heit und ihrem Geiste anfangen soll, eine Freundin meiner Schwester, weil sie mit ihr spielen kann wie sie will, eine tollgewordene Genialität, die in die Männlichkeit hineinpfuscht. Hiebey wandte er sich ärgerlich zu seinen Jägern, die ihre Pferde schon wieder aufgezäumt hatten, und befahl ihnen, nach seinem Schloße zurückzukehren, um die Reise freyer und bequemer, bloß in Friedrichs und Erwins Begleitung weiter fortzusetzen.
Die Jäger brachen bald auf und die beyden Grafen blieben nun allein auf dem grünen Platze zurück, wo es so auf einmal still und leer geworden war. Da kam Erwin wieder gesprungen und sag¬ te, daß man den Wagen so eben noch in der Fer¬ ne sehen könne. Sie blickten hinab und sahen, wie er in der glänzenden Ebne fortrollte, bis er zwi¬ schen den blühenden Hügeln und Gärten in den Abendschimmer verschwand, der sich eben weit über die Thäler legte. Von der andern Seite hörte man noch die Hörner der heimziehenden Jäger über die Berge. Siehst du dort, sagte Friedrich, die dunklen Thürme der Residenz? Sie stehen wie Lei¬ chensteine des versunkenen Tages. Anders sind die Menschen dort, unter welche Rosa nun kommt; treue Sitte, Frömmigkeit und Einfalt gilt nicht unter ihnen. Ich möchte sie lieber todt, als so wiederseh'n. Ist mir doch, als stiege sie, wie eine Todesbraut, in ein flimmernd aufgeschmücktes, gro¬ ßes Grab, und wir wendeten uns treulos von ihr
heit und ihrem Geiſte anfangen ſoll, eine Freundin meiner Schweſter, weil ſie mit ihr ſpielen kann wie ſie will, eine tollgewordene Genialität, die in die Männlichkeit hineinpfuſcht. Hiebey wandte er ſich ärgerlich zu ſeinen Jägern, die ihre Pferde ſchon wieder aufgezäumt hatten, und befahl ihnen, nach ſeinem Schloße zurückzukehren, um die Reiſe freyer und bequemer, bloß in Friedrichs und Erwins Begleitung weiter fortzuſetzen.
Die Jäger brachen bald auf und die beyden Grafen blieben nun allein auf dem grünen Platze zurück, wo es ſo auf einmal ſtill und leer geworden war. Da kam Erwin wieder geſprungen und ſag¬ te, daß man den Wagen ſo eben noch in der Fer¬ ne ſehen könne. Sie blickten hinab und ſahen, wie er in der glänzenden Ebne fortrollte, bis er zwi¬ ſchen den blühenden Hügeln und Gärten in den Abendſchimmer verſchwand, der ſich eben weit über die Thäler legte. Von der andern Seite hörte man noch die Hörner der heimziehenden Jäger über die Berge. Siehſt du dort, ſagte Friedrich, die dunklen Thürme der Reſidenz? Sie ſtehen wie Lei¬ chenſteine des verſunkenen Tages. Anders ſind die Menſchen dort, unter welche Roſa nun kommt; treue Sitte, Frömmigkeit und Einfalt gilt nicht unter ihnen. Ich möchte ſie lieber todt, als ſo wiederſeh'n. Iſt mir doch, als ſtiege ſie, wie eine Todesbraut, in ein flimmernd aufgeſchmücktes, gro¬ ßes Grab, und wir wendeten uns treulos von ihr
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heit und ihrem Geiſte anfangen ſoll, eine Freundin
meiner Schweſter, weil ſie mit ihr ſpielen kann wie
ſie will, eine tollgewordene Genialität, die in die
Männlichkeit hineinpfuſcht. Hiebey wandte er ſich
ärgerlich zu ſeinen Jägern, die ihre Pferde ſchon
wieder aufgezäumt hatten, und befahl ihnen, nach
ſeinem Schloße zurückzukehren, um die Reiſe freyer
und bequemer, bloß in Friedrichs und Erwins
Begleitung weiter fortzuſetzen.
Die Jäger brachen bald auf und die beyden
Grafen blieben nun allein auf dem grünen Platze
zurück, wo es ſo auf einmal ſtill und leer geworden
war. Da kam Erwin wieder geſprungen und ſag¬
te, daß man den Wagen ſo eben noch in der Fer¬
ne ſehen könne. Sie blickten hinab und ſahen, wie
er in der glänzenden Ebne fortrollte, bis er zwi¬
ſchen den blühenden Hügeln und Gärten in den
Abendſchimmer verſchwand, der ſich eben weit über
die Thäler legte. Von der andern Seite hörte man
noch die Hörner der heimziehenden Jäger über die
Berge. Siehſt du dort, ſagte Friedrich, die
dunklen Thürme der Reſidenz? Sie ſtehen wie Lei¬
chenſteine des verſunkenen Tages. Anders ſind die
Menſchen dort, unter welche Roſa nun kommt;
treue Sitte, Frömmigkeit und Einfalt gilt nicht
unter ihnen. Ich möchte ſie lieber todt, als ſo
wiederſeh'n. Iſt mir doch, als ſtiege ſie, wie eine
Todesbraut, in ein flimmernd aufgeſchmücktes, gro¬
ßes Grab, und wir wendeten uns treulos von ihr
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/98>, abgerufen am 06.10.2024.
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