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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Und diese Au' zur Stunde
Ward ein krystallnes Schloß,
Der Bach: ein Strom gewunden
Ringsum gewaltig floß.
Auf diesem Strome giengen
Viel' Schiffe wohl vorbey,
Es konnt' ihn keines bringen
Aus böser Zauberey.

Sie hatte kaum noch die letzten Worte ausge¬
sungen, als Friedrich plötzlich auf sie zukam, daß
sie innerlichst zusammenfuhr. Wo ist Rosa? fragte
er rasch und streng. Ich weiß es nicht, antwortete
Romana schnell wieder gefaßt, und suchte mit er¬
zwungener Gleichgültigkeit auf ihrer Guitarre die
alte Melodie wiederzufinden. Friedrich wiederholte
die Frage noch einmal dringender. Da hielt sie sich
nicht länger. Als wäre ihr innerstes Wesen auf
einmal losgebunden, brach sie schnell und mit fast
schreckhaften Mienen aus: Du kennst mich noch nicht
und jene unbezwingliche Gewalt der Liebe, die wie
ein Feuer alles verzehrt, um sich an dem freyen
Spiel der eigenen Flammen zu weiden und selber
zu verzehren, wo Lust und Entsetzen in wildem
Wahnsinn einander berühren. Auch die grünblitzen¬
den Augen des buntschillernden, blutleckenden Dra¬
chen im Liebeszauber sind keine Fabel, ich kenne
sie wohl und sie machen mich noch rasend. O, hät¬
te ich Helm und Schwert wie Armida! -- Rosa
kann mich nicht hindern, denn ihre Schönheit ist

Und dieſe Au' zur Stunde
Ward ein kryſtallnes Schloß,
Der Bach: ein Strom gewunden
Ringsum gewaltig floß.
Auf dieſem Strome giengen
Viel' Schiffe wohl vorbey,
Es konnt' ihn keines bringen
Aus böſer Zauberey.

Sie hatte kaum noch die letzten Worte ausge¬
ſungen, als Friedrich plötzlich auf ſie zukam, daß
ſie innerlichſt zuſammenfuhr. Wo iſt Roſa? fragte
er raſch und ſtreng. Ich weiß es nicht, antwortete
Romana ſchnell wieder gefaßt, und ſuchte mit er¬
zwungener Gleichgültigkeit auf ihrer Guitarre die
alte Melodie wiederzufinden. Friedrich wiederholte
die Frage noch einmal dringender. Da hielt ſie ſich
nicht länger. Als wäre ihr innerſtes Weſen auf
einmal losgebunden, brach ſie ſchnell und mit faſt
ſchreckhaften Mienen aus: Du kennſt mich noch nicht
und jene unbezwingliche Gewalt der Liebe, die wie
ein Feuer alles verzehrt, um ſich an dem freyen
Spiel der eigenen Flammen zu weiden und ſelber
zu verzehren, wo Luſt und Entſetzen in wildem
Wahnſinn einander berühren. Auch die grünblitzen¬
den Augen des buntſchillernden, blutleckenden Dra¬
chen im Liebeszauber ſind keine Fabel, ich kenne
ſie wohl und ſie machen mich noch raſend. O, hät¬
te ich Helm und Schwert wie Armida! — Roſa
kann mich nicht hindern, denn ihre Schönheit iſt

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[319/0325] Und dieſe Au' zur Stunde Ward ein kryſtallnes Schloß, Der Bach: ein Strom gewunden Ringsum gewaltig floß. Auf dieſem Strome giengen Viel' Schiffe wohl vorbey, Es konnt' ihn keines bringen Aus böſer Zauberey. Sie hatte kaum noch die letzten Worte ausge¬ ſungen, als Friedrich plötzlich auf ſie zukam, daß ſie innerlichſt zuſammenfuhr. Wo iſt Roſa? fragte er raſch und ſtreng. Ich weiß es nicht, antwortete Romana ſchnell wieder gefaßt, und ſuchte mit er¬ zwungener Gleichgültigkeit auf ihrer Guitarre die alte Melodie wiederzufinden. Friedrich wiederholte die Frage noch einmal dringender. Da hielt ſie ſich nicht länger. Als wäre ihr innerſtes Weſen auf einmal losgebunden, brach ſie ſchnell und mit faſt ſchreckhaften Mienen aus: Du kennſt mich noch nicht und jene unbezwingliche Gewalt der Liebe, die wie ein Feuer alles verzehrt, um ſich an dem freyen Spiel der eigenen Flammen zu weiden und ſelber zu verzehren, wo Luſt und Entſetzen in wildem Wahnſinn einander berühren. Auch die grünblitzen¬ den Augen des buntſchillernden, blutleckenden Dra¬ chen im Liebeszauber ſind keine Fabel, ich kenne ſie wohl und ſie machen mich noch raſend. O, hät¬ te ich Helm und Schwert wie Armida! — Roſa kann mich nicht hindern, denn ihre Schönheit iſt

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/325>, abgerufen am 21.05.2024.