Rittmeister auf einmal die Gräfin hoch über sich wie den Todesengel zwischen den Flammen. Ihm vergin¬ gen die Sinne bei dem Anblick, er vergaß Heimath, Liebchen und Ruhm, er wollte nur sie retten oder ster¬ ben. Vergebens riefen ihm die Seinigen nach, er hörte nicht mehr und drang verblendet die brennende Treppe hinan, unter sich in der wilden Beleuchtung sah er den Garten, die Schlüfte und den Strom, der wie eine glühende Schlange an dem Schlosse vorüber¬ schoß -- schon langte er nach ihr, sie zu umschlingen und hinabzutragen, da stieß sie ihn mächtig von der Zinne hinab, daß die Flammen wie fliegende Fahnen den braven Soldaten bedeckten.
Bald darauf stürzte der ganze Bau donnernd über Freund und Feind zusammen -- man hat seitdem die Gräfin nicht wieder gesehen.
Alles schwieg, als der Lord endigte, nur der Ba¬ ron, der während der Erzählung eingeschlummert war, fuhr auf seinem Stuhle erschrocken auf über die plötz¬ liche Stille. -- Nun -- und weiter? sagte endlich der Fürst ganz zerstreut. -- Der Lord sah ihn verwundert an. Was wollen Sie noch weiter in der spanischen Nacht, nachdem dieser schöne Stern gesunken? Das Andere lohnt nicht mehr: da der Rittmeister todt war, ergriffen die wenigen, noch übrig gebliebenen Franzo¬ sen voll Entsetzen die Flucht, auch meine Wächter wa¬ ren verschwunden. Ich eilte nun in der neuen Frei¬
Rittmeiſter auf einmal die Graͤfin hoch uͤber ſich wie den Todesengel zwiſchen den Flammen. Ihm vergin¬ gen die Sinne bei dem Anblick, er vergaß Heimath, Liebchen und Ruhm, er wollte nur ſie retten oder ſter¬ ben. Vergebens riefen ihm die Seinigen nach, er hoͤrte nicht mehr und drang verblendet die brennende Treppe hinan, unter ſich in der wilden Beleuchtung ſah er den Garten, die Schluͤfte und den Strom, der wie eine gluͤhende Schlange an dem Schloſſe voruͤber¬ ſchoß — ſchon langte er nach ihr, ſie zu umſchlingen und hinabzutragen, da ſtieß ſie ihn maͤchtig von der Zinne hinab, daß die Flammen wie fliegende Fahnen den braven Soldaten bedeckten.
Bald darauf ſtuͤrzte der ganze Bau donnernd uͤber Freund und Feind zuſammen — man hat ſeitdem die Graͤfin nicht wieder geſehen.
Alles ſchwieg, als der Lord endigte, nur der Ba¬ ron, der waͤhrend der Erzaͤhlung eingeſchlummert war, fuhr auf ſeinem Stuhle erſchrocken auf uͤber die ploͤtz¬ liche Stille. — Nun — und weiter? ſagte endlich der Fuͤrſt ganz zerſtreut. — Der Lord ſah ihn verwundert an. Was wollen Sie noch weiter in der ſpaniſchen Nacht, nachdem dieſer ſchoͤne Stern geſunken? Das Andere lohnt nicht mehr: da der Rittmeiſter todt war, ergriffen die wenigen, noch uͤbrig gebliebenen Franzo¬ ſen voll Entſetzen die Flucht, auch meine Waͤchter wa¬ ren verſchwunden. Ich eilte nun in der neuen Frei¬
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Rittmeiſter auf einmal die Graͤfin hoch uͤber ſich wie
den Todesengel zwiſchen den Flammen. Ihm vergin¬
gen die Sinne bei dem Anblick, er vergaß Heimath,
Liebchen und Ruhm, er wollte nur ſie retten oder ſter¬
ben. Vergebens riefen ihm die Seinigen nach, er
hoͤrte nicht mehr und drang verblendet die brennende
Treppe hinan, unter ſich in der wilden Beleuchtung
ſah er den Garten, die Schluͤfte und den Strom, der
wie eine gluͤhende Schlange an dem Schloſſe voruͤber¬
ſchoß — ſchon langte er nach ihr, ſie zu umſchlingen
und hinabzutragen, da ſtieß ſie ihn maͤchtig von der
Zinne hinab, daß die Flammen wie fliegende Fahnen
den braven Soldaten bedeckten.
Bald darauf ſtuͤrzte der ganze Bau donnernd
uͤber Freund und Feind zuſammen — man hat ſeitdem
die Graͤfin nicht wieder geſehen.
Alles ſchwieg, als der Lord endigte, nur der Ba¬
ron, der waͤhrend der Erzaͤhlung eingeſchlummert war,
fuhr auf ſeinem Stuhle erſchrocken auf uͤber die ploͤtz¬
liche Stille. — Nun — und weiter? ſagte endlich der
Fuͤrſt ganz zerſtreut. — Der Lord ſah ihn verwundert
an. Was wollen Sie noch weiter in der ſpaniſchen
Nacht, nachdem dieſer ſchoͤne Stern geſunken? Das
Andere lohnt nicht mehr: da der Rittmeiſter todt war,
ergriffen die wenigen, noch uͤbrig gebliebenen Franzo¬
ſen voll Entſetzen die Flucht, auch meine Waͤchter wa¬
ren verſchwunden. Ich eilte nun in der neuen Frei¬
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/146>, abgerufen am 23.11.2024.
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