Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

deutschen Kavalier unseren Freund Grundling erkannte:
in dem geblümten Schlafrock des Marchese auf einem
halbzerrissenen damastenen Sopha ausgestreckt, eine
lange Tabackspfeife und ein Buch in der Hand, Talg¬
licht, Fidibus und Kaffeekanne vor sich. Der Vielge¬
reiste, an das wechselnde Kommen und Gehen in
Rom längst gewöhnt, schien nicht im mindesten er¬
staunt, Fortunaten wiederzusehen. Mir ist's eben recht,
sagte er, daß der alte Marchese bankerutt gemacht --
Was! der Marchese A.? rief Fortunat höchst über¬
rascht aus.

Ja, eben recht, sag' ich, daß er seinen Palast
und Rom verlassen mußte, so konnt' ich mich hier in
der liederlichen Wirthschaft seiner Gläubiger ziemlich
wohlfeil einmiethen. -- Wenn nur, fuhr er, seine Pfeife
plötzlich grimmig wegsetzend, fort, in der unvernünfti¬
gen Hitze der Taback nicht so in die Zunge bisse!

Hier verlor endlich Fortunat alle Geduld. Nun
rede zum Teufel einmal ordentlich! rief er, Grundlin¬
gen rasch an der Brust fassend, wo ist Fiametta? was
macht sie? -- In Deutschland wahrscheinlich, und
weint, erwiederte Grundling gelassen. -- Warum weint
sie? -- Weil sie ein junges albernes Ding ist, dem
ein konfuser Wein, der noch moussirt, lieblicher in die
Nase sticht, als ein würdiges, abgelegenes Gewächs;
das will heißen: die einen brutalen Phantasten, der
sein Liebchen verläßt und seine Freunde drosselt, char¬

deutſchen Kavalier unſeren Freund Grundling erkannte:
in dem gebluͤmten Schlafrock des Marcheſe auf einem
halbzerriſſenen damaſtenen Sopha ausgeſtreckt, eine
lange Tabackspfeife und ein Buch in der Hand, Talg¬
licht, Fidibus und Kaffeekanne vor ſich. Der Vielge¬
reiſte, an das wechſelnde Kommen und Gehen in
Rom laͤngſt gewoͤhnt, ſchien nicht im mindeſten er¬
ſtaunt, Fortunaten wiederzuſehen. Mir iſt's eben recht,
ſagte er, daß der alte Marcheſe bankerutt gemacht —
Was! der Marcheſe A.? rief Fortunat hoͤchſt uͤber¬
raſcht aus.

Ja, eben recht, ſag' ich, daß er ſeinen Palaſt
und Rom verlaſſen mußte, ſo konnt' ich mich hier in
der liederlichen Wirthſchaft ſeiner Glaͤubiger ziemlich
wohlfeil einmiethen. — Wenn nur, fuhr er, ſeine Pfeife
ploͤtzlich grimmig wegſetzend, fort, in der unvernuͤnfti¬
gen Hitze der Taback nicht ſo in die Zunge biſſe!

