Lebens mit Vic¬ tor'n wieder zuſammenzutreffen. Walter aber begleitete das junge Ehepaar zunaͤchſt noch nach Hohenſtein; ihm war's, als ſey ſeit ſeiner Jugendzeit die Welt zu groß und weit geworden fuͤr ihn, er ſehnte ſich recht aus Herzensgrunde nach ſeinem ſtillen, ſchattigen, Gaͤrt¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/385
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/385>, abgerufen am 23.11.2024.