Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

mal fein natürlich wieder auf die Beine zu bringen
und zurecht zu rücken. Kommt mir doch jezt meine
ganze Reise vor, wie eine Armee, wo man vorn
blitzende Schwerter und wehende Fahnen, hinter¬
drein aber einen langen Schwanz von Wägen und
Weibern sieht, die auf alten Stühlen, Betten und
anderem Hausgeräth sitzen und plaudern, kochen,
handeln und zanken, als wäre da vorn eben alles
nichts, daß einem alle Lust zur Kourage vergeht.
Wahrhaftig, wenn du mitziehst, meine weltliche
Rosa, so lasse ich das ganze herrliche, tausendfar¬
bige Rad meiner Reisevorsätze fallen, wie der
Pfau, wenn er seine prosaischen Füße besieht. --
Rosa, die sein Wort von allem verstanden hatte,
was ihr Bruder gesagt, ließ sich nichts ausreden,
sondern beharrte ruhig und fest ihrem Entschlusse,
denn sie gefiel sich schon im Voraus zu sehr als
Amazone zu Pferde und freute sich auf neue Spek¬
takel. Friedrich, der eben hier dazu kam, schüt¬
telte den Kopf über ihr hartes Köpfchen, das ihm
unter allen Untugenden der Mädchen die unleidlich¬
ste war. Noch tiefer aber schmerzte ihn ihre Hart¬
näckigkeit, da sie doch wußte, daß er nicht mitrei¬
se, daß er es nur um Ihretwillen ausgeschlagen
habe, und ihn wandelte heimlich die Lust an, sel¬
ber allein in alle Welt zu gehen. Leontin, der,
wie auf etwas sinnend, unterdeß die beyden ver¬
liebten Gesichter angesehen hatte, lachte auf einmal
auf. Nein, rief er, wahrhaftig, der Spaß ist so
größer! Rosa, du sollst mitreisen, und Faber und
Marie und Erwin und Haus und Hof. Wir wollen

mal fein natürlich wieder auf die Beine zu bringen
und zurecht zu rücken. Kommt mir doch jezt meine
ganze Reiſe vor, wie eine Armee, wo man vorn
blitzende Schwerter und wehende Fahnen, hinter¬
drein aber einen langen Schwanz von Wägen und
Weibern ſieht, die auf alten Stühlen, Betten und
anderem Hausgeräth ſitzen und plaudern, kochen,
handeln und zanken, als wäre da vorn eben alles
nichts, daß einem alle Luſt zur Kourage vergeht.
Wahrhaftig, wenn du mitziehſt, meine weltliche
Roſa, ſo laſſe ich das ganze herrliche, tauſendfar¬
bige Rad meiner Reiſevorſätze fallen, wie der
Pfau, wenn er ſeine proſaiſchen Füße beſieht. —
Roſa, die ſein Wort von allem verſtanden hatte,
was ihr Bruder geſagt, ließ ſich nichts ausreden,
ſondern beharrte ruhig und feſt ihrem Entſchluſſe,
denn ſie gefiel ſich ſchon im Voraus zu ſehr als
Amazone zu Pferde und freute ſich auf neue Spek¬
takel. Friedrich, der eben hier dazu kam, ſchüt¬
telte den Kopf über ihr hartes Köpfchen, das ihm
unter allen Untugenden der Mädchen die unleidlich¬
ſte war. Noch tiefer aber ſchmerzte ihn ihre Hart¬
näckigkeit, da ſie doch wußte, daß er nicht mitrei¬
ſe, daß er es nur um Ihretwillen ausgeſchlagen
habe, und ihn wandelte heimlich die Luſt an, ſel¬
ber allein in alle Welt zu gehen. Leontin, der,
wie auf etwas ſinnend, unterdeß die beyden ver¬
liebten Geſichter angeſehen hatte, lachte auf einmal
auf. Nein, rief er, wahrhaftig, der Spaß iſt ſo
größer! Roſa, du ſollſt mitreiſen, und Faber und
Marie und Erwin und Haus und Hof. Wir wollen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0059" n="53"/>
mal fein natürlich wieder auf die Beine zu bringen<lb/>
und zurecht zu rücken. Kommt mir doch jezt meine<lb/>
ganze Rei&#x017F;e vor, wie eine Armee, wo man vorn<lb/>
blitzende Schwerter und wehende Fahnen, hinter¬<lb/>
drein aber einen langen Schwanz von Wägen und<lb/>
Weibern &#x017F;ieht, die auf alten Stühlen, Betten und<lb/>
