Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Philosophie mit ihnen an, bald holten wir noch ein
Paar Wanderer ein, und wieder ein Paar, bis wir
zuletzt am Fuße des Berges auf einen großen, hellen
Haufen stießen. Ich besinne mich nicht lange und
haranguire das Volk. Ich sprach vom Aberglauben,
von der Freiheit des Willens et cetera, ich kam
immer mehr in's Feuer mit donnernder Stimme und
zuckenden Gedankenblitzen, das zündet gleich rechts und
links, die Kerls jauchzen, schreien Bravi und wieder
Bravi, und eh' man die Hand umdreht, mitten in der
Rede heben sie mit Piken und Stangen ein altes ab¬
gebrochenes Zelt hoch über ihre Köpfe, schwingen vor
Entzücken mich und den Lord auf den Baldachin hin¬
auf, und tragen uns so im Triumph auf ein altes
adeliges Schloß zu. Da war's doch nicht anders,
als wollten sie mit unseren Köpfen die Mauern ein¬
rennen, denn in der Begeisterung fragten sie den Teu¬
fel darnach, daß das Schloßthor viel zu niedrig war
für unseren Baldachin. Zum Glück erblick' ich nebst
dem Lord noch zu rechter Zeit einen Balkon gerade
vor uns über dem Thore, wir erfaßten schnell das
Geländer, die Kerls schritten wie toll unter uns weg,
und so blieben wir draußen am Balkon hängen mit
den Beinen in der Luft. Jetzt aber entstand unter
uns ein Spektakel, ein Gedränge und Gewürge --
denn die Kerls waren Guerillas -- die vom Schloß
fielen aus, die Guerillas ein -- zwischen unseren

Philoſophie mit ihnen an, bald holten wir noch ein
Paar Wanderer ein, und wieder ein Paar, bis wir
zuletzt am Fuße des Berges auf einen großen, hellen
Haufen ſtießen. Ich beſinne mich nicht lange und
haranguire das Volk. Ich ſprach vom Aberglauben,
von der Freiheit des Willens et cetera, ich kam
immer mehr in's Feuer mit donnernder Stimme und
zuckenden Gedankenblitzen, das zuͤndet gleich rechts und
links, die Kerls jauchzen, ſchreien Bravi und wieder
Bravi, und eh' man die Hand umdreht, mitten in der
Rede heben ſie mit Piken und Stangen ein altes ab¬
gebrochenes Zelt hoch uͤber ihre Koͤpfe, ſchwingen vor
Entzuͤcken mich und den Lord auf den Baldachin hin¬
auf, und tragen uns ſo im Triumph auf ein altes
adeliges Schloß zu. Da war's doch nicht anders,
als wollten ſie mit unſeren Koͤpfen die Mauern ein¬
rennen, denn in der Begeiſterung fragten ſie den Teu¬
fel darnach, daß das Schloßthor viel zu niedrig war
fuͤr unſeren Baldachin. Zum Gluͤck erblick' ich nebſt
dem Lord noch zu rechter Zeit einen Balkon gerade
vor uns uͤber dem Thore, wir erfaßten ſchnell das
Gelaͤnder, die Kerls ſchritten wie toll unter uns weg,
und ſo blieben wir draußen am Balkon haͤngen mit
den Beinen in der Luft. Jetzt aber entſtand unter
uns ein Spektakel, ein Gedraͤnge und Gewuͤrge —
denn die Kerls waren Guerillas — die vom Schloß
fielen aus, die Guerillas ein — zwiſchen unſeren

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0217" n="210"/>
Philo&#x017F;ophie mit ihnen an, bald holten wir noch ein<lb/>
Paar Wanderer ein, und wieder ein Paar, bis wir<lb/>
zuletzt am Fuße des Berges auf einen großen, hellen<lb/>
Haufen &#x017F;tießen. Ich be&#x017F;inne mich nicht lange und<lb/>
