und da es gar nicht enden wollte, zog er seinen Man¬ tel über den Kopf, und schlummerte bald vor Ermü¬ dung ein.
Als er wieder aufwachte, war Walter unterdeß vor Aerger fest eingeschlafen. Er sah freudig rings um sich her, die tiefe Einsamkeit, die unbekannte Ge¬ gend, der Schlafende, und die Pferde im Mondschein, alles war ihm so neu und wunderbar; er ging unter den Bäumen auf und nieder, und sang halb für sich:
Wie schön hier zu verträumen Die Nacht im stillen Wald, Wenn in den dunklen Bäumen Das alte Mährchen hallt.
Die Berg' im Mondesschimmer
Wie in Gedanken stehn, Und durch verworrne Trümmer Die Quellen klagend gehn.
Denn müd ging auf den Matten
Die Schönheit nun zur Ruh, Es deckt mit kühlen Schatten Die Nacht das Liebchen zu.
Das ist das irre Klagen
In stiller Waldespracht, Die Nachtigallen schlagen Von ihr die ganze Nacht.
Die Stern' gehn auf und nieder --
Wann kommst du, Morgenwind, Und hebst die Schatten wieder Von dem verträumten Kind?
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und da es gar nicht enden wollte, zog er ſeinen Man¬ tel uͤber den Kopf, und ſchlummerte bald vor Ermuͤ¬ dung ein.
Als er wieder aufwachte, war Walter unterdeß vor Aerger feſt eingeſchlafen. Er ſah freudig rings um ſich her, die tiefe Einſamkeit, die unbekannte Ge¬ gend, der Schlafende, und die Pferde im Mondſchein, alles war ihm ſo neu und wunderbar; er ging unter den Baͤumen auf und nieder, und ſang halb fuͤr ſich:
Wie ſchoͤn hier zu vertraͤumen Die Nacht im ſtillen Wald, Wenn in den dunklen Baͤumen Das alte Maͤhrchen hallt.
Die Berg' im Mondesſchimmer
Wie in Gedanken ſtehn, Und durch verworrne Truͤmmer Die Quellen klagend gehn.
Denn muͤd ging auf den Matten
Die Schoͤnheit nun zur Ruh, Es deckt mit kuͤhlen Schatten Die Nacht das Liebchen zu.
Das iſt das irre Klagen
In ſtiller Waldespracht, Die Nachtigallen ſchlagen Von ihr die ganze Nacht.
Die Stern' gehn auf und nieder —
Wann kommſt du, Morgenwind, Und hebſt die Schatten wieder Von dem vertraͤumten Kind?
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und da es gar nicht enden wollte, zog er ſeinen Man¬
tel uͤber den Kopf, und ſchlummerte bald vor Ermuͤ¬
dung ein.
Als er wieder aufwachte, war Walter unterdeß
vor Aerger feſt eingeſchlafen. Er ſah freudig rings
um ſich her, die tiefe Einſamkeit, die unbekannte Ge¬
gend, der Schlafende, und die Pferde im Mondſchein,
alles war ihm ſo neu und wunderbar; er ging unter
den Baͤumen auf und nieder, und ſang halb fuͤr ſich:
Wie ſchoͤn hier zu vertraͤumen
Die Nacht im ſtillen Wald,
Wenn in den dunklen Baͤumen
Das alte Maͤhrchen hallt.
Die Berg' im Mondesſchimmer
Wie in Gedanken ſtehn,
Und durch verworrne Truͤmmer
Die Quellen klagend gehn.
Denn muͤd ging auf den Matten
Die Schoͤnheit nun zur Ruh,
Es deckt mit kuͤhlen Schatten
Die Nacht das Liebchen zu.
Das iſt das irre Klagen
In ſtiller Waldespracht,
Die Nachtigallen ſchlagen
Von ihr die ganze Nacht.
Die Stern' gehn auf und nieder —
Wann kommſt du, Morgenwind,
Und hebſt die Schatten wieder
Von dem vertraͤumten Kind?
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/24>, abgerufen am 16.07.2024.
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