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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Ida blieb nun allein zurück. Ihr war längst
angst und bange auf dem alten Schlosse gewesen,
und da sie jezt ungeheure Schäze in den Kellern
ihres Vaters vorfand, so veränderte sie sogleich ihre
ganze Lebensweise. -- Gott sey Dank, sagte Rosa,
denn bis jezt war sie wahrhaftig ziemlich langwei¬
lig. -- Faber fuhr wieder fort: Die dunkeln Bo¬
gen, Thore und Höfe der alten Burg wurden nie¬
dergerissen und ein neues, lichtes Schloß mit blen¬
dendweissen Mauern und kleinern, luftigen Thürm¬
chen erhob sich bald über den alten Steinen. Ein
großer, schöner Garten wurde daneben angelegt,
durch den der blaue Fluß vorüberfloß. Da standen
tausenderley hohe, bunte Blumen, Wasserkünste
sprangen dazwischen und zahme Rehe giengen darin
spazieren. Der Schloßhof wimmelte von Rossen und
reichgeschmückten Edelknaben, die lustige Lieder auf
ihr schönes Fräulein sangen. Sie selber war nun
schon groß und außerordentlich schön geworden. Von
Ost und West kamen daher nun reiche und junge
Freyer angezogen, und die Strassen, die zu dem
Schlosse führten, blizten von blanken Reitern, Hel¬
men und Federbüschen.

Das gefiel dem Fräulein gar wohl, aber so
gern sie auch alle Männer hatte, so mochte sie doch
mit keinem Einzelnen ihren Ring auswechseln; denn
jeder Gedanke an die Ehe war ihr lächerlich und
verhaßt. Was soll ich, sagte sie zu sich selbst, mei¬
ne schöne Jugend verkümmern, um in abgeschiede¬
ner, langweiliger Einsamkeit eine armselige Haus¬
mutter abzugeben, anstatt daß ich jezt so frey bin,

Ida blieb nun allein zurück. Ihr war längſt
angſt und bange auf dem alten Schloſſe geweſen,
und da ſie jezt ungeheure Schäze in den Kellern
ihres Vaters vorfand, ſo veränderte ſie ſogleich ihre
ganze Lebensweiſe. — Gott ſey Dank, ſagte Roſa,
denn bis jezt war ſie wahrhaftig ziemlich langwei¬
lig. — Faber fuhr wieder fort: Die dunkeln Bo¬
gen, Thore und Höfe der alten Burg wurden nie¬
dergeriſſen und ein neues, lichtes Schloß mit blen¬
dendweiſſen Mauern und kleinern, luftigen Thürm¬
chen erhob ſich bald über den alten Steinen. Ein
großer, ſchöner Garten wurde daneben angelegt,
durch den der blaue Fluß vorüberfloß. Da ſtanden
tauſenderley hohe, bunte Blumen, Waſſerkünſte
ſprangen dazwiſchen und zahme Rehe giengen darin
ſpazieren. Der Schloßhof wimmelte von Roſſen und
reichgeſchmückten Edelknaben, die luſtige Lieder auf
ihr ſchönes Fräulein ſangen. Sie ſelber war nun
ſchon groß und außerordentlich ſchön geworden. Von
Oſt und Weſt kamen daher nun reiche und junge
Freyer angezogen, und die Straſſen, die zu dem
Schloſſe führten, blizten von blanken Reitern, Hel¬
men und Federbüſchen.

Das gefiel dem Fräulein gar wohl, aber ſo
gern ſie auch alle Männer hatte, ſo mochte ſie doch
mit keinem Einzelnen ihren Ring auswechſeln; denn
jeder Gedanke an die Ehe war ihr lächerlich und
verhaßt. Was ſoll ich, ſagte ſie zu ſich ſelbſt, mei¬
ne ſchöne Jugend verkümmern, um in abgeſchiede¬
ner, langweiliger Einſamkeit eine armſelige Haus¬
mutter abzugeben, anſtatt daß ich jezt ſo frey bin,

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[62/0068] Ida blieb nun allein zurück. Ihr war längſt angſt und bange auf dem alten Schloſſe geweſen, und da ſie jezt ungeheure Schäze in den Kellern ihres Vaters vorfand, ſo veränderte ſie ſogleich ihre ganze Lebensweiſe. — Gott ſey Dank, ſagte Roſa, denn bis jezt war ſie wahrhaftig ziemlich langwei¬ lig. — Faber fuhr wieder fort: Die dunkeln Bo¬ gen, Thore und Höfe der alten Burg wurden nie¬ dergeriſſen und ein neues, lichtes Schloß mit blen¬ dendweiſſen Mauern und kleinern, luftigen Thürm¬ chen erhob ſich bald über den alten Steinen. Ein großer, ſchöner Garten wurde daneben angelegt, durch den der blaue Fluß vorüberfloß. Da ſtanden tauſenderley hohe, bunte Blumen, Waſſerkünſte ſprangen dazwiſchen und zahme Rehe giengen darin ſpazieren. Der Schloßhof wimmelte von Roſſen und reichgeſchmückten Edelknaben, die luſtige Lieder auf ihr ſchönes Fräulein ſangen. Sie ſelber war nun ſchon groß und außerordentlich ſchön geworden. Von Oſt und Weſt kamen daher nun reiche und junge Freyer angezogen, und die Straſſen, die zu dem Schloſſe führten, blizten von blanken Reitern, Hel¬ men und Federbüſchen. Das gefiel dem Fräulein gar wohl, aber ſo gern ſie auch alle Männer hatte, ſo mochte ſie doch mit keinem Einzelnen ihren Ring auswechſeln; denn jeder Gedanke an die Ehe war ihr lächerlich und verhaßt. Was ſoll ich, ſagte ſie zu ſich ſelbſt, mei¬ ne ſchöne Jugend verkümmern, um in abgeſchiede¬ ner, langweiliger Einſamkeit eine armſelige Haus¬ mutter abzugeben, anſtatt daß ich jezt ſo frey bin,

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/68>, abgerufen am 02.05.2024.