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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

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schon durch die stillen Felder nach Deutschland zu, und
sahen Rom, wie in einem Feuermeer, langsam hinter
sich versinken.


Währenddeß war Fortunat in Neapel und Sizi¬
lien umhergestreift. In seiner poetischen Behaglichkeit
hatte er sich alles aus dem Sinn geschlagen, und
machte überhaupt aus seiner Liebe gar nichts, als ein
langes Gedicht in vielen Gesängen und verschiedenen
Silbenmaaßen, worin ein schönes, schlankes italieni¬
sches Mädchen die Hauptfigur spielte. Da begab
sich's aber, daß er im Schreiben sich nach und nach
in diese Figur selbst verliebte, und je verliebter er
wurde, je ähnlicher wurde sie unvermerkt der kleinen
Marchesin, als ob Fiametta oft plötzlich zwischen den
Blütengewinden der Verse hervorguckte und, ihn aus¬
lachend, ausrief: Siehst du, ich hab' dich doch! --
Ja als er in Sizilien eines Abends auf einem hohen,
senkrechten Felsen über dem Meere eingeschlummert
war, träumte ihm, die blaue Fluth theile sich leise,
und mit langem grünen Haar und glänzenden Schul¬
tern tauche Fiametta unten empor, in irren Tönen
wehmüthig klagend. -- Als er erwachte, war der
Mond schon über dem Meere aufgegangen, in der
Ferne aber sah er ein Segel schwellend durch die weite
Stille nach dem jenseitigen Ufer Italiens hinüberglei¬
ten. -- Da faßte ihn eine unwiderstehliche Sehnsucht,

ſchon durch die ſtillen Felder nach Deutſchland zu, und
ſahen Rom, wie in einem Feuermeer, langſam hinter
ſich verſinken.


Waͤhrenddeß war Fortunat in Neapel und Sizi¬
lien umhergeſtreift. In ſeiner poetiſchen Behaglichkeit
hatte er ſich alles aus dem Sinn geſchlagen, und
machte uͤberhaupt aus ſeiner Liebe gar nichts, als ein
langes Gedicht in vielen Geſaͤngen und verſchiedenen
Silbenmaaßen, worin ein ſchoͤnes, ſchlankes italieni¬
ſches Maͤdchen die Hauptfigur ſpielte. Da begab
ſich's aber, daß er im Schreiben ſich nach und nach
in dieſe Figur ſelbſt verliebte, und je verliebter er
wurde, je aͤhnlicher wurde ſie unvermerkt der kleinen
Marcheſin, als ob Fiametta oft ploͤtzlich zwiſchen den
Bluͤtengewinden der Verſe hervorguckte und, ihn aus¬
lachend, ausrief: Siehſt du, ich hab' dich doch! —
Ja als er in Sizilien eines Abends auf einem hohen,
ſenkrechten Felſen uͤber dem Meere eingeſchlummert
war, traͤumte ihm, die blaue Fluth theile ſich leiſe,
und mit langem gruͤnen Haar und glaͤnzenden Schul¬
tern tauche Fiametta unten empor, in irren Toͤnen
wehmuͤthig klagend. — Als er erwachte, war der
Mond ſchon uͤber dem Meere aufgegangen, in der
Ferne aber ſah er ein Segel ſchwellend durch die weite
Stille nach dem jenſeitigen Ufer Italiens hinuͤberglei¬
ten. — Da faßte ihn eine unwiderſtehliche Sehnſucht,

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[240/0247] ſchon durch die ſtillen Felder nach Deutſchland zu, und ſahen Rom, wie in einem Feuermeer, langſam hinter ſich verſinken. Waͤhrenddeß war Fortunat in Neapel und Sizi¬ lien umhergeſtreift. In ſeiner poetiſchen Behaglichkeit hatte er ſich alles aus dem Sinn geſchlagen, und machte uͤberhaupt aus ſeiner Liebe gar nichts, als ein langes Gedicht in vielen Geſaͤngen und verſchiedenen Silbenmaaßen, worin ein ſchoͤnes, ſchlankes italieni¬ ſches Maͤdchen die Hauptfigur ſpielte. Da begab ſich's aber, daß er im Schreiben ſich nach und nach in dieſe Figur ſelbſt verliebte, und je verliebter er wurde, je aͤhnlicher wurde ſie unvermerkt der kleinen Marcheſin, als ob Fiametta oft ploͤtzlich zwiſchen den Bluͤtengewinden der Verſe hervorguckte und, ihn aus¬ lachend, ausrief: Siehſt du, ich hab' dich doch! — Ja als er in Sizilien eines Abends auf einem hohen, ſenkrechten Felſen uͤber dem Meere eingeſchlummert war, traͤumte ihm, die blaue Fluth theile ſich leiſe, und mit langem gruͤnen Haar und glaͤnzenden Schul¬ tern tauche Fiametta unten empor, in irren Toͤnen wehmuͤthig klagend. — Als er erwachte, war der Mond ſchon uͤber dem Meere aufgegangen, in der Ferne aber ſah er ein Segel ſchwellend durch die weite Stille nach dem jenſeitigen Ufer Italiens hinuͤberglei¬ ten. — Da faßte ihn eine unwiderſtehliche Sehnſucht,

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/247>, abgerufen am 04.05.2024.