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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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meinem Bett in Gedanken gesessen, da habe
auf einmal etwas an das Fenster geklopft.
Sie hätte den Athem eingehalten und unbeweg¬
lich gesessen, da wäre plötzlich das Fenster
aufgegangen und Ihr leibhaftiger Page, der
Erwin, habe mit todtenblassem Gesicht und ver¬
wirrten Haaren in die Stube hineingeguckt.
Als er sich überall umgesehen, und sie auf dem
Bette erblickt, habe er ihr mit dem Finger ge¬
droht und sey wieder verschwunden. Ich sagte
ihr, sie sollte sich solches dummes Zeug nicht
in den Kopf setzen. Sie aber hat es sich sehr
zu Herzen genommen, und ist seitdem etwas
traurig. Die Tante soll nichts davon wissen.
Was giebt's denn mit dem guten Jungen, ist
er nicht mehr bey Ihnen? -- So eben wie ich
dieß schreibe, sieht Fräulein Julie drüben
über'n Gartenzaun. -- Wie ich sagte, daß ich
an Sie schriebe, kam sie schnell aus dem Gar¬
ten zu mir herüber und ich mußte ihr eine Fe¬
der schneiden; sie wollte selber etwas dazu¬
schreiben. Dann wollte sie wieder nicht und
lief davon. Sie sagte mir, ich soll Sie von
ihr grüßen und bitten, Sie möchten auch den
Herrn Grafen Leontin von ihr grüßen, wenn
er bey Ihnen wäre. Kommen Sie beyde doch
bald wieder einmal zu uns! Es ist jetzt wie¬
der sehr schön im Garten und auf den Feldern.
Ich gehe wieder, wie damals, alle Morgen
vor Tagesanbruch auf den Berg, wo Sie und

meinem Bett in Gedanken geſeſſen, da habe
auf einmal etwas an das Fenſter geklopft.
Sie hätte den Athem eingehalten und unbeweg¬
lich geſeſſen, da wäre plötzlich das Fenſter
aufgegangen und Ihr leibhaftiger Page, der
Erwin, habe mit todtenblaſſem Geſicht und ver¬
wirrten Haaren in die Stube hineingeguckt.
Als er ſich überall umgeſehen, und ſie auf dem
Bette erblickt, habe er ihr mit dem Finger ge¬
droht und ſey wieder verſchwunden. Ich ſagte
ihr, ſie ſollte ſich ſolches dummes Zeug nicht
in den Kopf ſetzen. Sie aber hat es ſich ſehr
zu Herzen genommen, und iſt ſeitdem etwas
traurig. Die Tante ſoll nichts davon wiſſen.
Was giebt's denn mit dem guten Jungen, iſt
er nicht mehr bey Ihnen? — So eben wie ich
dieß ſchreibe, ſieht Fräulein Julie drüben
über'n Gartenzaun. — Wie ich ſagte, daß ich
an Sie ſchriebe, kam ſie ſchnell aus dem Gar¬
ten zu mir herüber und ich mußte ihr eine Fe¬
der ſchneiden; ſie wollte ſelber etwas dazu¬
ſchreiben. Dann wollte ſie wieder nicht und
lief davon. Sie ſagte mir, ich ſoll Sie von
ihr grüßen und bitten, Sie möchten auch den
Herrn Grafen Leontin von ihr grüßen, wenn
er bey Ihnen wäre. Kommen Sie beyde doch
bald wieder einmal zu uns! Es iſt jetzt wie¬
der ſehr ſchön im Garten und auf den Feldern.
Ich gehe wieder, wie damals, alle Morgen
vor Tagesanbruch auf den Berg, wo Sie und

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[299/0305] meinem Bett in Gedanken geſeſſen, da habe auf einmal etwas an das Fenſter geklopft. Sie hätte den Athem eingehalten und unbeweg¬ lich geſeſſen, da wäre plötzlich das Fenſter aufgegangen und Ihr leibhaftiger Page, der Erwin, habe mit todtenblaſſem Geſicht und ver¬ wirrten Haaren in die Stube hineingeguckt. Als er ſich überall umgeſehen, und ſie auf dem Bette erblickt, habe er ihr mit dem Finger ge¬ droht und ſey wieder verſchwunden. Ich ſagte ihr, ſie ſollte ſich ſolches dummes Zeug nicht in den Kopf ſetzen. Sie aber hat es ſich ſehr zu Herzen genommen, und iſt ſeitdem etwas traurig. Die Tante ſoll nichts davon wiſſen. Was giebt's denn mit dem guten Jungen, iſt er nicht mehr bey Ihnen? — So eben wie ich dieß ſchreibe, ſieht Fräulein Julie drüben über'n Gartenzaun. — Wie ich ſagte, daß ich an Sie ſchriebe, kam ſie ſchnell aus dem Gar¬ ten zu mir herüber und ich mußte ihr eine Fe¬ der ſchneiden; ſie wollte ſelber etwas dazu¬ ſchreiben. Dann wollte ſie wieder nicht und lief davon. Sie ſagte mir, ich ſoll Sie von ihr grüßen und bitten, Sie möchten auch den Herrn Grafen Leontin von ihr grüßen, wenn er bey Ihnen wäre. Kommen Sie beyde doch bald wieder einmal zu uns! Es iſt jetzt wie¬ der ſehr ſchön im Garten und auf den Feldern. Ich gehe wieder, wie damals, alle Morgen vor Tagesanbruch auf den Berg, wo Sie und

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/305>, abgerufen am 23.11.2024.