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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

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wurden wilde, trotzige Gestalten mit Dolchen und lan¬
gen Vogelflinten sichtbar, wie sie der Rittmeister vor¬
hin beschrieben. Sie schossen aus allen Fenstern auf
uns, und mancher Franzose sank in's Gras, eh sich
unser Häuflein nur besinnen konnte. Unterdeß hatte
sich das Gerücht verbreitet, die wilde Gräfin sey im
Schlosse; der Rittmeister verlor keinen Augenblick den
Kopf, er traute mir nicht mehr in solcher Gefahr und
ließ mich tiefer in den Wald zurückbringen, dann
erbrachen sie mit gewaltiger Anstrengung Thor und
Riegel und drangen in die Burg hinein. Der erste,
der ihnen dort begegnete, war St. Val, er focht wie
ein Rasender und stürzte sich zuletzt in wildem Wahn¬
sinn selbst in die französischen Klingen.

Ueber seinen Leichnam nun ging der Kampf von
Treppe zu Treppe entsetzlich durch alle Gänge. Die
Franzosen waren kriegsgewandter und zahlreicher, als
ihre Gegner, die Gräfin und die Ihrigen wurden
immer höher hinaufgetrieben -- es war keine Rettung
mehr für sie. Da schlug plötzlich aus dem einen Fen¬
ster ein heller Schein hervor, dann wieder aus einem
andern, immer mehr röthliche Flammen züngelten
schnell an allen Ecken auf, der Sturm faßte die wach¬
senden Lohen und wildkühn kletterte das Feuer an den
Gebälken empor, wie ein prächtiges Laubgewinde in
der Nacht, mitten in der Glut sah man die dunklen
Gestalten noch ringen. In dieser Noth erblickte der

wurden wilde, trotzige Geſtalten mit Dolchen und lan¬
gen Vogelflinten ſichtbar, wie ſie der Rittmeiſter vor¬
hin beſchrieben. Sie ſchoſſen aus allen Fenſtern auf
uns, und mancher Franzoſe ſank in's Gras, eh ſich
unſer Haͤuflein nur beſinnen konnte. Unterdeß hatte
ſich das Geruͤcht verbreitet, die wilde Graͤfin ſey im
Schloſſe; der Rittmeiſter verlor keinen Augenblick den
Kopf, er traute mir nicht mehr in ſolcher Gefahr und
ließ mich tiefer in den Wald zuruͤckbringen, dann
erbrachen ſie mit gewaltiger Anſtrengung Thor und
Riegel und drangen in die Burg hinein. Der erſte,
der ihnen dort begegnete, war St. Val, er focht wie
ein Raſender und ſtuͤrzte ſich zuletzt in wildem Wahn¬
ſinn ſelbſt in die franzoͤſiſchen Klingen.

Ueber ſeinen Leichnam nun ging der Kampf von
Treppe zu Treppe entſetzlich durch alle Gaͤnge. Die
Franzoſen waren kriegsgewandter und zahlreicher, als
ihre Gegner, die Graͤfin und die Ihrigen wurden
immer hoͤher hinaufgetrieben — es war keine Rettung
mehr fuͤr ſie. Da ſchlug ploͤtzlich aus dem einen Fen¬
ſter ein heller Schein hervor, dann wieder aus einem
andern, immer mehr roͤthliche Flammen zuͤngelten
ſchnell an allen Ecken auf, der Sturm faßte die wach¬
ſenden Lohen und wildkuͤhn kletterte das Feuer an den
Gebaͤlken empor, wie ein praͤchtiges Laubgewinde in
der Nacht, mitten in der Glut ſah man die dunklen
Geſtalten noch ringen. In dieſer Noth erblickte der

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[138/0145] wurden wilde, trotzige Geſtalten mit Dolchen und lan¬ gen Vogelflinten ſichtbar, wie ſie der Rittmeiſter vor¬ hin beſchrieben. Sie ſchoſſen aus allen Fenſtern auf uns, und mancher Franzoſe ſank in's Gras, eh ſich unſer Haͤuflein nur beſinnen konnte. Unterdeß hatte ſich das Geruͤcht verbreitet, die wilde Graͤfin ſey im Schloſſe; der Rittmeiſter verlor keinen Augenblick den Kopf, er traute mir nicht mehr in ſolcher Gefahr und ließ mich tiefer in den Wald zuruͤckbringen, dann erbrachen ſie mit gewaltiger Anſtrengung Thor und Riegel und drangen in die Burg hinein. Der erſte, der ihnen dort begegnete, war St. Val, er focht wie ein Raſender und ſtuͤrzte ſich zuletzt in wildem Wahn¬ ſinn ſelbſt in die franzoͤſiſchen Klingen. Ueber ſeinen Leichnam nun ging der Kampf von Treppe zu Treppe entſetzlich durch alle Gaͤnge. Die Franzoſen waren kriegsgewandter und zahlreicher, als ihre Gegner, die Graͤfin und die Ihrigen wurden immer hoͤher hinaufgetrieben — es war keine Rettung mehr fuͤr ſie. Da ſchlug ploͤtzlich aus dem einen Fen¬ ſter ein heller Schein hervor, dann wieder aus einem andern, immer mehr roͤthliche Flammen zuͤngelten ſchnell an allen Ecken auf, der Sturm faßte die wach¬ ſenden Lohen und wildkuͤhn kletterte das Feuer an den Gebaͤlken empor, wie ein praͤchtiges Laubgewinde in der Nacht, mitten in der Glut ſah man die dunklen Geſtalten noch ringen. In dieſer Noth erblickte der

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/145>, abgerufen am 25.11.2024.