Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

den heitern Markt, und eine leise Wehmuth flog durch
seine Seele über die langsam zersetzende und zerstörende
Gewalt der Verhältnisse, wie sie ihm auf Walters
treues Gemüth wirksam zu seyn schien. -- Laß' uns
nach guter alter Art im Freien trinken! rief er, sich
schnell umwendend aus, da er die Zurüstungen hinter
sich erblickte. Walter hatte Bedenken: das sey hier
nicht gewöhnlich, man werde in kleinen Städten zu
sehr bemerkt. Fortunat aber hatte unterdeß schon
unter jeden Arm eine Flasche genommen, und wan¬
derte damit die Treppe hinunter. Walter folgte ver¬
legen lachend, die Alte brachte voll Verwunderung
Tisch und Gläser nach, und bald war die ganze fröh¬
liche, funkelnde Wirthschaft unter den Bäumen vor
der Thür aufgeschlagen.

Die Sonne war indeß untergegangen, und die
Dächer und die Gipfel der Berge über der Stadt
glühten noch, von denen ein erquickender Strom von
Kühle durch alle Straßen und Herzen ging. Kinder
jagten sich, und schwärmten in den Gassen, die Vor¬
nehmen, ihre Hüte nachlässig in der Hand, und sich
den Schweiß abtrocknend, kehrten, von allen Seiten
ehrerbietig begrüßt, von ihren Spaziergängen zurück.
Andere traten in bequemen Nachtkleidern mit den
Pfeifen vor die Thüren, und plauderten mit dem Nach¬
bar, während junge Mädchen, kichernd und in lebhaf¬

den heitern Markt, und eine leiſe Wehmuth flog durch
ſeine Seele uͤber die langſam zerſetzende und zerſtoͤrende
Gewalt der Verhaͤltniſſe, wie ſie ihm auf Walters
treues Gemuͤth wirkſam zu ſeyn ſchien. — Laß' uns
nach guter alter Art im Freien trinken! rief er, ſich
ſchnell umwendend aus, da er die Zuruͤſtungen hinter
ſich erblickte. Walter hatte Bedenken: das ſey hier
nicht gewoͤhnlich, man werde in kleinen Staͤdten zu
ſehr bemerkt. Fortunat aber hatte unterdeß ſchon
unter jeden Arm eine Flaſche genommen, und wan¬
derte damit die Treppe hinunter. Walter folgte ver¬
legen lachend, die Alte brachte voll Verwunderung
Tiſch und Glaͤſer nach, und bald war die ganze froͤh¬
liche, funkelnde Wirthſchaft unter den Baͤumen vor
der Thuͤr aufgeſchlagen.