Hier verlor endlich Fortunat alle Geduld. Nun
rede zum Teufel einmal ordentlich! rief er, Grundlin¬
gen raſch an der Bruſt faſſend, wo iſt Fiametta? was
macht ſie? — In Deutſchland wahrſcheinlich, und
weint, erwiederte Grundling gelaſſen. — Warum weint
ſie? — Weil ſie ein junges albernes Ding iſt, dem
ein konfuſer Wein, der noch mouſſirt, lieblicher in die
Naſe ſticht, als ein wuͤrdiges, abgelegenes Gewaͤchs;
das will heißen: die einen brutalen Phantaſten, der
ſein Liebchen verlaͤßt und ſeine Freunde droſſelt, char¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0249" n="242"/>
deut&#x017F;chen Kavalier un&#x017F;eren Freund Grundling erkannte:<lb/>
in dem geblu&#x0364;mten Schlafrock des Marche&#x017F;e auf einem<lb/>
halbzerri&#x017F;&#x017F;enen dama&#x017F;tenen Sopha ausge&#x017F;treckt, eine<lb/>
lange Tabackspfeife und ein Buch in der Hand, Talg¬<lb/>
licht, Fidibus und Kaffeekanne vor &#x017F;ich. Der Vielge¬<lb/>
rei&#x017F;te, an das wech&#x017F;elnde Kommen und Gehen in<lb/>
Rom la&#x0364;ng&#x017F;t gewo&#x0364;hnt, &#x017F;chien nicht im minde&#x017F;ten er¬<lb/>
&#x017F;taunt, Fortunaten wiederzu&#x017F;ehen. Mir i&#x017F;t's eben recht,<lb/>
&#x017F;agte er, daß der alte Marche&#x017F;e bankerutt gemacht &#x2014;<lb/>
Was! der Marche&#x017F;e A.? rief Fortunat ho&#x0364;ch&#x017F;t u&#x0364;ber¬<lb/>
ra&#x017F;cht aus.</p><lb/>
          <p>Ja, eben recht, &#x017F;ag' ich, daß er &#x017F;einen Pala&#x017F;t<lb/>
und Rom verla&#x017F;&#x017F;en mußte, &#x017F;o konnt' ich mich hier in<lb/>
der liederlichen Wirth&#x017F;chaft &#x017F;einer Gla&#x0364;ubiger ziemlich<lb/>
wohlfeil einmiethen. &#x2014; Wenn nur, fuhr er, &#x017F;eine Pfeife<lb/>
plo&#x0364;tzlich grimmig weg&#x017F;etzend, fort, in der unvernu&#x0364;nfti¬<lb/>
gen Hitze der Taback nicht &#x017F;o in die Zunge bi&#x017F;&#x017F;e!</p><lb/>
          <p>Hier verlor endlich Fortunat alle Geduld. Nun<lb/>
rede zum Teufel einmal ordentlich! rief er, Grundlin¬<lb/>
gen ra&#x017F;ch an der Bru&#x017F;t fa&#x017F;&#x017F;end, wo i&#x017F;t Fiametta? was<lb/>
macht &#x017F;ie? &#x2014; In Deut&#x017F;chland wahr&#x017F;cheinlich, und<lb/>
weint, erwiederte Grundling gela&#x017F;&#x017F;en. &#x2014; Warum weint<lb/>
&#x017F;ie? &#x2014; Weil &#x017F;ie ein junges albernes Ding i&#x017F;t, dem<lb/>
ein konfu&#x017F;er Wein, der noch mou&#x017F;&#x017F;irt, lieblicher in die<lb/>
Na&#x017F;e &#x017F;ticht, als ein wu&#x0364;rdiges, abgelegenes Gewa&#x0364;chs;<lb/>
das will heißen: die einen brutalen Phanta&#x017F;ten, der<lb/>
&#x017F;ein Liebchen verla&#x0364;ßt und &#x017F;eine Freunde dro&#x017F;&#x017F;elt, char¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242/0249] deutſchen Kavalier unſeren Freund Grundling erkannte: in dem gebluͤmten Schlafrock des Marcheſe auf einem halbzerriſſenen damaſtenen Sopha ausgeſtreckt, eine lange Tabackspfeife und ein Buch in der Hand, Talg¬ licht, Fidibus und Kaffeekanne vor ſich. Der Vielge¬ reiſte, an das wechſelnde Kommen und Gehen in Rom laͤngſt gewoͤhnt, ſchien nicht im mindeſten er¬ ſtaunt, Fortunaten wiederzuſehen. Mir iſt's eben recht, ſagte er, daß der alte Marcheſe bankerutt gemacht — Was! der Marcheſe A.? rief Fortunat hoͤchſt uͤber¬ raſcht aus. Ja, eben recht, ſag' ich, daß er ſeinen Palaſt und Rom verlaſſen mußte, ſo konnt' ich mich hier in der liederlichen Wirthſchaft ſeiner Glaͤubiger ziemlich wohlfeil einmiethen. — Wenn nur, fuhr er, ſeine Pfeife ploͤtzlich grimmig wegſetzend, fort, in der unvernuͤnfti¬ gen Hitze der Taback nicht ſo in die Zunge biſſe! Hier verlor endlich Fortunat alle Geduld. Nun rede zum Teufel einmal ordentlich! rief er, Grundlin¬ gen raſch an der Bruſt faſſend, wo iſt Fiametta? was macht ſie? — In Deutſchland wahrſcheinlich, und weint, erwiederte Grundling gelaſſen. — Warum weint ſie? — Weil ſie ein junges albernes Ding iſt, dem ein konfuſer Wein, der noch mouſſirt, lieblicher in die Naſe ſticht, als ein wuͤrdiges, abgelegenes Gewaͤchs; das will heißen: die einen brutalen Phantaſten, der ſein Liebchen verlaͤßt und ſeine Freunde droſſelt, char¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/249
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/249>, abgerufen am 03.05.2024.