rig an, er konnte sich in der verwandelten Welt nicht zurechtfinden und starb vor Gram. -- Das war eine furchtbare Nacht, ich erinnere mich nur der schwarz¬ verhangenen Pferde und Gestalten und des Fackel¬ scheins zwischen den dunklen Bäumen -- und als die Glockenklänge allmählich verhallten, saß ich allein mit einer alten schwarzgekleideten Dame im Wagen, wir fuhren rasch durch unbekannte Gegenden, sie sprach immerfort französisch zu mir, aber ich hörte nur das dumpfe Rasseln des Wagens in der Nacht, mir war's als führen wir selber in's Grab. Die Dame aber war eine reiche kinderlose Tante, die mich nun zu sich genommen hatte. Sie wohnte auf einem großen Schloß, das einsam am Abhange des Gebirges mitten in einem prächtigen Parke lag, der wimmelte von selt¬ samen Tauben und Pfauen, in dem klaren Bassin vor dem Schloß spielten bunte ausländische Fische wie Vö¬ gel in der Luft, weiterhin in einem zierlich vergitterten Wäldchen weidete ein schöner Goldfasan. Die Tante hatte ihre Freude daran, mich recht auszuputzen, ob¬ gleich wir nur selten Besuch hatten, da ging ich denn in prächtigen Kleidern, und wenn ich manchmal so allein im Garten stand, kam ich mir selber in der Einsamkeit wie ein verzauberter Goldfasan vor. An den Sommernachmittagen aber pflegte die Tante mit mir im Garten auf einem schattigen Hügel zu sitzen, von dem man weit hinaussehen konnte, wie der Strom
rig an, er konnte ſich in der verwandelten Welt nicht zurechtfinden und ſtarb vor Gram. — Das war eine furchtbare Nacht, ich erinnere mich nur der ſchwarz¬ verhangenen Pferde und Geſtalten und des Fackel¬ ſcheins zwiſchen den dunklen Baͤumen — und als die Glockenklaͤnge allmaͤhlich verhallten, ſaß ich allein mit einer alten ſchwarzgekleideten Dame im Wagen, wir fuhren raſch durch unbekannte Gegenden, ſie ſprach immerfort franzoͤſiſch zu mir, aber ich hoͤrte nur das dumpfe Raſſeln des Wagens in der Nacht, mir war's als fuͤhren wir ſelber in's Grab. Die Dame aber war eine reiche kinderloſe Tante, die mich nun zu ſich genommen hatte. Sie wohnte auf einem großen Schloß, das einſam am Abhange des Gebirges mitten in einem praͤchtigen Parke lag, der wimmelte von ſelt¬ ſamen Tauben und Pfauen, in dem klaren Baſſin vor dem Schloß ſpielten bunte auslaͤndiſche Fiſche wie Voͤ¬ gel in der Luft, weiterhin in einem zierlich vergitterten Waͤldchen weidete ein ſchoͤner Goldfaſan. Die Tante hatte ihre Freude daran, mich recht auszuputzen, ob¬ gleich wir nur ſelten Beſuch hatten, da ging ich denn in praͤchtigen Kleidern, und wenn ich manchmal ſo allein im Garten ſtand, kam ich mir ſelber in der Einſamkeit wie ein verzauberter Goldfaſan vor. An den Sommernachmittagen aber pflegte die Tante mit mir im Garten auf einem ſchattigen Huͤgel zu ſitzen, von dem man weit hinausſehen konnte, wie der Strom
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rig an, er konnte ſich in der verwandelten Welt nicht
zurechtfinden und ſtarb vor Gram. — Das war eine
furchtbare Nacht, ich erinnere mich nur der ſchwarz¬
verhangenen Pferde und Geſtalten und des Fackel¬
ſcheins zwiſchen den dunklen Baͤumen — und als die
Glockenklaͤnge allmaͤhlich verhallten, ſaß ich allein mit
einer alten ſchwarzgekleideten Dame im Wagen, wir
fuhren raſch durch unbekannte Gegenden, ſie ſprach
immerfort franzoͤſiſch zu mir, aber ich hoͤrte nur das
dumpfe Raſſeln des Wagens in der Nacht, mir war's
als fuͤhren wir ſelber in's Grab. Die Dame aber
war eine reiche kinderloſe Tante, die mich nun zu ſich
genommen hatte. Sie wohnte auf einem großen
Schloß, das einſam am Abhange des Gebirges mitten
in einem praͤchtigen Parke lag, der wimmelte von ſelt¬
ſamen Tauben und Pfauen, in dem klaren Baſſin vor
dem Schloß ſpielten bunte auslaͤndiſche Fiſche wie Voͤ¬
gel in der Luft, weiterhin in einem zierlich vergitterten
Waͤldchen weidete ein ſchoͤner Goldfaſan. Die Tante
hatte ihre Freude daran, mich recht auszuputzen, ob¬
gleich wir nur ſelten Beſuch hatten, da ging ich denn
in praͤchtigen Kleidern, und wenn ich manchmal ſo
allein im Garten ſtand, kam ich mir ſelber in der
Einſamkeit wie ein verzauberter Goldfaſan vor. An
den Sommernachmittagen aber pflegte die Tante mit
mir im Garten auf einem ſchattigen Huͤgel zu ſitzen,
von dem man weit hinausſehen konnte, wie der Strom
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/308>, abgerufen am 25.11.2024.
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