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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

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und beleuchtet. -- Wenn ich, sagte Otto, die Gegend
überschauend, wenn ich jemals aus diesem Glanze wie¬
der in die dumpfe Enge meines deutschen Gebirgsstädt¬
chens zurück müßte, wo sie jetzt wohl vor den Thüren
unter ihren hölzernen Lauben sitzen, die Hände vor
Kälte fest eingewickelt, und nichts vernehmen, als das
Glöcklein der Bergleute und den Schlag des Eisen¬
hammers von fern, und die Berge sehen von allen
Seiten finster auf den stillen Markt herein, und der
feuchte Wind schlägt den Kohlenrauch nieder und ver¬
hüllt alles wie ein Grab -- mich schauert ordentlich
bei dem Gedanken! -- Hüt' dich wohl, entgegnete
Fortunat, es ist ein wunderbares Lied in dem Wal¬
desrauschen unserer heimathlichen Berge; wo du auch
seyest, es findet dich doch einmal wieder, und wär' es
durch's offene Fenster im Traum, keinen Dichter noch
ließ seine Heimath los. -- Otto schwieg nachsinnend --
es war heut fast etwas Freudeverstörtes in seinem gan¬
zen Wesen.

Auf einmal bog er rasch mitten in das Blüten¬
meer von Gärten hinein. Sie kamen an ein kleines,
aber wohlgebautes reinliches Haus, von Epheu, Wein¬
laub und blühenden Bäumen reizend überwachsen und
verdeckt; die Tauben, die sich auf dem Dache in der
Abendsonne spiegelten, die offenstehenden Fenster und
Thüren, wo bunte Schmetterlinge flimmernd ein und
aus flatterten, alles gab ein wunderliches Bild südli¬

und beleuchtet. — Wenn ich, ſagte Otto, die Gegend
uͤberſchauend, wenn ich jemals aus dieſem Glanze wie¬
der in die dumpfe Enge meines deutſchen Gebirgsſtaͤdt¬
chens zuruͤck muͤßte, wo ſie jetzt wohl vor den Thuͤren
unter ihren hoͤlzernen Lauben ſitzen, die Haͤnde vor
Kaͤlte feſt eingewickelt, und nichts vernehmen, als das
Gloͤcklein der Bergleute und den Schlag des Eiſen¬
hammers von fern, und die Berge ſehen von allen
Seiten finſter auf den ſtillen Markt herein, und der
feuchte Wind ſchlaͤgt den Kohlenrauch nieder und ver¬
huͤllt alles wie ein Grab — mich ſchauert ordentlich
bei dem Gedanken! — Huͤt' dich wohl, entgegnete
Fortunat, es iſt ein wunderbares Lied in dem Wal¬
desrauſchen unſerer heimathlichen Berge; wo du auch
ſeyeſt, es findet dich doch einmal wieder, und waͤr' es
durch's offene Fenſter im Traum, keinen Dichter noch
ließ ſeine Heimath los. — Otto ſchwieg nachſinnend —
es war heut faſt etwas Freudeverſtoͤrtes in ſeinem gan¬
zen Weſen.

Auf einmal bog er raſch mitten in das Bluͤten¬
meer von Gaͤrten hinein. Sie kamen an ein kleines,
aber wohlgebautes reinliches Haus, von Epheu, Wein¬
laub und bluͤhenden Baͤumen reizend uͤberwachſen und
verdeckt; die Tauben, die ſich auf dem Dache in der
Abendſonne ſpiegelten, die offenſtehenden Fenſter und
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[221/0228] und beleuchtet. — Wenn ich, ſagte Otto, die Gegend uͤberſchauend, wenn ich jemals aus dieſem Glanze wie¬ der in die dumpfe Enge meines deutſchen Gebirgsſtaͤdt¬ chens zuruͤck muͤßte, wo ſie jetzt wohl vor den Thuͤren unter ihren hoͤlzernen Lauben ſitzen, die Haͤnde vor Kaͤlte feſt eingewickelt, und nichts vernehmen, als das Gloͤcklein der Bergleute und den Schlag des Eiſen¬ hammers von fern, und die Berge ſehen von allen Seiten finſter auf den ſtillen Markt herein, und der feuchte Wind ſchlaͤgt den Kohlenrauch nieder und ver¬ huͤllt alles wie ein Grab — mich ſchauert ordentlich bei dem Gedanken! — Huͤt' dich wohl, entgegnete Fortunat, es iſt ein wunderbares Lied in dem Wal¬ desrauſchen unſerer heimathlichen Berge; wo du auch ſeyeſt, es findet dich doch einmal wieder, und waͤr' es durch's offene Fenſter im Traum, keinen Dichter noch ließ ſeine Heimath los. — Otto ſchwieg nachſinnend — es war heut faſt etwas Freudeverſtoͤrtes in ſeinem gan¬ zen Weſen. Auf einmal bog er raſch mitten in das Bluͤten¬ meer von Gaͤrten hinein. Sie kamen an ein kleines, aber wohlgebautes reinliches Haus, von Epheu, Wein¬ laub und bluͤhenden Baͤumen reizend uͤberwachſen und verdeckt; die Tauben, die ſich auf dem Dache in der Abendſonne ſpiegelten, die offenſtehenden Fenſter und Thuͤren, wo bunte Schmetterlinge flimmernd ein und aus flatterten, alles gab ein wunderliches Bild ſuͤdli¬

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/228>, abgerufen am 04.05.2024.