Hob er sie auf voll Lust, Drückt ihren schönen, warmen Leib an die eis'ge Brust.
Licht wurden Wald und Höhen,
Der Morgen schien blutroth, Das Schifflein sah man gehen, Die schöne Braut d'rin todt.
Kaum hatte ich noch die letzte Strophe ge¬ endiget, als Angelina mit einem lauten Schrey neben mir zu Boden fiel. Ich schaue ringsum und erblicke mein eignes, leibhaftiges Konterfey im Ein¬ gange des Boskets: dieselbe schwarze Rittermaske, die nemliche Größe und Gestalt. -- Laß mein Weib, verführerisches Blendwerk der Hölle! rief die Maske, ausser sich, und stürzte mit blankem Schwerdte so wüthend auf mich ein, daß ich kaum Zeit genug hatte, meinen eigenen Degen zu zieh'n. Ich erstaunte über die Aehnlichkeit seiner Stimme mit der meinigen, und begriff nun, daß mich Ange¬ lina für diesen ihren Mann, den Grafen selber, gehalten hatte. In der Bewegung des Gefechts war ihm indeß die Larve vom Gesicht gefallen, und ich erkannte mit Grausen den fürchterlichen Unbe¬ kannten wieder, dessen Schreckbild mich durchs ganze Leben verfolgt. Mir fiel die Prophezeyung ein. Ich wich entsetzt zurück, denn er focht unbe¬ sonnen in blinder Eifersucht und ich war im Vor¬ theil. Aber es war zu spät, denn in demselben Augenblicke rannte er sich wüthend selber meine Degenspitze in die Brust und sank todt nieder.
Und wie mit ſteinern'n Armen
Hob er ſie auf voll Luſt, Drückt ihren ſchönen, warmen Leib an die eiſ'ge Bruſt.
Licht wurden Wald und Höhen,
Der Morgen ſchien blutroth, Das Schifflein ſah man gehen, Die ſchöne Braut d'rin todt.
Kaum hatte ich noch die letzte Strophe ge¬ endiget, als Angelina mit einem lauten Schrey neben mir zu Boden fiel. Ich ſchaue ringsum und erblicke mein eignes, leibhaftiges Konterfey im Ein¬ gange des Boſkets: dieſelbe ſchwarze Rittermaſke, die nemliche Größe und Geſtalt. — Laß mein Weib, verführeriſches Blendwerk der Hölle! rief die Maſke, auſſer ſich, und ſtürzte mit blankem Schwerdte ſo wüthend auf mich ein, daß ich kaum Zeit genug hatte, meinen eigenen Degen zu zieh'n. Ich erſtaunte über die Aehnlichkeit ſeiner Stimme mit der meinigen, und begriff nun, daß mich Ange¬ lina für dieſen ihren Mann, den Grafen ſelber, gehalten hatte. In der Bewegung des Gefechts war ihm indeß die Larve vom Geſicht gefallen, und ich erkannte mit Grauſen den fürchterlichen Unbe¬ kannten wieder, deſſen Schreckbild mich durchs ganze Leben verfolgt. Mir fiel die Prophezeyung ein. Ich wich entſetzt zurück, denn er focht unbe¬ ſonnen in blinder Eiferſucht und ich war im Vor¬ theil. Aber es war zu ſpät, denn in demſelben Augenblicke rannte er ſich wüthend ſelber meine Degenſpitze in die Bruſt und ſank todt nieder.
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Und wie mit ſteinern'n Armen
Hob er ſie auf voll Luſt,
Drückt ihren ſchönen, warmen
Leib an die eiſ'ge Bruſt.
Licht wurden Wald und Höhen,
Der Morgen ſchien blutroth,
Das Schifflein ſah man gehen,
Die ſchöne Braut d'rin todt.
Kaum hatte ich noch die letzte Strophe ge¬
endiget, als Angelina mit einem lauten Schrey
neben mir zu Boden fiel. Ich ſchaue ringsum und
erblicke mein eignes, leibhaftiges Konterfey im Ein¬
gange des Boſkets: dieſelbe ſchwarze Rittermaſke,
die nemliche Größe und Geſtalt. — Laß mein
Weib, verführeriſches Blendwerk der Hölle! rief
die Maſke, auſſer ſich, und ſtürzte mit blankem
Schwerdte ſo wüthend auf mich ein, daß ich kaum
Zeit genug hatte, meinen eigenen Degen zu zieh'n.
Ich erſtaunte über die Aehnlichkeit ſeiner Stimme
mit der meinigen, und begriff nun, daß mich Ange¬
lina für dieſen ihren Mann, den Grafen ſelber,
gehalten hatte. In der Bewegung des Gefechts
war ihm indeß die Larve vom Geſicht gefallen, und
ich erkannte mit Grauſen den fürchterlichen Unbe¬
kannten wieder, deſſen Schreckbild mich durchs
ganze Leben verfolgt. Mir fiel die Prophezeyung
ein. Ich wich entſetzt zurück, denn er focht unbe¬
ſonnen in blinder Eiferſucht und ich war im Vor¬
theil. Aber es war zu ſpät, denn in demſelben
Augenblicke rannte er ſich wüthend ſelber meine
Degenſpitze in die Bruſt und ſank todt nieder.
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/449>, abgerufen am 23.11.2024.
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