haranguire das Volk. Ich &#x017F;prach vom Aberglauben,<lb/>
von der Freiheit des Willens <hi rendition="#aq">et cetera</hi>, ich kam<lb/>
immer mehr in's Feuer mit donnernder Stimme und<lb/>
zuckenden Gedankenblitzen, das zu&#x0364;ndet gleich rechts und<lb/>
links, die Kerls jauchzen, &#x017F;chreien Bravi und wieder<lb/>
Bravi, und eh' man die Hand umdreht, mitten in der<lb/>
Rede heben &#x017F;ie mit Piken und Stangen ein altes ab¬<lb/>
gebrochenes Zelt hoch u&#x0364;ber ihre Ko&#x0364;pfe, &#x017F;chwingen vor<lb/>
Entzu&#x0364;cken mich und den Lord auf den Baldachin hin¬<lb/>
auf, und tragen uns &#x017F;o im Triumph auf ein altes<lb/>
adeliges Schloß zu. Da war's doch nicht anders,<lb/>
als wollten &#x017F;ie mit un&#x017F;eren Ko&#x0364;pfen die Mauern ein¬<lb/>
rennen, denn in der Begei&#x017F;terung fragten &#x017F;ie den Teu¬<lb/>
fel darnach, daß das Schloßthor viel zu niedrig war<lb/>
fu&#x0364;r un&#x017F;eren Baldachin. Zum Glu&#x0364;ck erblick' ich neb&#x017F;t<lb/>
dem Lord noch zu rechter Zeit einen Balkon gerade<lb/>
vor uns u&#x0364;ber dem Thore, wir erfaßten &#x017F;chnell das<lb/>
Gela&#x0364;nder, die Kerls &#x017F;chritten wie toll unter uns weg,<lb/>
und &#x017F;o blieben wir draußen am Balkon ha&#x0364;ngen mit<lb/>
den Beinen in der Luft. Jetzt aber ent&#x017F;tand unter<lb/>
uns ein Spektakel, ein Gedra&#x0364;nge und Gewu&#x0364;rge &#x2014;<lb/>
denn die Kerls waren Guerillas &#x2014; die vom Schloß<lb/>
fielen <hi rendition="#g">aus</hi>, die Guerillas <hi rendition="#g">ein</hi> &#x2014; zwi&#x017F;chen un&#x017F;eren<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[210/0217] Philoſophie mit ihnen an, bald holten wir noch ein Paar Wanderer ein, und wieder ein Paar, bis wir zuletzt am Fuße des Berges auf einen großen, hellen Haufen ſtießen. Ich beſinne mich nicht lange und haranguire das Volk. Ich ſprach vom Aberglauben, von der Freiheit des Willens et cetera, ich kam immer mehr in's Feuer mit donnernder Stimme und zuckenden Gedankenblitzen, das zuͤndet gleich rechts und links, die Kerls jauchzen, ſchreien Bravi und wieder Bravi, und eh' man die Hand umdreht, mitten in der Rede heben ſie mit Piken und Stangen ein altes ab¬ gebrochenes Zelt hoch uͤber ihre Koͤpfe, ſchwingen vor Entzuͤcken mich und den Lord auf den Baldachin hin¬ auf, und tragen uns ſo im Triumph auf ein altes adeliges Schloß zu. Da war's doch nicht anders, als wollten ſie mit unſeren Koͤpfen die Mauern ein¬ rennen, denn in der Begeiſterung fragten ſie den Teu¬ fel darnach, daß das Schloßthor viel zu niedrig war fuͤr unſeren Baldachin. Zum Gluͤck erblick' ich nebſt dem Lord noch zu rechter Zeit einen Balkon gerade vor uns uͤber dem Thore, wir erfaßten ſchnell das Gelaͤnder, die Kerls ſchritten wie toll unter uns weg, und ſo blieben wir draußen am Balkon haͤngen mit den Beinen in der Luft. Jetzt aber entſtand unter uns ein Spektakel, ein Gedraͤnge und Gewuͤrge — denn die Kerls waren Guerillas — die vom Schloß fielen aus, die Guerillas ein — zwiſchen unſeren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/217
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/217>, abgerufen am 04.05.2024.