Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

Schönheit der Landschaft erstaunten. Der Garten
selbst stand auf einer Reihe von Hügeln, wie eine
frische Blumenkrone über der grünen Gegend. Von
jedem Punkte desselben hatte man die erheiternde
Aussicht in das Land, das wie in einem Panorama
ringsherum ausgebreitet lag. Nirgends bemerkte
man weder eine französische noch englische durchgrei¬
fende Regel, aber das Ganze war ungemein er¬
quicklich, als hätte die Natur aus fröhlichem Ueber¬
muthe sich selber aufschmücken wollen.

Herr o. A. und seine Schwester, leztere, wie
wir später sehen werden, wohl nicht ohne besondere
Absicht, baten ihre Gäste recht herzlich und drin¬
gend, längere Zeit bey ihnen zu verweilen, und
beyde willigten gern in den angenehmen Aufenthalt.
Doch erst, als die allmählige Gewohnheit des Zu¬
sammenlebens ihnen das Bürgerrecht des Hauses er¬
theilt hatte, empfanden sie die Wohlthat des stillen,
gleichförmigen häuslichen Lebens und labten sich an
diesem immer neu erfreulichen Schauspiele, das
über gutgeartete Gemüther eine Ruhe und einen
gewissen festen Frieden verbreitet, den viele ein
Leben lang in der bunten Weltlust oder in der
Wissenschaft selber vergebens suchen.

Wenn die Sonne über den Gärten, Bergen
und Thälern aufgieng, flog auch schon alles aus
dem Schlosse nach allen Seiten aus. Herr v. A.
fuhr auf die Felder, seine Schwester und das Fräu¬

lein

Schönheit der Landſchaft erſtaunten. Der Garten
ſelbſt ſtand auf einer Reihe von Hügeln, wie eine
friſche Blumenkrone über der grünen Gegend. Von
jedem Punkte deſſelben hatte man die erheiternde
Ausſicht in das Land, das wie in einem Panorama
ringsherum ausgebreitet lag. Nirgends bemerkte
man weder eine franzöſiſche noch engliſche durchgrei¬
fende Regel, aber das Ganze war ungemein er¬
quicklich, als hätte die Natur aus fröhlichem Ueber¬
muthe ſich ſelber aufſchmücken wollen.

Herr o. A. und ſeine Schweſter, leztere, wie
wir ſpäter ſehen werden, wohl nicht ohne beſondere
Abſicht, baten ihre Gäſte recht herzlich und drin¬
gend, längere Zeit bey ihnen zu verweilen, und
beyde willigten gern in den angenehmen Aufenthalt.
Doch erſt, als die allmählige Gewohnheit des Zu¬
ſammenlebens ihnen das Bürgerrecht des Hauſes er¬
theilt hatte, empfanden ſie die Wohlthat des ſtillen,
gleichförmigen häuslichen Lebens und labten ſich an
dieſem immer neu erfreulichen Schauſpiele, das
über gutgeartete Gemüther eine Ruhe und einen
gewiſſen feſten Frieden verbreitet, den viele ein
Leben lang in der bunten Weltluſt oder in der
Wiſſenſchaft ſelber vergebens ſuchen.

Wenn die Sonne über den Gärten, Bergen
und Thälern aufgieng, flog auch ſchon alles aus
dem Schloſſe nach allen Seiten aus. Herr v. A.
fuhr auf die Felder, ſeine Schweſter und das Fräu¬

