Friedrich folgte der Gräfin mit ihren heraus¬ fordernden Augen. Sie war schwarz angezogen und fast furchtbarschön anzusehen. Von der Nacht auf dem Schlosse erwähnte sie kein Wort.
Leontin kam auf sie zu und erzählte ihr, wie er erst gestern bey ihrem Schlosse vorbeygezogen. Es war schon Nacht, sagte er, ich war so frey, mit Fabern und einer Flasche ächten Rheinweins, die wir bey uns hatten, das oberste Dach des Schlosses zu besteigen. Der Garten, die Gegend und die Gallerie oben war tief verschneyt, eine Thüre im Hause mußte offen steh'n, denn der Wind warf sie immerfort einförmig auf und zu, über der verstarrten Verwüstung hielt die Windsbraut einen lustigen Hexentanz, daß uns der Schnee ins Gesicht wirbelte, es war eine wahre Brockennacht. Ich trank dabey dem Dauernden im Wechsel ein Glas nach dem andern zu und rezitirte mehrere Stellen aus Göthe's Faust, die mir mit den Schneewirbeln alle auf einmal eiskalt auf Kopf und Herz zuflogen. Verfluchte Verse! rief Faber, schweig, oder ich wer¬ fe dich wahrhaftig über die Gallerie hinunter! Ich habe ihn niemals so entrüstet geseh'n. Ich warf die Flasche ins Thal hinaus, denn mich fror, daß mir die Zähne klapperten. -- Romana antwortete nichts, sondern setzte sich an den Flügel und sang ein wildes Lied, das nur aus dem tiefsten Jammer einer zerrissenen Seele kommen konnte. Ist das nicht schön? fragte sie einigemal dazwischen, sich mit Thränen in den Augen zu Friedrich'n herumwen¬
Friedrich folgte der Gräfin mit ihren heraus¬ fordernden Augen. Sie war ſchwarz angezogen und faſt furchtbarſchön anzuſehen. Von der Nacht auf dem Schloſſe erwähnte ſie kein Wort.
Leontin kam auf ſie zu und erzählte ihr, wie er erſt geſtern bey ihrem Schloſſe vorbeygezogen. Es war ſchon Nacht, ſagte er, ich war ſo frey, mit Fabern und einer Flaſche ächten Rheinweins, die wir bey uns hatten‚ das oberſte Dach des Schloſſes zu beſteigen. Der Garten, die Gegend und die Gallerie oben war tief verſchneyt, eine Thüre im Hauſe mußte offen ſteh'n, denn der Wind warf ſie immerfort einförmig auf und zu, über der verſtarrten Verwüſtung hielt die Windsbraut einen luſtigen Hexentanz, daß uns der Schnee ins Geſicht wirbelte, es war eine wahre Brockennacht. Ich trank dabey dem Dauernden im Wechſel ein Glas nach dem andern zu und rezitirte mehrere Stellen aus Göthe's Fauſt, die mir mit den Schneewirbeln alle auf einmal eiskalt auf Kopf und Herz zuflogen. Verfluchte Verſe! rief Faber, ſchweig, oder ich wer¬ fe dich wahrhaftig über die Gallerie hinunter! Ich habe ihn niemals ſo entrüſtet geſeh'n. Ich warf die Flaſche ins Thal hinaus, denn mich fror, daß mir die Zähne klapperten. — Romana antwortete nichts, ſondern ſetzte ſich an den Flügel und ſang ein wildes Lied, das nur aus dem tiefſten Jammer einer zerriſſenen Seele kommen konnte. Iſt das nicht ſchön? fragte ſie einigemal dazwiſchen, ſich mit Thränen in den Augen zu Friedrich'n herumwen¬
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Friedrich folgte der Gräfin mit ihren heraus¬
fordernden Augen. Sie war ſchwarz angezogen
und faſt furchtbarſchön anzuſehen. Von der Nacht
auf dem Schloſſe erwähnte ſie kein Wort.
Leontin kam auf ſie zu und erzählte ihr, wie
er erſt geſtern bey ihrem Schloſſe vorbeygezogen.
Es war ſchon Nacht, ſagte er, ich war ſo frey,
mit Fabern und einer Flaſche ächten Rheinweins,
die wir bey uns hatten‚ das oberſte Dach des
Schloſſes zu beſteigen. Der Garten, die Gegend
und die Gallerie oben war tief verſchneyt, eine
Thüre im Hauſe mußte offen ſteh'n, denn der Wind
warf ſie immerfort einförmig auf und zu, über der
verſtarrten Verwüſtung hielt die Windsbraut einen
luſtigen Hexentanz, daß uns der Schnee ins Geſicht
wirbelte, es war eine wahre Brockennacht. Ich
trank dabey dem Dauernden im Wechſel ein Glas
nach dem andern zu und rezitirte mehrere Stellen
aus Göthe's Fauſt, die mir mit den Schneewirbeln
alle auf einmal eiskalt auf Kopf und Herz zuflogen.
Verfluchte Verſe! rief Faber, ſchweig, oder ich wer¬
fe dich wahrhaftig über die Gallerie hinunter! Ich
habe ihn niemals ſo entrüſtet geſeh'n. Ich warf
die Flaſche ins Thal hinaus, denn mich fror, daß
mir die Zähne klapperten. — Romana antwortete
nichts, ſondern ſetzte ſich an den Flügel und ſang ein
wildes Lied, das nur aus dem tiefſten Jammer einer
zerriſſenen Seele kommen konnte. Iſt das nicht
ſchön? fragte ſie einigemal dazwiſchen, ſich mit
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/259>, abgerufen am 22.11.2024.
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