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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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war eine alte Romanze, die mir schon als Kind be¬
kannt war. Sie ist mir noch erinnerlich:

Hoch über den stillen Höhen
Stand in dem Wald ein Haus,
Dort war's so einsam zu sehen
Weit über'n Wald hinaus.
D'rin saß ein Mädchen am Rocken,
Den ganzen Abend lang,
Der wurden die Augen nicht trocken,
Sie spann und sann und sang:
"Mein Liebster der war ein Reiter,
Dem schwur ich Treu' bis in Tod,
Der zog über Land und weiter,
Zu Krieges-Lust und Noth.
Und als ein Jahr war vergangen,
Und wieder blühte das Land,
Da stand ich voller Verlangen,
Hoch an des Waldes Rand.
Und zwischen den Bergesbogen,
Wohl über den grünen Plan,
Kam mancher Reiter gezogen,
Der Meine kam nicht mit an.
Und zwischen den Bergesbogen,
Wohl über den grünen Plan,
Ein Jägersmann kam geflogen,
Der sah mich so muthig an.
So lieblich die Sonne schiene,
Das Waldhorn scholl weit und breit,
Da führt' er mich in das Grüne,
Das war eine schöne Zeit! --

war eine alte Romanze, die mir ſchon als Kind be¬
kannt war. Sie iſt mir noch erinnerlich:

Hoch über den ſtillen Höhen
Stand in dem Wald ein Haus,
Dort war's ſo einſam zu ſehen
Weit über'n Wald hinaus.
D'rin ſaß ein Mädchen am Rocken,
Den ganzen Abend lang,
Der wurden die Augen nicht trocken,
Sie ſpann und ſann und ſang:
„Mein Liebſter der war ein Reiter,
Dem ſchwur ich Treu' bis in Tod,
Der zog über Land und weiter,
Zu Krieges-Luſt und Noth.
Und als ein Jahr war vergangen,
Und wieder blühte das Land,
Da ſtand ich voller Verlangen,
Hoch an des Waldes Rand.
Und zwiſchen den Bergesbogen,
Wohl über den grünen Plan,
Kam mancher Reiter gezogen,
Der Meine kam nicht mit an.
Und zwiſchen den Bergesbogen,
Wohl über den grünen Plan,
Ein Jägersmann kam geflogen,
Der ſah mich ſo muthig an.
So lieblich die Sonne ſchiene,
Das Waldhorn ſcholl weit und breit,
Da führt' er mich in das Grüne,
Das war eine ſchöne Zeit! —
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[365/0371] war eine alte Romanze, die mir ſchon als Kind be¬ kannt war. Sie iſt mir noch erinnerlich: Hoch über den ſtillen Höhen Stand in dem Wald ein Haus, Dort war's ſo einſam zu ſehen Weit über'n Wald hinaus. D'rin ſaß ein Mädchen am Rocken, Den ganzen Abend lang, Der wurden die Augen nicht trocken, Sie ſpann und ſann und ſang: „Mein Liebſter der war ein Reiter, Dem ſchwur ich Treu' bis in Tod, Der zog über Land und weiter, Zu Krieges-Luſt und Noth. Und als ein Jahr war vergangen, Und wieder blühte das Land, Da ſtand ich voller Verlangen, Hoch an des Waldes Rand. Und zwiſchen den Bergesbogen, Wohl über den grünen Plan, Kam mancher Reiter gezogen, Der Meine kam nicht mit an. Und zwiſchen den Bergesbogen, Wohl über den grünen Plan, Ein Jägersmann kam geflogen, Der ſah mich ſo muthig an. So lieblich die Sonne ſchiene, Das Waldhorn ſcholl weit und breit, Da führt' er mich in das Grüne, Das war eine ſchöne Zeit! —

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/371>, abgerufen am 22.11.2024.