Ich weiß nicht, ob der Frühling mit seinen. Zauberlichtern in diese Geschichten hineinspielte, oder ob sie den Lenz mit ihren rührenden Wunderschei¬ nen überglänzten, -- aber Blumen, Wald und Wiesen erschienen mir damals anders und schöner. Es war, als hätten mir diese Bücher die goldenen Schlüssel zu den Wunderschäzen und der verborge¬ nen Pracht der Natur gegeben. Mir war noch nie so fromm und fröhlich zu Muthe gewesen. Selbst die ungeschickten Holzstiche dabey waren mir lieb, ja überaus werth. Ich erinnere mich noch jezt mit Vergnügen, wie ich mich in das Bild, wo der Rit¬ ter Peter von seinen Aeltern zieht, vertiefen konn¬ te, wie ich mir den einen Berg im Hintergrunde mit Burgen, Wäldern, Städten und Morgenglanz ausschmückte, und in das Meer dahinter, aus we¬ nigen groben Strichen bestehend, und die Wolken drüber mit ganzer Seele hineinsegelte. Ja, ich glaube wahrhaftig, wenn einmal bey Gedichten Bil¬ der seyn sollen, so sind solche die besten. Jene feinern, sauberen Kupferstiche mit ihren modernen Gesichtern und ihrer, bis zum kleinsten Strauche, ausgeführten und festbegränzten Umgebung verder¬ ben und beengen alle Einbildung, anstatt daß diese Holzstiche mit ihren verworrenen Strichen und un¬ kenntlichen Gesichtern der Phantasie, ohne die doch niemand lesen sollte, einen frischen, unendlichen Spielraum eröffnen, ja, sie gleichsam herausfor¬ dern.
Alle
Ich weiß nicht, ob der Frühling mit ſeinen. Zauberlichtern in dieſe Geſchichten hineinſpielte, oder ob ſie den Lenz mit ihren rührenden Wunderſchei¬ nen überglänzten, — aber Blumen, Wald und Wieſen erſchienen mir damals anders und ſchöner. Es war, als hätten mir dieſe Bücher die goldenen Schlüſſel zu den Wunderſchäzen und der verborge¬ nen Pracht der Natur gegeben. Mir war noch nie ſo fromm und fröhlich zu Muthe geweſen. Selbſt die ungeſchickten Holzſtiche dabey waren mir lieb, ja überaus werth. Ich erinnere mich noch jezt mit Vergnügen, wie ich mich in das Bild, wo der Rit¬ ter Peter von ſeinen Aeltern zieht, vertiefen konn¬ te, wie ich mir den einen Berg im Hintergrunde mit Burgen, Wäldern, Städten und Morgenglanz ausſchmückte, und in das Meer dahinter, aus we¬ nigen groben Strichen beſtehend, und die Wolken drüber mit ganzer Seele hineinſegelte. Ja, ich glaube wahrhaftig, wenn einmal bey Gedichten Bil¬ der ſeyn ſollen, ſo ſind ſolche die beſten. Jene feinern, ſauberen Kupferſtiche mit ihren modernen Geſichtern und ihrer, bis zum kleinſten Strauche, ausgeführten und feſtbegränzten Umgebung verder¬ ben und beengen alle Einbildung, anſtatt daß dieſe Holzſtiche mit ihren verworrenen Strichen und un¬ kenntlichen Geſichtern der Phantaſie, ohne die doch niemand leſen ſollte, einen friſchen, unendlichen Spielraum eröffnen, ja, ſie gleichſam herausfor¬ dern.
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Ich weiß nicht, ob der Frühling mit ſeinen.
Zauberlichtern in dieſe Geſchichten hineinſpielte, oder
ob ſie den Lenz mit ihren rührenden Wunderſchei¬
nen überglänzten, — aber Blumen, Wald und
Wieſen erſchienen mir damals anders und ſchöner.
Es war, als hätten mir dieſe Bücher die goldenen
Schlüſſel zu den Wunderſchäzen und der verborge¬
nen Pracht der Natur gegeben. Mir war noch nie
ſo fromm und fröhlich zu Muthe geweſen. Selbſt
die ungeſchickten Holzſtiche dabey waren mir lieb,
ja überaus werth. Ich erinnere mich noch jezt mit
Vergnügen, wie ich mich in das Bild, wo der Rit¬
ter Peter von ſeinen Aeltern zieht, vertiefen konn¬
te, wie ich mir den einen Berg im Hintergrunde
mit Burgen, Wäldern, Städten und Morgenglanz
ausſchmückte, und in das Meer dahinter, aus we¬
nigen groben Strichen beſtehend, und die Wolken
drüber mit ganzer Seele hineinſegelte. Ja, ich
glaube wahrhaftig, wenn einmal bey Gedichten Bil¬
der ſeyn ſollen, ſo ſind ſolche die beſten. Jene
feinern, ſauberen Kupferſtiche mit ihren modernen
Geſichtern und ihrer, bis zum kleinſten Strauche,
ausgeführten und feſtbegränzten Umgebung verder¬
ben und beengen alle Einbildung, anſtatt daß dieſe
Holzſtiche mit ihren verworrenen Strichen und un¬
kenntlichen Geſichtern der Phantaſie, ohne die doch
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/86>, abgerufen am 27.11.2024.
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