Die Sonne war indeß untergegangen, und die
Daͤcher und die Gipfel der Berge uͤber der Stadt
gluͤhten noch, von denen ein erquickender Strom von
Kuͤhle durch alle Straßen und Herzen ging. Kinder
jagten ſich, und ſchwaͤrmten in den Gaſſen, die Vor¬
nehmen, ihre Huͤte nachlaͤſſig in der Hand, und ſich
den Schweiß abtrocknend, kehrten, von allen Seiten
ehrerbietig begruͤßt, von ihren Spaziergaͤngen zuruͤck.
Andere traten in bequemen Nachtkleidern mit den
Pfeifen vor die Thuͤren, und plauderten mit dem Nach¬
bar, waͤhrend junge Maͤdchen, kichernd und in lebhaf¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0013" n="6"/>
den heitern Markt, und eine lei&#x017F;e Wehmuth flog durch<lb/>
&#x017F;eine Seele u&#x0364;ber die lang&#x017F;am zer&#x017F;etzende und zer&#x017F;to&#x0364;rende<lb/>
Gewalt der Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e, wie &#x017F;ie ihm auf Walters<lb/>
treues Gemu&#x0364;th wirk&#x017F;am zu &#x017F;eyn &#x017F;chien. &#x2014; Laß' uns<lb/>
nach guter alter Art im Freien trinken! rief er, &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;chnell umwendend aus, da er die Zuru&#x0364;&#x017F;tungen hinter<lb/>
&#x017F;ich erblickte. Walter hatte Bedenken: das &#x017F;ey hier<lb/>
nicht gewo&#x0364;hnlich, man werde in kleinen Sta&#x0364;dten zu<lb/>
&#x017F;ehr bemerkt. Fortunat aber hatte unterdeß &#x017F;chon<lb/>
unter jeden Arm eine Fla&#x017F;che genommen, und wan¬<lb/>
derte damit die Treppe hinunter. Walter folgte ver¬<lb/>
legen lachend, die Alte brachte voll Verwunderung<lb/>
Ti&#x017F;ch und Gla&#x0364;&#x017F;er nach, und bald war die ganze fro&#x0364;<lb/>
liche, funkelnde Wirth&#x017F;chaft unter den Ba&#x0364;umen vor<lb/>
der Thu&#x0364;r aufge&#x017F;chlagen.</p><lb/>
          <p>Die Sonne war indeß untergegangen, und die<lb/>
Da&#x0364;cher und die Gipfel der Berge u&#x0364;ber der Stadt<lb/>
glu&#x0364;hten noch, von denen ein erquickender Strom von<lb/>
Ku&#x0364;hle durch alle Straßen und Herzen ging. Kinder<lb/>
jagten &#x017F;ich, und &#x017F;chwa&#x0364;rmten in den Ga&#x017F;&#x017F;en, die Vor¬<lb/>
nehmen, ihre Hu&#x0364;te nachla&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig in der Hand, und &#x017F;ich<lb/>
den Schweiß abtrocknend, kehrten, von allen Seiten<lb/>
ehrerbietig begru&#x0364;ßt, von ihren Spazierga&#x0364;ngen zuru&#x0364;ck.<lb/>
Andere traten in bequemen Nachtkleidern mit den<lb/>
Pfeifen vor die Thu&#x0364;ren, und plauderten mit dem Nach¬<lb/>
bar, wa&#x0364;hrend junge Ma&#x0364;dchen, kichernd und in lebhaf¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0013] den heitern Markt, und eine leiſe Wehmuth flog durch ſeine Seele uͤber die langſam zerſetzende und zerſtoͤrende Gewalt der Verhaͤltniſſe, wie ſie ihm auf Walters treues Gemuͤth wirkſam zu ſeyn ſchien. — Laß' uns nach guter alter Art im Freien trinken! rief er, ſich ſchnell umwendend aus, da er die Zuruͤſtungen hinter ſich erblickte. Walter hatte Bedenken: das ſey hier nicht gewoͤhnlich, man werde in kleinen Staͤdten zu ſehr bemerkt. Fortunat aber hatte unterdeß ſchon unter jeden Arm eine Flaſche genommen, und wan¬ derte damit die Treppe hinunter. Walter folgte ver¬ legen lachend, die Alte brachte voll Verwunderung Tiſch und Glaͤſer nach, und bald war die ganze froͤh¬ liche, funkelnde Wirthſchaft unter den Baͤumen vor der Thuͤr aufgeſchlagen. Die Sonne war indeß untergegangen, und die Daͤcher und die Gipfel der Berge uͤber der Stadt gluͤhten noch, von denen ein erquickender Strom von Kuͤhle durch alle Straßen und Herzen ging. Kinder jagten ſich, und ſchwaͤrmten in den Gaſſen, die Vor¬ nehmen, ihre Huͤte nachlaͤſſig in der Hand, und ſich den Schweiß abtrocknend, kehrten, von allen Seiten ehrerbietig begruͤßt, von ihren Spaziergaͤngen zuruͤck. Andere traten in bequemen Nachtkleidern mit den Pfeifen vor die Thuͤren, und plauderten mit dem Nach¬ bar, waͤhrend junge Maͤdchen, kichernd und in lebhaf¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/13
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/13>, abgerufen am 23.11.2024.