lein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0118" n="112"/>
Schönheit der Land&#x017F;chaft er&#x017F;taunten. Der Garten<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;tand auf einer Reihe von Hügeln, wie eine<lb/>
fri&#x017F;che Blumenkrone über der grünen Gegend. Von<lb/>
jedem Punkte de&#x017F;&#x017F;elben hatte man die erheiternde<lb/>
Aus&#x017F;icht in das Land, das wie in einem Panorama<lb/>
ringsherum ausgebreitet lag. Nirgends bemerkte<lb/>
man weder eine franzö&#x017F;i&#x017F;che noch engli&#x017F;che durchgrei¬<lb/>
fende Regel, aber das Ganze war ungemein er¬<lb/>
quicklich, als hätte die Natur aus fröhlichem Ueber¬<lb/>
muthe &#x017F;ich &#x017F;elber auf&#x017F;chmücken wollen.</p><lb/>
          <p>Herr o. A. und &#x017F;eine Schwe&#x017F;ter, leztere, wie<lb/>
wir &#x017F;päter &#x017F;ehen werden, wohl nicht ohne be&#x017F;ondere<lb/>
Ab&#x017F;icht, baten ihre Gä&#x017F;te recht herzlich und drin¬<lb/>
gend, längere Zeit bey ihnen zu verweilen, und<lb/>
beyde willigten gern in den angenehmen Aufenthalt.<lb/>
Doch er&#x017F;t, als die allmählige Gewohnheit des Zu¬<lb/>
&#x017F;ammenlebens ihnen das Bürgerrecht des Hau&#x017F;es er¬<lb/>
theilt hatte, empfanden &#x017F;ie die Wohlthat des &#x017F;tillen,<lb/>
gleichförmigen häuslichen Lebens und labten &#x017F;ich an<lb/>
die&#x017F;em immer neu erfreulichen Schau&#x017F;piele, das<lb/>
über gutgeartete Gemüther eine Ruhe und einen<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;en fe&#x017F;ten Frieden verbreitet, den viele ein<lb/>
Leben lang in der bunten Weltlu&#x017F;t oder in der<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft &#x017F;elber vergebens &#x017F;uchen.</p><lb/>
          <p>Wenn die Sonne über den Gärten, Bergen<lb/>
und Thälern aufgieng, flog auch &#x017F;chon alles aus<lb/>
dem Schlo&#x017F;&#x017F;e nach allen Seiten aus. Herr v. A.<lb/>
fuhr auf die Felder, &#x017F;eine Schwe&#x017F;ter und das Fräu¬<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lein<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0118] Schönheit der Landſchaft erſtaunten. Der Garten ſelbſt ſtand auf einer Reihe von Hügeln, wie eine friſche Blumenkrone über der grünen Gegend. Von jedem Punkte deſſelben hatte man die erheiternde Ausſicht in das Land, das wie in einem Panorama ringsherum ausgebreitet lag. Nirgends bemerkte man weder eine franzöſiſche noch engliſche durchgrei¬ fende Regel, aber das Ganze war ungemein er¬ quicklich, als hätte die Natur aus fröhlichem Ueber¬ muthe ſich ſelber aufſchmücken wollen. Herr o. A. und ſeine Schweſter, leztere, wie wir ſpäter ſehen werden, wohl nicht ohne beſondere Abſicht, baten ihre Gäſte recht herzlich und drin¬ gend, längere Zeit bey ihnen zu verweilen, und beyde willigten gern in den angenehmen Aufenthalt. Doch erſt, als die allmählige Gewohnheit des Zu¬ ſammenlebens ihnen das Bürgerrecht des Hauſes er¬ theilt hatte, empfanden ſie die Wohlthat des ſtillen, gleichförmigen häuslichen Lebens und labten ſich an dieſem immer neu erfreulichen Schauſpiele, das über gutgeartete Gemüther eine Ruhe und einen gewiſſen feſten Frieden verbreitet, den viele ein Leben lang in der bunten Weltluſt oder in der Wiſſenſchaft ſelber vergebens ſuchen. Wenn die Sonne über den Gärten, Bergen und Thälern aufgieng, flog auch ſchon alles aus dem Schloſſe nach allen Seiten aus. Herr v. A. fuhr auf die Felder, ſeine Schweſter und das Fräu¬ lein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/118
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/118>, abgerufen am 12.05.2024.