Studenten Otto geheirathet. Aber wie kommst du auf die? -- Fiametta sah ihn groß an: ist sie denn nicht deine Liebste gewesen? Mein Gott, erwiederte Fortunat nach einigem Nachdenken, so warst du es wohl, die an jenem Abend im schwarzen Mäntelchen an mir vorüberstreifte, als mich Otto zu seinem Mäd¬ chen führte, das ich damals noch gar nicht kannte. -- Ja freilich, entgegnete Fiametta lebhaft, und ich spielte dann einmal des Abends die Annidi in unserem Gar¬ ten, die Kammerjungfer mußte deine Kleider anziehen und so über den Gartenzaun zu mir kommen, da kamst du auf einmal selber, wir hatten dich nicht so früh zurückerwartet. -- O vernagelter Kopf, der ich war! rief Fortunat, sich vor die Stirn schlagend aus, hätt' ich das damals gewußt! -- Sie lachte seelenvergnügt und ihre Augen glänzten von Thränen.
Währenddeß ritten sie eilig an dem Städtchen vorüber, zwischen den schlafenden Gärten und Land¬ häusern immer tiefer in die weite, sternhelle Nacht hinein. Die Nachtigallen schlugen von den waldigen Bergen, über das stille Feld hörte man die Hunde von ferne bellen, Fiametta sah sich öfters ängstlich um. Sieh, sagte Fortunat, mir ist wie einem Vogel in der Luft, ich folge dir über die ganze Erde! Jetzt aber sage mir auch, warum blickst du so scheu zurück? wie kamst du vorhin auf das Schiff? was in aller Welt hast du vor? -- Ach das ist eine lange, traurige
Studenten Otto geheirathet. Aber wie kommſt du auf die? — Fiametta ſah ihn groß an: iſt ſie denn nicht deine Liebſte geweſen? Mein Gott, erwiederte Fortunat nach einigem Nachdenken, ſo warſt du es wohl, die an jenem Abend im ſchwarzen Maͤntelchen an mir voruͤberſtreifte, als mich Otto zu ſeinem Maͤd¬ chen fuͤhrte, das ich damals noch gar nicht kannte. — Ja freilich, entgegnete Fiametta lebhaft, und ich ſpielte dann einmal des Abends die Annidi in unſerem Gar¬ ten, die Kammerjungfer mußte deine Kleider anziehen und ſo uͤber den Gartenzaun zu mir kommen, da kamſt du auf einmal ſelber, wir hatten dich nicht ſo fruͤh zuruͤckerwartet. — O vernagelter Kopf, der ich war! rief Fortunat, ſich vor die Stirn ſchlagend aus, haͤtt' ich das damals gewußt! — Sie lachte ſeelenvergnuͤgt und ihre Augen glaͤnzten von Thraͤnen.
Waͤhrenddeß ritten ſie eilig an dem Staͤdtchen voruͤber, zwiſchen den ſchlafenden Gaͤrten und Land¬ haͤuſern immer tiefer in die weite, ſternhelle Nacht hinein. Die Nachtigallen ſchlugen von den waldigen Bergen, uͤber das ſtille Feld hoͤrte man die Hunde von ferne bellen, Fiametta ſah ſich oͤfters aͤngſtlich um. Sieh, ſagte Fortunat, mir iſt wie einem Vogel in der Luft, ich folge dir uͤber die ganze Erde! Jetzt aber ſage mir auch, warum blickſt du ſo ſcheu zuruͤck? wie kamſt du vorhin auf das Schiff? was in aller Welt haſt du vor? — Ach das iſt eine lange, traurige
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Studenten Otto geheirathet. Aber wie kommſt du
auf die? — Fiametta ſah ihn groß an: iſt ſie denn
nicht deine Liebſte geweſen? Mein Gott, erwiederte
Fortunat nach einigem Nachdenken, ſo warſt du es
wohl, die an jenem Abend im ſchwarzen Maͤntelchen
an mir voruͤberſtreifte, als mich Otto zu ſeinem Maͤd¬
chen fuͤhrte, das ich damals noch gar nicht kannte. —
Ja freilich, entgegnete Fiametta lebhaft, und ich ſpielte
dann einmal des Abends die Annidi in unſerem Gar¬
ten, die Kammerjungfer mußte deine Kleider anziehen
und ſo uͤber den Gartenzaun zu mir kommen, da kamſt
du auf einmal ſelber, wir hatten dich nicht ſo fruͤh
zuruͤckerwartet. — O vernagelter Kopf, der ich war!
rief Fortunat, ſich vor die Stirn ſchlagend aus, haͤtt'
ich das damals gewußt! — Sie lachte ſeelenvergnuͤgt
und ihre Augen glaͤnzten von Thraͤnen.
Waͤhrenddeß ritten ſie eilig an dem Staͤdtchen
voruͤber, zwiſchen den ſchlafenden Gaͤrten und Land¬
haͤuſern immer tiefer in die weite, ſternhelle Nacht
hinein. Die Nachtigallen ſchlugen von den waldigen
Bergen, uͤber das ſtille Feld hoͤrte man die Hunde
von ferne bellen, Fiametta ſah ſich oͤfters aͤngſtlich
um. Sieh, ſagte Fortunat, mir iſt wie einem Vogel
in der Luft, ich folge dir uͤber die ganze Erde! Jetzt
aber ſage mir auch, warum blickſt du ſo ſcheu zuruͤck?
wie kamſt du vorhin auf das Schiff? was in aller
Welt haſt du vor? — Ach das iſt eine lange, traurige
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/305>, abgerufen am 22.11.2024.
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