anderem Hausgeräth &#x017F;itzen und plaudern, kochen,<lb/>
handeln und zanken, als wäre da vorn eben alles<lb/>
nichts, daß einem alle Lu&#x017F;t zur Kourage vergeht.<lb/>
Wahrhaftig, wenn du mitzieh&#x017F;t, meine weltliche<lb/><hi rendition="#g">Ro&#x017F;a</hi>, &#x017F;o la&#x017F;&#x017F;e ich das ganze herrliche, tau&#x017F;endfar¬<lb/>
bige Rad meiner Rei&#x017F;evor&#x017F;ätze fallen, wie der<lb/>
Pfau, wenn er &#x017F;eine pro&#x017F;ai&#x017F;chen Füße be&#x017F;ieht. &#x2014;<lb/><hi rendition="#g">Ro&#x017F;a</hi>, die &#x017F;ein Wort von allem ver&#x017F;tanden hatte,<lb/>
was ihr Bruder ge&#x017F;agt, ließ &#x017F;ich nichts ausreden,<lb/>
&#x017F;ondern beharrte ruhig und fe&#x017F;t ihrem Ent&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
denn &#x017F;ie gefiel &#x017F;ich &#x017F;chon im Voraus zu &#x017F;ehr als<lb/>
Amazone zu Pferde und freute &#x017F;ich auf neue Spek¬<lb/>
takel. <hi rendition="#g">Friedrich</hi>, der eben hier dazu kam, &#x017F;chüt¬<lb/>
telte den Kopf über ihr hartes Köpfchen, das ihm<lb/>
unter allen Untugenden der Mädchen die unleidlich¬<lb/>
&#x017F;te war. Noch tiefer aber &#x017F;chmerzte ihn ihre Hart¬<lb/>
näckigkeit, da &#x017F;ie doch wußte, daß er nicht mitrei¬<lb/>
&#x017F;e, daß er es nur um Ihretwillen ausge&#x017F;chlagen<lb/>
habe, und ihn wandelte heimlich die Lu&#x017F;t an, &#x017F;el¬<lb/>
ber allein in alle Welt zu gehen. Leontin, der,<lb/>
wie auf etwas &#x017F;innend, unterdeß die beyden ver¬<lb/>
liebten Ge&#x017F;ichter ange&#x017F;ehen hatte, lachte auf einmal<lb/>
auf. Nein, rief er, wahrhaftig, der Spaß i&#x017F;t &#x017F;o<lb/>
größer! <hi rendition="#g">Ro&#x017F;a</hi>, du &#x017F;oll&#x017F;t mitrei&#x017F;en, und Faber und<lb/>
Marie und Erwin und Haus und Hof. Wir wollen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0059] mal fein natürlich wieder auf die Beine zu bringen und zurecht zu rücken. Kommt mir doch jezt meine ganze Reiſe vor, wie eine Armee, wo man vorn blitzende Schwerter und wehende Fahnen, hinter¬ drein aber einen langen Schwanz von Wägen und Weibern ſieht, die auf alten Stühlen, Betten und anderem Hausgeräth ſitzen und plaudern, kochen, handeln und zanken, als wäre da vorn eben alles nichts, daß einem alle Luſt zur Kourage vergeht. Wahrhaftig, wenn du mitziehſt, meine weltliche Roſa, ſo laſſe ich das ganze herrliche, tauſendfar¬ bige Rad meiner Reiſevorſätze fallen, wie der Pfau, wenn er ſeine proſaiſchen Füße beſieht. — Roſa, die ſein Wort von allem verſtanden hatte, was ihr Bruder geſagt, ließ ſich nichts ausreden, ſondern beharrte ruhig und feſt ihrem Entſchluſſe, denn ſie gefiel ſich ſchon im Voraus zu ſehr als Amazone zu Pferde und freute ſich auf neue Spek¬ takel. Friedrich, der eben hier dazu kam, ſchüt¬ telte den Kopf über ihr hartes Köpfchen, das ihm unter allen Untugenden der Mädchen die unleidlich¬ ſte war. Noch tiefer aber ſchmerzte ihn ihre Hart¬ näckigkeit, da ſie doch wußte, daß er nicht mitrei¬ ſe, daß er es nur um Ihretwillen ausgeſchlagen habe, und ihn wandelte heimlich die Luſt an, ſel¬ ber allein in alle Welt zu gehen. Leontin, der, wie auf etwas ſinnend, unterdeß die beyden ver¬ liebten Geſichter angeſehen hatte, lachte auf einmal auf. Nein, rief er, wahrhaftig, der Spaß iſt ſo größer! Roſa, du ſollſt mitreiſen, und Faber und Marie und Erwin und Haus und Hof. Wir wollen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/59
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/59>, abgerufen am 02.05.2024.