de weniger hart, angenehmer und sinnreicher in der Ausführung.
Indeß entgieng es mir nicht, daß Angelina anfieng, mit der Mädchentracht nach und nach auch ihr voriges mädchenhaftes, bey aller Liebe verschäm¬ tes, Wesen abzulegen, sie wurde in Worten und Gebehrden kecker, und ihre sonst so schüchternen Augen schweiften lüstern rechts und links. Ja, es geschah wohl manchmal, wenn ich sie unter lustige Gesellen mitnahm, mit denen wir in einem Garten oft die Nacht durchschwärmten, daß sie sich berausch¬ te, wo sie dann mit den furchtsam dreisten Mienen und glänzendschmachtenden Augen ein ungemeim rei¬ tzendes Spiel der Sinnlichkeit gab.
Weiber ertragen solche kühnere Lebensweise nicht. -- Ein Jahr hatten wir so zusammengelebt, als mir Angelina eine Tochter gebahr. Ich hatte sie einige Zeit vorher auf einem Landhause bey Rom vor aller Welt Augen verborgen, und auf ihr eignes Verlangen, welches meiner Eifersucht auffiel, blieb sie nun auch noch lange nach ihrer Nie¬ derkunft mit dem Kinde dort. --
Eines Morgens, als ich eben von Rom hin¬ komme, find' ich alles leer. -- Das alte Weib, welches das Haus hütete, erzählt mir zitternd: Angelina habe sich gestern Abend sehr zierlich als Jäger angezogen, sie habe darauf, da der Abend sehr warm war, lange Zeit bey ihr vor der Thür auf der Bank gesessen und angefangen so betrübt
de weniger hart, angenehmer und ſinnreicher in der Ausführung.
Indeß entgieng es mir nicht, daß Angelina anfieng, mit der Mädchentracht nach und nach auch ihr voriges mädchenhaftes, bey aller Liebe verſchäm¬ tes, Weſen abzulegen, ſie wurde in Worten und Gebehrden kecker, und ihre ſonſt ſo ſchüchternen Augen ſchweiften lüſtern rechts und links. Ja, es geſchah wohl manchmal, wenn ich ſie unter luſtige Geſellen mitnahm, mit denen wir in einem Garten oft die Nacht durchſchwärmten, daß ſie ſich berauſch¬ te, wo ſie dann mit den furchtſam dreiſten Mienen und glänzendſchmachtenden Augen ein ungemeim rei¬ tzendes Spiel der Sinnlichkeit gab.
Weiber ertragen ſolche kühnere Lebensweiſe nicht. — Ein Jahr hatten wir ſo zuſammengelebt, als mir Angelina eine Tochter gebahr. Ich hatte ſie einige Zeit vorher auf einem Landhauſe bey Rom vor aller Welt Augen verborgen, und auf ihr eignes Verlangen, welches meiner Eiferſucht auffiel, blieb ſie nun auch noch lange nach ihrer Nie¬ derkunft mit dem Kinde dort. —
Eines Morgens, als ich eben von Rom hin¬ komme, find' ich alles leer. — Das alte Weib, welches das Haus hütete, erzählt mir zitternd: Angelina habe ſich geſtern Abend ſehr zierlich als Jäger angezogen, ſie habe darauf, da der Abend ſehr warm war, lange Zeit bey ihr vor der Thür auf der Bank geſeſſen und angefangen ſo betrübt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0434"n="428"/>
de weniger hart, angenehmer und ſinnreicher in der<lb/>
Ausführung.</p><lb/><p>Indeß entgieng es mir nicht, daß Angelina<lb/>
anfieng, mit der Mädchentracht nach und nach auch<lb/>
ihr voriges mädchenhaftes, bey aller Liebe verſchäm¬<lb/>
tes, Weſen abzulegen, ſie wurde in Worten und<lb/>
Gebehrden kecker, und ihre ſonſt ſo ſchüchternen<lb/>
Augen ſchweiften lüſtern rechts und links. Ja, es<lb/>
geſchah wohl manchmal, wenn ich ſie unter luſtige<lb/>
Geſellen mitnahm, mit denen wir in einem Garten<lb/>
oft die Nacht durchſchwärmten, daß ſie ſich berauſch¬<lb/>
te, wo ſie dann mit den furchtſam dreiſten Mienen<lb/>
und glänzendſchmachtenden Augen ein ungemeim rei¬<lb/>
tzendes Spiel der Sinnlichkeit gab.</p><lb/><p>Weiber ertragen ſolche kühnere Lebensweiſe<lb/>
nicht. — Ein Jahr hatten wir ſo zuſammengelebt,<lb/>
als mir Angelina eine Tochter gebahr. Ich hatte<lb/>ſie einige Zeit vorher auf einem Landhauſe bey<lb/>
Rom vor aller Welt Augen verborgen, und auf<lb/>
ihr eignes Verlangen, welches meiner Eiferſucht<lb/>
auffiel, blieb ſie nun auch noch lange nach ihrer Nie¬<lb/>
derkunft mit dem Kinde dort. —</p><lb/><p>Eines Morgens, als ich eben von Rom hin¬<lb/>
komme, find' ich alles leer. — Das alte Weib,<lb/>
welches das Haus hütete, erzählt mir zitternd:<lb/>
Angelina habe ſich geſtern Abend ſehr zierlich als<lb/>
Jäger angezogen, ſie habe darauf, da der Abend<lb/>ſehr warm war, lange Zeit bey ihr vor der Thür<lb/>
auf der Bank geſeſſen und angefangen ſo betrübt<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[428/0434]
de weniger hart, angenehmer und ſinnreicher in der
Ausführung.
Indeß entgieng es mir nicht, daß Angelina
anfieng, mit der Mädchentracht nach und nach auch
ihr voriges mädchenhaftes, bey aller Liebe verſchäm¬
tes, Weſen abzulegen, ſie wurde in Worten und
Gebehrden kecker, und ihre ſonſt ſo ſchüchternen
Augen ſchweiften lüſtern rechts und links. Ja, es
geſchah wohl manchmal, wenn ich ſie unter luſtige
Geſellen mitnahm, mit denen wir in einem Garten
oft die Nacht durchſchwärmten, daß ſie ſich berauſch¬
te, wo ſie dann mit den furchtſam dreiſten Mienen
und glänzendſchmachtenden Augen ein ungemeim rei¬
tzendes Spiel der Sinnlichkeit gab.
Weiber ertragen ſolche kühnere Lebensweiſe
nicht. — Ein Jahr hatten wir ſo zuſammengelebt,
als mir Angelina eine Tochter gebahr. Ich hatte
ſie einige Zeit vorher auf einem Landhauſe bey
Rom vor aller Welt Augen verborgen, und auf
ihr eignes Verlangen, welches meiner Eiferſucht
auffiel, blieb ſie nun auch noch lange nach ihrer Nie¬
derkunft mit dem Kinde dort. —
Eines Morgens, als ich eben von Rom hin¬
komme, find' ich alles leer. — Das alte Weib,
welches das Haus hütete, erzählt mir zitternd:
Angelina habe ſich geſtern Abend ſehr zierlich als
Jäger angezogen, ſie habe darauf, da der Abend
ſehr warm war, lange Zeit bey ihr vor der Thür
auf der Bank geſeſſen und angefangen ſo betrübt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/434>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.