dazu? fragte Rosa. -- Sie erinnerte sich sehr oft daran. Noch den letzten Tag vor ihrem Tode, da sie schon zuweilen irre sprach, fiel es ihr ein und sie sagte in einer Art von Verzuckung zu mir: Sprin¬ ge nicht aus dem Garten! Er ist so fromm und zierlich umzäunt mit Rosen, Lilien und Rosmarin. Die Sonne scheint gar lieblich darauf und lichtglän¬ zende Kinder sehen Dir von ferne zu und wollen dort zwischen den Blumenbeeten mit Dir spazieren¬ gehen. Denn Du sollst mehr Gnade erfahren und mehr göttliche Pracht überschauen, als andere. Und eben, weil Du oft fröhlich und kühn seyn wirst und Flügel haben, so bitte ich Dich: springe niemals aus dem stillen Garten! -- Was wollte sie denn aber damit sagen? fiel ihr Rosa ins Wort, ver¬ stehst Du's? -- Manchmal, erwiederte die Gräfin, an nebligen Herbsttagen. -- Sie nahm die Guitar¬ te, trat an das offene Fenster und sang:
Laue Luft kommt blau geflossen,
Frühling, Frühling soll es seyn! Waldwärts Hörnerklang geschossen, Muth'ger Augen lichter Schein, Und das Wirren bunt und bunter Wird ein magisch wilder Fluß, In die schöne Welt hinunter Lockt dich dieses Stromes Gruß.
Und ich mag mich nicht bewahren!
Weit von Euch treibt mich der Wind, Auf dem Strome will ich fahren, Von dem Glanze selig blind!
Tausend
dazu? fragte Roſa. — Sie erinnerte ſich ſehr oft daran. Noch den letzten Tag vor ihrem Tode, da ſie ſchon zuweilen irre ſprach, fiel es ihr ein und ſie ſagte in einer Art von Verzuckung zu mir: Sprin¬ ge nicht aus dem Garten! Er iſt ſo fromm und zierlich umzäunt mit Roſen, Lilien und Roſmarin. Die Sonne ſcheint gar lieblich darauf und lichtglän¬ zende Kinder ſehen Dir von ferne zu und wollen dort zwiſchen den Blumenbeeten mit Dir ſpazieren¬ gehen. Denn Du ſollſt mehr Gnade erfahren und mehr göttliche Pracht überſchauen, als andere. Und eben, weil Du oft fröhlich und kühn ſeyn wirſt und Flügel haben, ſo bitte ich Dich: ſpringe niemals aus dem ſtillen Garten! — Was wollte ſie denn aber damit ſagen? fiel ihr Roſa ins Wort, ver¬ ſtehſt Du's? — Manchmal, erwiederte die Gräfin, an nebligen Herbſttagen. — Sie nahm die Guitar¬ te, trat an das offene Fenſter und ſang:
Laue Luft kommt blau gefloſſen,
Frühling, Frühling ſoll es ſeyn! Waldwärts Hörnerklang geſchoſſen, Muth'ger Augen lichter Schein, Und das Wirren bunt und bunter Wird ein magiſch wilder Fluß, In die ſchöne Welt hinunter Lockt dich dieſes Stromes Gruß.
Und ich mag mich nicht bewahren!
Weit von Euch treibt mich der Wind, Auf dem Strome will ich fahren, Von dem Glanze ſelig blind!
Tauſend
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dazu? fragte Roſa. — Sie erinnerte ſich ſehr oft
daran. Noch den letzten Tag vor ihrem Tode, da
ſie ſchon zuweilen irre ſprach, fiel es ihr ein und ſie
ſagte in einer Art von Verzuckung zu mir: Sprin¬
ge nicht aus dem Garten! Er iſt ſo fromm und
zierlich umzäunt mit Roſen, Lilien und Roſmarin.
Die Sonne ſcheint gar lieblich darauf und lichtglän¬
zende Kinder ſehen Dir von ferne zu und wollen
dort zwiſchen den Blumenbeeten mit Dir ſpazieren¬
gehen. Denn Du ſollſt mehr Gnade erfahren und
mehr göttliche Pracht überſchauen, als andere. Und
eben, weil Du oft fröhlich und kühn ſeyn wirſt und
Flügel haben, ſo bitte ich Dich: ſpringe niemals
aus dem ſtillen Garten! — Was wollte ſie denn
aber damit ſagen? fiel ihr Roſa ins Wort, ver¬
ſtehſt Du's? — Manchmal, erwiederte die Gräfin,
an nebligen Herbſttagen. — Sie nahm die Guitar¬
te, trat an das offene Fenſter und ſang:
Laue Luft kommt blau gefloſſen,
Frühling, Frühling ſoll es ſeyn!
Waldwärts Hörnerklang geſchoſſen,
Muth'ger Augen lichter Schein,
Und das Wirren bunt und bunter
Wird ein magiſch wilder Fluß,
In die ſchöne Welt hinunter
Lockt dich dieſes Stromes Gruß.
Und ich mag mich nicht bewahren!
Weit von Euch treibt mich der Wind,
Auf dem Strome will ich fahren,
Von dem Glanze ſelig blind!
Tauſend
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/198>, abgerufen am 23.11.2024.
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