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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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wird doch alles Wort nur wieder Wort, und wand¬
te sich zu einem schlichten Manne, der vom Lande
war, und weniger mit der Literatur als mit dieser
Art sie zu behandeln unbekannt zu seyn schien.

Dieser erzählte ihm, wie er jenem Romane
eine seltsame Verwandlung seines ganzen Lebens zu
verdanken habe. Auf dem Lande ausschließlich zur
Oekonomie erzogen, hatte er nemlich, von frühester
Kindheit an nie Neigung zum Lesen und besonders
einen gewissen Widerwillen gegen alle Poesie, als
einem unnützen Zeitvertreib. Seine Kinder dagegen
ließen seit ihrem zartesten Alter einen unüberwind¬
lichen Hang und Geschicklichkeit zum Dichten und
zur Kunst verspüren, und alle Mittel, die er an¬
wandte, waren nicht im Stande, sie davon abzu¬
bringen und sie zu thätigen, ordentlichen Landwir¬
then zu machen. Vielmehr lief ihm der älteste
Sohn fort und wurde wider seinen Willen Mahler.
Dadurch wurde er immer verschlossener und seine
Abneigung gegen die Kunst verwandelte sich immer
bitterer in entschiedenen Haß gegen alles, was ihr
nur anhieng. Der Mahler hatte indeß eine unglück¬
selige Liebe zu einem jungen, seltsamen Mädchen
gefaßt. Es war gewiß das talentvollste, heftigste,
beste und schlechteste Mädchen zugleich, das man
nur finden konnte. Eine Menge unordentlicher Lieb¬
schaften, in die sie sich auch jezt noch immerfort
einließ, brachte den Mahler oft auf das äusserste,
so daß es in Anfällen von Wuth oft zwischen bey¬
den zu Auftritten kam, die eben so furchtbar als

wird doch alles Wort nur wieder Wort, und wand¬
te ſich zu einem ſchlichten Manne, der vom Lande
war, und weniger mit der Literatur als mit dieſer
Art ſie zu behandeln unbekannt zu ſeyn ſchien.

Dieſer erzählte ihm, wie er jenem Romane
eine ſeltſame Verwandlung ſeines ganzen Lebens zu
verdanken habe. Auf dem Lande ausſchließlich zur
Oekonomie erzogen, hatte er nemlich, von früheſter
Kindheit an nie Neigung zum Leſen und beſonders
einen gewiſſen Widerwillen gegen alle Poeſie, als
einem unnützen Zeitvertreib. Seine Kinder dagegen
ließen ſeit ihrem zarteſten Alter einen unüberwind¬
lichen Hang und Geſchicklichkeit zum Dichten und
zur Kunſt verſpüren, und alle Mittel, die er an¬
wandte, waren nicht im Stande, ſie davon abzu¬
bringen und ſie zu thätigen, ordentlichen Landwir¬
then zu machen. Vielmehr lief ihm der älteſte
Sohn fort und wurde wider ſeinen Willen Mahler.
Dadurch wurde er immer verſchloſſener und ſeine
Abneigung gegen die Kunſt verwandelte ſich immer
bitterer in entſchiedenen Haß gegen alles, was ihr
nur anhieng. Der Mahler hatte indeß eine unglück¬
ſelige Liebe zu einem jungen, ſeltſamen Mädchen
gefaßt. Es war gewiß das talentvollſte, heftigſte,
beſte und ſchlechteſte Mädchen zugleich, das man
nur finden konnte. Eine Menge unordentlicher Lieb¬
ſchaften, in die ſie ſich auch jezt noch immerfort
einließ, brachte den Mahler oft auf das äuſſerſte,
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[219/0225] wird doch alles Wort nur wieder Wort, und wand¬ te ſich zu einem ſchlichten Manne, der vom Lande war, und weniger mit der Literatur als mit dieſer Art ſie zu behandeln unbekannt zu ſeyn ſchien. Dieſer erzählte ihm, wie er jenem Romane eine ſeltſame Verwandlung ſeines ganzen Lebens zu verdanken habe. Auf dem Lande ausſchließlich zur Oekonomie erzogen, hatte er nemlich, von früheſter Kindheit an nie Neigung zum Leſen und beſonders einen gewiſſen Widerwillen gegen alle Poeſie, als einem unnützen Zeitvertreib. Seine Kinder dagegen ließen ſeit ihrem zarteſten Alter einen unüberwind¬ lichen Hang und Geſchicklichkeit zum Dichten und zur Kunſt verſpüren, und alle Mittel, die er an¬ wandte, waren nicht im Stande, ſie davon abzu¬ bringen und ſie zu thätigen, ordentlichen Landwir¬ then zu machen. Vielmehr lief ihm der älteſte Sohn fort und wurde wider ſeinen Willen Mahler. Dadurch wurde er immer verſchloſſener und ſeine Abneigung gegen die Kunſt verwandelte ſich immer bitterer in entſchiedenen Haß gegen alles, was ihr nur anhieng. Der Mahler hatte indeß eine unglück¬ ſelige Liebe zu einem jungen, ſeltſamen Mädchen gefaßt. Es war gewiß das talentvollſte, heftigſte, beſte und ſchlechteſte Mädchen zugleich, das man nur finden konnte. Eine Menge unordentlicher Lieb¬ ſchaften, in die ſie ſich auch jezt noch immerfort einließ, brachte den Mahler oft auf das äuſſerſte, ſo daß es in Anfällen von Wuth oft zwiſchen bey¬ den zu Auftritten kam, die eben ſo furchtbar als

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/225>, abgerufen am 24.11.2024.